150 Weißenburger protestieren gegen Asyl-Politik
15.8.2018, 05:46 UhrDer frühe Abend begann nicht gut für Victor Rother und den Ortsverband der Linken, die die Kundgebung angemeldet hatten. Eine Viertelstunde vor Beginn der Kundgebung waren kaum Menschen auf dem Marktplatz und fünf Minuten vor Beginn sagte der Hauptredner des Abends per Facebook ab. Aus der Veranstaltung wurde trotzdem ein Achtungserfolg. Pünktlich um 18 Uhr hatten sich an die 150 Weißenburger versammelt. Sie protestierten dagegen, dass man Menschen, die Menschen helfen, zu Kriminellen macht. Derzeit werden private Hilfsorganisationen an Rettungsmissionen im Mittelmeer gehindert und ehrenamtliche Helfer müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
In einer wütenden Rede nannte Victor Rother das eine „Bankrotterklärung für die Menschlichkeit“. „Heute stehen wir hier für etwas, was eigentlich keiner weiteren Diskussion bedarf: dass nämlich Menschen in Not geholfen werden muss. Ohne Wenn und Aber.“ Die Realität zeige aber ein anderes Bild. Allein in diesem Jahr seien mehr als 1500 Menschen im Mittelmeer ertrunken, seit dem Jahr 2000 hätten 35000 Menschen ihre Leben an den Außengrenzen der EU verloren. Harsche Kritik hatte Rother für den hiesigen CSU-Bundestagsabgeordneten Artur Auernhammer übrig. Der habe sich hinter die „inhumane Flüchtlingspolitik Seehofers“ gestellt.
Rother zeigte sich begeistert „von der Zivilcourage der Menschen in dieser Stadt“. Er habe die Kundgebung für 15 Personen angemeldet, am Ende waren es zehnmal so viele. Das fand auch ein Mitglied der Rettungsorganisation SeaEye bemerkenswert, der aus Ingolstadt angereist war „Ich bin hier, weil ich mich bedanken möchte. Weißenburg ist so eine kleine Stadt und es kommen so viele Menschen auf den Marktplatz. Danke für die Solidarität.“ Man habe selbst zwei Schiffe in Malta liegen, die aktuell nicht auslaufen könnten, weil sie von den Behörden im Hafen gehalten werden.
Andere allerdings waren enttäuscht von der Resonanz. „Für Weißenburg ist es eine Schande, dass wir so wenige sind“, rief Elke Riemer. Es gehe darum, dass Menschen wegen schlechter Politik sterben, da müsste der Marktplatz voll sein. Sie bat ebenso wie Klaus Neumann, der auch spontan ans Mikro trat, darum, dass der Protest parteipolitisch neutral organisiert werden müsste. In seinen Abschlussworten bot Rother das an.
„Es wäre toll, wenn sich aus den Teilnehmern heute Menschen finden würden, die eine lokale Aktionsgruppe unter dem Namen ,Seebrücke Weißenburg‘ gründen würden.“ Die sollte dann parteipolitisch neutral sein und alle Mitglieder sollten als Privatpersonen auftreten. Wer sich beteiligen wolle, könne sich bei ihm melden.
Bunte Demonstrantenschar
Bemerkenswert war die bunte Schar, aus der die Demonstrantengruppe bestand. Die evangelische Kirchengemeinde war stark vertreten – was zweifellos nicht bei jeder von den Linken angemeldeten Veranstaltung der Fall ist – Stadträte von Linken, Freien Wählern, SPD und Grünen waren zu sehen, viele Menschen, die sich vor Ort in der Flüchtlingshilfe organisierten, junge Erwachsene, Senioren, Flüchtlinge . . . Ein buntes Abbild der Weißenburger Gesellschaft.
Sieht man davon ab, dass diejenigen fehlten, die mit der neuen Härte in der Asylpolitik einverstanden sind. Dass es die gibt, zeigte sich etwa in Diskussionen auf unserer Facebook-Seite, wo vor allem der katholische Pfarrer Burkhard Hose angegangen wurde, der als Hauptredner für die Veran-staltung auf dem Marktplatz geplant war. Die Kirche solle sich um ihre Sachen kümmern, war der Hauptvorwurf.
Das könnte sie nicht, argumentierte unter anderem Klaus Neumann. Jesus habe nicht gesagt, liebe deinen nächsten Deutschen, sondern liebe deinen Nächsten. Man sei heute hier, um einer Verrohung der Sprache und der Politik entgegenzutreten. Etliche weitere Redner meldeten sich zu Wort und drückten ihr Unverständnis über die mangelnde Menschlichkeit aus.
Darunter die Flüchtlingshelferin Eva Sieland. Aber auch der Ettenstatter Pfarrer Joachim Piephans. Natürlich würden die Hilfsorganisationen in gewisser Weise das Geschäft der Schlepper betreiben, sagte er. Man fahre vielleicht leichter, wenn man wisse, dass da draußen Menschen seien, die einem helfen. Das müsse man diskutieren. „Aber“, stellte Piephans fest, „ solange die Politik keine Möglichkeiten, keine Perspektiven für den Kontinent Afrika findet, ist es nötig, dass wir Menschen aus dem Wasser retten.“
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