Altmühlfranken hilft seit 25 Jahren der Ukraine

26.11.2015, 11:16 Uhr
Altmühlfranken hilft seit 25 Jahren der Ukraine

© Heubeck

Letztlich fand sich über das Bayerische Rote Kreuz (BRK) auch ein Weg der Pakete zu den bedürftigen Menschen in die Ukraine. Später übernahm der Verein „Hilfe für die Ukraine“ die Organisation der Paketaktion, die es nun seit 25 Jahren gibt. „Die Hilfe ist noch immer dringend nötig“, weiß die Vorsitzende Melitta Heu­berger aus den vielen Kontakten nach Lviv (Lemberg), Kiew oder ins aktuel­le Konfliktgebiet um Slowjansk oder Donezk.

Anfang Dezember wird sie und ihr Verein die 40. Paketaktion starten, um wieder den Ärmsten unter die Arme zu greifen, Kindern eine Freude zu machen oder Kinderheime und eine psychiatrische Kinderklinik zu unterstützen. Bislang wurden gut 75 Tonnen an Hilfsgütern in die Ukraine transportiert und an Bedürftige verteilt.

Per Zufall war Melitta Heuberger damals zu der Aktion gekommen – über ihre Nichte Simone Vierthaler. Das Mädchen ging damals in die Grundschule, und für die erste Paketaktion wurde jemand gesucht, der die russische Sprache beherrscht, schließlich musste den Paketen eine Inhalts­angabe beiliegen, die auch in Russisch abgefasst war – das wollten die Behörden so, war aber auch für die Empfänger wichtig. „Meine Tante kann russisch“, sagte die Schülerin. Und schon war Melitta Heuberger rekrutiert und ist seitdem die Frontfrau der Aktion und des Vereins.

Hilfe für Tschernobyl-Opfer

Aus den Dankesbriefen, die nach Weißenburg zurückkamen (Heuberger: „Die zwei Ordner habe ich noch heute“) wurde rasch klar, dass weitere Hilfe nötig ist – vor allem für die Menschen in der Region um Tschernobyl. Dort war 1987 das Atomkraftwerk explodiert, Tausende Menschen in der nahen Stadt Prypjat wurden verstrahlt. „Die bei den Aufräumarbeiten halfen, sind fast alle gestorben“, berichtet Melitta Heuberger. Eine ganze Region wurde umgesiedelt, doch der Reaktorunfall hat bis heute schreck­liche Folgen: Kinder wurden zu Vollwaisen und mussten ins Heim, in den Jahren danach geborene Kinder leiden bis heute an Schilddrüsenproblemen, Missbildungen oder einer allgemeinen  körperlichen Schwäche. „Das ist schrecklich“, bemerkte auch Landrat Gerhard Wägemann, der vor einigen Jahren das Museum zum Reaktor­unfall besuchte und die Hilfsaktion vor 25 Jahren als Elternbeirat der Grundschule mitanschob.

Ein halbes Jahr nach der Weih­nachtsaktion stand für den kleinen Helferkreis in Weißenburg eine zusätzliche Aufgabe an: Kinder aus der Region Tschernobyl sollten zur Erholung nach Deutschland kommen. Der Bayerische Rundfunk stellte die Aktion zusammen mit dem BRK auf die Beine und bezahlte über eine Spendenaktion auch die Reisekosten.

Wieder waren die Grimms und Melitta Heuberger gefragt. 20 Tschernobyl-Kinder sollten kommen, der nächste Aufruf wurde gestartet. „Die Hilfsbereitschaft war überwältigend“, erinnert sich Heuberger. Gastfamilien für 96 Mädchen und Jungen meldeten sich im Landkreis, Mediziner unterstützten die Aktion mit kostenlosen Untersuchungen wie Behandlungen, und viele Unternehmen boten an, am Freizeitprogramm mitzuwirken oder dieses finanziell zu unterstützen.

Viele Jahre lang kamen so Kinder nach Weißenburg und Umgebung – unter anderem die kleine Marta. Sie litt seit ihrer Geburt an einem Tumor an Mittel- und Zeigefinger sowie einer seltenen Krankheit, die Haut und Fett an der Hand wuchern ließen und die Beweglichkeit erheblich einschränkte. 2007 und 2009 wurde sie am Kreisklinikum in Gunzenhausen erfolgreich operiert und kann ihre Hand trotz der wegen des Tumors entfernten Fingerglieder wieder sehr gut benutzen. Die junge Frau studiert an der Universität in Lemberg Medizin.

Seit einigen Jahren unterstützt der Verein „Hilfe für die Ukraine“ auch die Psychiatrische Kinderklinik in Lemberg. Seit 2009 konnte mit vielen Spenden die Grund- wie medizinische Ausstattung deutlich verbessert werden. „Die Klinik war in einem sehr ärmlichen Zustand“, blickt Melitta Heuberger zurück. „Vom Staat gibt es keine Zuschüsse oder Unterstützung.“ Erst kürzlich wurden vom Verein neue Geräte beschafft und kaputte Einrichtungen erneuert.

Vom Krieg traumatisiert

Die Unterstützung ist enorm wichtig, denn seit dem Krieg im Osten der Ukraine gibt es in Lemberg viele traumatisierte Kinder, die mit ihren Familien aus dem Kriegsgebiet geflohen sind. Einige von ihnen verloren zum zweiten Mal ihre Heimat. Die waren nach der Tschernobyl-Katastrophe von Prypjat in die rasch hochgezogenen Plattenbauten in Slowjansk umgesiedelt worden und mussten nun wegen des dortigen Krieges mit den Separatisten erneut weg. „Besonders schlimm ist, dass jetzt auch noch etliche Jungen, die wir damals im Landkreis aufgenommen haben, als junge Männer eingezogen und an die Front geschickt werden“, so Melitta Heuberger sichtlich betroffen. „Wir hoffen, dass alles gut geht. Oft sind es Familienväter, deren Frauen und Kinder wir nun unterstützen.“

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