Begeisterung über Mittelalter-Mülltone

14.7.2016, 13:00 Uhr
Begeisterung über Mittelalter-Mülltone

© Jan Stephan

Kriens nimmt einen gleich am Grabungsort in Empfang und legt aus dem Stegreif los. Seine Begeisterung für dieses Loch im Boden und die unzähligen Scherben darin ist offensichtlich. Weniger offensichtlich ist, worin sie begründet ist – immerhin steht man vor der Mülltonne eines mittelalterlichen Gewerbegebiets. Aber: Man muss Kriens ein bisschen Zeit geben, und man versteht den Reiz dieses Scherbenhaufens, den übrigens nicht nur der Archäologe, sondern auch das Landesamt für Denkmalpflege ziemlich spannend findet. Sonst hätte man es gar nicht gestattet, dass der Fund geborgen wird, denn von dem Neubau auf dem Gelände der Familie Kattinger wäre der Fundort nicht betroffen gewesen.

Die Ergebnisse aus Dettenheim könnten eines Tages franken-, vielleicht bayernweit eine Rolle spielen, wenn es darum geht, Grabungszusammenhänge herzustellen und Funde zu datieren. Denn: Die Mittelalter-Mülltonne bietet ein komplettes, wenn auch komplett zerdeppertes Sortiment einer spätmittelalterlichen Töpferei. Einer handwerklichen Manufaktur, die eher nicht für die Bauern am Ort, sondern für den überregionalen Markt produziert hat. Kriens: „Das waren schon spezialisierte Leute hier, die Verzierungen sind sehr aufwendig und die Palette an Produkten sehr breit.“

Begeisterung über Mittelalter-Mülltone

© Jan Stephan

Noch spannender für die Wissenschaftler ist, dass die Fehlbrände aus den Öfen der Werkstatt sehr genau datierbar sind. Überwiegend auf das 15., maximal auf das erste Viertel des 16. Jahrhunderts, erklärt Kriens. Und das macht nun in der Kombination den Charme dieser Abfallgrube aus. Nach einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung lässt sich sehr genau sagen, wie bei einer Töpferei der ge­hobenen Art im 15. Jahrhundert die Krüge, die Weinflaschen, die Ofen­kacheln aussahen. Nachdem im Mit­telalter die Kollektionen nicht jede Saison wechselten, lässt das Aussagen und im besten Falle Datierungen vergleichbarer Fundstücke bei anderen Grabungen zu. Ähnlich wie bei Münzen gibt es auch für Keramik Kataloge, in de­nen die für eine Region und eine Zeit üblichen Stücke verzeichnet sind.

„Ich grabe schon lange, aber so et­was habe ich noch nicht gesehen und werde ich wahrscheinlich auch nicht mehr sehen“, glaubt Kriens. Ein solcher Fund sei ihm aus der weiten Umgebung auch nicht bekannt. Etwa 80 Körbe an Scherben haben Kriens und sein Grabungstechniker Ortwin Schmidt aus den Gruben bereits geholt. „Da war der Bus voll, mehr hat da nicht mehr reingepasst“, erzählt der Archäologe. Ein paar mehr Körbe werden aber noch gefolgt sein, bis die Grabung vergangene Woche abgeschlossen war. Eine Schätzung, wie viele Scherben es am Ende waren, traut sich der Berliner nicht zu. Vermutlich mehrere Zehntausende. „Das ist was für eine Doktorarbeit oder zwei Magister“, regt er eine Zusammenarbeit mit einer Universität an, um die Funde aufzuarbeiten.

Stadt übernimmt die Scherben

Landen werden sie bei der Stadt Weißenburg, die über einen Partner denjenigen Teil der Ausgrabungen bezahlt hat, den die Familie Kattinger nicht hätte machen müssen. Die Stücke sollen nun zum Teil restauriert und im Museum ausgestellt werden. Für die Grundstücksbesitzer und Bauherren haben die Stadt und der Archäologe ausschließlich Lob übrig. „Die haben sich da richtig vorbildlich verhalten“, findet der Rechtsdirektor der Stadt, Heiko Stefke. Es gebe auch andere, die sich nicht so kooperativ verhielten.

Untersucht wurde das Areal vor al­lem deswegen, weil man merowingerzeitlichen Gräber aus dem 7. und 8. Jahrhundert dort vermutete. Bei einem schweren Regenfall hatte es vor Jahren zahlreiche Knochen aus weiter hangaufwärts gelegenen Fluren gespült. Ein Beleg dafür, was die Dettenheimer Vergangenheit alles zu bieten hat. Die Archäologen stießen bereits auf keltische, römische, merowingische und nun auch spätmittel­alterliche Spuren – und das im Übrigen jeweils auch noch in ziemlich spannender Manier.

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