Der Algorhythmus und das Einkaufs-Hoppehoppe

9.7.2017, 15:41 Uhr
Der Algorhythmus und das Einkaufs-Hoppehoppe

© Robert Maurer

Bevor uns das Kind geschenkt ward, wohnten meine Frau und ich in einer 50-Quadratmeter-Bude; mittlerweile ist die Wohnung fast dreimal so groß, doch das Problem ist dasselbe: Ich finde nichts, vor allem keine Kleidung. Bis ich mich entsinne, dass es eine Kiste mit Sommersachen gibt, hängt meist schon der August in den ersten Raureifgespinsten. Auch die Schachtel mit den Wintermänteln taucht selten vor den Semesterferien auf.

Ich als Einkaufsmuffel wäre so­mit durchaus anfällig für ein neu­artiges Geschäftsmodell: Alle zwei Wochen wird einem eine Kiste mit frischem Gewand geschickt, das dann nach 14 Tagen getragen und ungewaschen gegen die nächste Ladung eingetauscht wird. Ein Algorithmus bestimmt, was man gerade schick findet und braucht. Das würde Einkaufen, Stauraum und Wäschewaschen sparen. Man hätte immer andere Anziehsachen, die dann gleich, weil Algorithmen irren nie, das aktuelle Weltgeschehen kommentieren.

Im Buch- und Bio-Gemüsehandel gibt es derartige Modelle schon, auch die Streamingdienste funktionieren ähnlich. Wa­rum nicht Kleidung? Es ist anzunehmen, dass an solchen Lieferdiensten längst gearbeitet wird. Was das dann für den Einzelhandel bedeutet, ist klar: Auslöschung.

Gut, die Welt verändert sich. Vor hundert Jahren war es unvorstellbar, was all die in der Landwirtschaft Beschäftigten machen sollen, sobald Maschinen ihre Arbeit tun. Ähnlich war es mit den Arbeitern und den voll automatisierten Fertigstraßen. Da wie dort hat sich Ersatz gefunden. Es wird also andere als Kleidungsgeschäfte geben, die dann Dinge anbieten, von denen wir heute noch gar nicht wissen, dass wir sie brauchen. Aber beunruhigend ist die Sache doch.

In Weißenburg besteht die Innenstadt zu gefühlten 90 Prozent aus Boutiquen und Gewandläden (Fet­zentandlern). Was passiert, wenn es die alle nicht mehr gibt? Dann muss niemand mehr in die Stadt, um shoppen zu gehen, was mich persönlich jetzt nicht übermäßig stören würde – Einkaufen ist ja für Männer so anstrengend wie das Fliegen eines Düsenjägers. Aber wenn niemand mehr Einkaufs-Hoppehoppe macht, um die zuletzt erworbenen Kleider auszuführen, gibt es bald auch keine Wirtshäuser mehr. Wozu auch? Bringt ja alles ein Lieferando, Foodoro, Pizzaflizzer, Dönerblitzer. Mit den Freunden und Stammtischbrüdern kann man chatten, und alles andere wird online gemacht: banking, apotheking, booking, learning, sporting. Und der Rest kommt aus dem 3-D-Drucker.

Die Einzigen, die dann noch durch die Städte ziehen, sind Touristen und ein paar Digitalisierungsverweigerer-Dinos. Aber wollen wir das wirklich? Vielleicht ist es dann doch besser, wenn sich die Sommersachen bis in den August hinein verstecken, die Wintermäntel bis zum Fasching unauffindbar sind?

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