Welle des Wahnsinns

3.2.2018, 06:05 Uhr
Welle des Wahnsinns

Die Idee ist genial. Man muss Vereine nur ein bisschen an ihre Ehre packen, das Ganze mit einem guten Zweck versehen, und schon kann bekommt man Menschen dazu, die unglaublichsten Dinge zu tun. Genau das ist das Rezept der Cold-Water- Grill-Challenge, die vor ein paar Wochen aus dem Internet gekrochen kam und sich nun weigert, dorthin wieder zurückzukehren.

Die Regeln sind einfach: Es gilt, sich möglichst effektvoll in kaltes Wasser zu werfen. Wer das getan hat, darf drei andere Gruppen nominieren, die innerhalb von acht Tagen denselben Blödsinn auf andere Weise machen. Tun sie das nicht, steht dem Nominierungsverein eine Brotzeit und 50 Liter Bier zu. Sagen zumindest der Nominierungsverein und die Regeln des Challenge. Der Sprung ins kalte Nass soll zudem zum Event gemacht werden und die Zuschauer sollen mit Gegrilltem und Getränken versorgt werden. Die so eingenommene und von lokalen Sponsoren ordentlich aufgestockte Summe wird für einen guten Zweck gespendet. Von dem Geplansche haben bislang nicht nur unzählige Kindergärten, sondern auch Franken United Help, die Regens Wagner Stiftung, die Uganda Kids, Straßenkinder in Indien und viele weitere lokale wie internationale Organisationen profitiert.

Welle des Wahnsinns

Da die Aktion per Video dokumentiert und veröffentlicht werden muss, kann man sich den Wahnsinn ganz bequem auch vom heimischen Sofa aus anschauen. Tut man das, stellt man bald fest, dass es erhebliche Unterschiede bei den Kaltwasser-Ambitionen gibt. So setzten die Weißenburger DSC-Damen mit rosa Tütüs zu blauen Trikots zwar einen interessanten modischen Akzent, aber mit dem Nassmachen hatten es die Damen jetzt nicht so. Ein paar nasse Rezat-Füße mussten genügen.

Der Juraner friert nicht

Ganz anders etwa die Sportkollegen vom SV Nennslingen, die zweifellos am furchtlosesten und möglicherweise auch am betrunkensten waren. Durch ihr Video stieß man etwa auf die weitgehend unbekannte Tatsache, dass es in Nennslingen einen schiffbaren Fluss gibt. Außerdem machten die SVler ein für alle mal klar, dass der Juraner ein grundlegend anderes Kälteempfinden hat als der Rest der Menschheit.

Welle des Wahnsinns

Je näher man an den Rand der Hochfläche kommt, desto mehr lässt das aber offensichtlich nach. So dampfte es bei der FFW Oberhochstatt verdächtig aus dem Bottich, und aus gut unterrichteter Quelle war zu erfahren, dass man das Wasser temperiert hatte, bevor man hineinsprang. Die ELJ Ettenstatt gab sich keinerlei Mühe, zu verbergen, dass sie badewannenwarmes Wasser in ihren mobilen Whirlpool gefüllt hatte. Daraus machte ihr aber niemand einen Vorwurf, weil den Teilnehmern im Verlauf des Videos eine Baggerschaufel Schnee auf die nackten Leiber gekippt wird. Den Mienen der Badenden nach zu urteilen, war das nicht unbedingt abgesprochen.

Bierbauch-Cam erfunden

Der FC Nagelberg sorgte derweil in filmischer Hinsicht mit der Erfindung der „Bierbauch-Cam“ für neue Standards. So konnte man Sprung und Eintauchphase in Super-SloMo erlebbar machen. Sehr lustig zudem die Outtakes der Produktion. Die Freiwillige Feuerwehr Walting peppte ihr Video mit einem Star-Wars-Vorspann auf, der FC/DJK Weißenburg stellte verblüfft fest, wie tief die Rezat vor dem Sportheim ist, der Burgverein Treuchtlingen und die Damen-Mannschaft der Eintracht Kattenhochstatt enterten das Altmühlhochwasser und der SC Ettenstatt sprang im hohen Bogen in einen Tümpel, der FC Pleinfeld in den Brombachsee, der SSV Oberhochstatt in einen Kübel und die Freiwillige Feuerwehr aus Holzingen hatte eigens das Dorf-Rinnsal auf beachtliche Höhe angestaut.

Welle des Wahnsinns

Noch nie in der langen Geschichte Altmühlfrankens dürften mehr bleiche Leibe zur Winterszeit in die Flüsse, Bäche und Weiher der Region gesprungen sein. Und wo man keinen natürlichen Wasserlauf vor der Tür hat, improvisiert man eben. Die Sportfreunde Bieswang bauten im Schneetreiben eine Wasserrutsche auf und schlitterten in einen Pool hinab, und die DJK Stopfenheim ließ sich den Abhang vor dem Sportplatz kurzerhand von der Feuerwehr zur Schlammrutsche präparieren. Der VfL Treuchtlingen badete auf dem eigenen überschwemmten Fußballgelände und nominierte sehr lässig aus dem Schwimmreifen heraus.

Den Landrat nominiert

Einigermaßen bemerkenswert ist, dass die Eisbaderei offensichtlich kein reines Jugendphänomen ist. Auch gestandene Stadtkapellen, in Würde ergraute Reservistenkameradschaften haben schon eisige Arschbomben in das Gewässer ihrer Wahl hingelegt.  Allzu lange dürfte das bunte Treiben aber vermutlich nicht mehr dauern. Langsam scheinen alle Möglichkeiten, sich nass zu machen, erschöpft, und irgendwann wird es dann ja auch mal wieder Sommer. Dann könnte vielleicht auch Landrat Gerhard Wägemann den Sprung ins kalte Nass nachholen. Den wollten ihm die Schlingel von der DJK Stopfenheim einbrocken, indem sie ihn nominierten. Der Landrat will mit seinen 65 Jahren aber offensichtlich auch nicht mehr jeden Blödsinn mitmachen und kaufte sich mit einer Spende für die Jugendabteilung des Vereins frei. Da haben die Stopfenheimer so gesehen alles richtig gemacht.

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