Archaeopteryx konnte richtig fliegen

18.3.2018, 14:45 Uhr
Archaeopteryx konnte richtig fliegen

© Markus Steiner

Für Laien mag das noch nicht ganz so spektakulär klingen. Wenn man sich dann aber länger mit dem Solnhofener Wissenschaftler unterhält, dann dämmert es einem langsam, dass diese Nachricht nicht weniger ist als eine echte Sensation. Für Röper ist das Geheimnis, das er mehr als fünf Jahre lang hüten musste wie einen heiligen Gral, die wichtigste Forschungsarbeit seines Lebens. Kein Wunder, dass er richtig ins Schwärmen gerät, wenn er darüber erzählt, wie oft er in den vergangenen fünf Jahren in Grenoble war und wie er dort den Untersuchungen im European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) beiwohnen durfte.

„Wichtigstes Ergebnis der Karriere“

Röper geht sogar soweit und nennt das Forschungsergebnis „das wich­tigste in meiner Karriere als Wissenschaftler“. Gemeinsam mit dem tschechischen Forscherkollegen Dennis Voeten, dem französischen Paläontologen Dr. Paul Tafforeau, dem Paläontologen Prof. Jorge Cubo, der an der Sorbonne in Paris lehrt, und zwei weiteren Biologen und einer Paläontologin aus Schweden fand Röper heraus, dass die bisherigen Annahmen über den Flugsaurier nicht stimmen können.

Möglich waren die Untersuchungen im ESRF vor allem wegen der hohen Qualität des „Chicken Wings“, der wissenschaftlich den weitaus weniger lustigen Namen „BMMS-BK1a“ trägt. Die Forscher legten ihn und zwei weitere in den Synchrotron-Röntgenstrahl und fanden heraus, dass der Chicken Wing, wie Röper sagt, „eine extrem gut erhaltene und modernen Vögeln nicht unähnliche Knochenarchitektur“ hat. Das sind Röper zufolge klare Hinweise darauf, dass die Flügel so gut durchblutet waren wie bei den heutigen Vögeln.

Dass der Archaeopteryx noch keine optimalen Flugeigenschaften hatte, ist inzwischen ziemlich sicher: „Das Schultergelenk ist mit dem Flügelschlag moderner Vögel nicht vereinbar.“ Dennoch ist sich Röper mit seinem Kollegen sicher, dass der Flugsaurier nicht nur von hohen Bäumen oder Felsvorsprüngen hinabgleiten konnte, sondern auch den aktiven Steigflug schon beherrschte. „Wir haben sofort bemerkt, dass die Knochen des Archaeopteryx viel hohler waren, als die von den erd­gebundenen
Dinosauriern, aber den konventionellen Vogelknochen sehr ähnlich sehen“, wird Dennis Voeten, der Hauptautor der interdisziplinären Studie in einer Pressemitteilung zitiert, die auch bei international renommierten Medien wie der BBC, im Magazin GEO oder anderen großen deutschen Zeitungen wie der Welt und der Süddeutschen große Beachtung fand.

Für das internationale Forscherteam steht unter Zuhilfenahme der modernen Röntgen-Analyse fest: Der Archaeopteryx konnte aktiv fliegen, zeigte aber noch nicht die Art von Flatterbewegung, die für moderne Vögel typisch ist. Sein Flügelschlag ging viel weniger von oben nach unten, sondern eher von vorn oben nach hinten unten. Das Interessan­teste an der Studie ist aber vermutlich nicht der Nachweis, dass der Urvogel ein aktiver Flieger war.

Archaeopteryx konnte richtig fliegen

© Markus Steiner

Genauso wichtig sind die Antworten auf die Frage, warum der Vogelflug in der Evolution überhaupt entstanden ist. Für Röper steht fest: Schuld daran ist das Solnhofener Archipel mit dem von vielen Inseln durchzogenen Jurameer. Der Archaeopteryx könnte in dieser Inselwelt vor rund 150 Millionen Jahren von Insel zu Insel geflogen sein. „Man kann schließen, dass die Flügel sich hier primär entwickelt haben, um Barrieren zu überwinden – und weil es die Chancen auf der Flucht vor Feinden am Boden verbesserte“, sagt Röper. Auch bei der Jagd, etwa nach Insekten, könnten solche Flattersprünge sehr hilfreich gewesen sein.

Eine plausible Hypothese

Es ist eine Hypothese, die im Vergleich zu etlichen vorherigen Annamen plausibel und einleuchtend klingt. Denn wäre der Archaeopteryx tatsächlich nur fähig zum Gleitflug gewesen, dann hätte er mit seinen krallenbewehrten, gefiederten Vorderbeinen umständlich Bäume hinaufklettern müssen, um dann von ihnen wieder den Gleitflug oder Sinkflug zu starten. Fraglich ist ohnehin noch immer, ob es hierzulande vor 150 Millionen Jahren überhaupt schon dafür geeignete Bäume gab.

Musumsleiter Dr. Martin Röper glaubt, dass durch die neuen technischen Möglichkeiten in naher Zukunft noch viele Mythen und Ungereimtheiten über den Archaeopteryx auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können. Die neue Methode im ESRF ist dem Solnhofener Museumsleiter zufolge ein echter Quantensprung für die Wissenschaft: „Wir können jetzt auch fossile Knochen genauso untersuchen wie echte Knochen!“

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