Der Solnhofener Urvogel hat immer noch Geheimnisse

29.1.2018, 08:01 Uhr
Der Solnhofener Urvogel hat immer noch Geheimnisse

© Oliver Rauhut/LMU

Darwin hatte in seiner Theorie von der schrittweisen Entwicklung der Arten durch natürliche Auslese darauf verwiesen, dass es Übergangsarten geben müsse. Arten also, die Elemente einer alten und einer neuen Tierart in sich vereinen. Das Dumme war allerdings, dass man bislang keine dieser „missing links“ gefunden hatte. Darwin wurde heftig kritisiert, aber zwei Jahre nach der Veröffentlichung seiner Thesen wurde das erste Exemplar des Archäopteryx gefunden. Eines Tieres, das nach damaligem Kenntnisstand halb Vogel, halb Saurier war. Die beiden Funde aus den Steinbrüchen rund um Solnhofen verhalfen einer Theorie zum Durchbruch, die seitdem das Verständnis der Welt entscheidend prägt und die Kirchen zu ein paar Korrekturen ihrer Schöpfungslehre zwang.

Der Urvogel wurde zu einer Ikone der Wissenschaft, die weit über die Grenzen der Paläontologie hinausstrahlte. Und deshalb interessiert sich auch heute noch die breite Öffentlichkeit für alles, was es an Neuem gibt rund um den Sauriervogel. Und das ist aktuell mal wieder der Fall. Das Team der LMU um Oliver Rauhut hat den 2011 bei Schamhaupten gefundenen Archäopteryx unter die Lupe genommen, bei dem es sich um das bislang geologisch älteste Exemplar handelt – das Tier lebte bis zu einer Million Jahre früher als die jüngsten gefundenen Fossilien seiner Art.

Dieser Ur-Urvogel hat viele Merkmale, die man bislang vom Archäop­teryx nicht kannte. „Sie zeigen unter anderem, wie ähnlich der Urvogel in vielen Merkmalen den fortschrittli­chen Raubsauriern ist“, sagt Rauhut, der in der aktuellen Studie nun erstmals vorstellt, wie sich der Urvogel von anderen fortschrittlichen Raub­dinosauriern unterscheiden lässt. Dies wurde notwendig, da viele Funde vogelähnlicher Raubsaurier in den vergangenen Jahren, vor allem in China, eine eindeutige Zuordnung schwieriger gemacht hatten. Rauhut hatte mithilfe seiner Methode im vergangenen Jahr festgestellt, dass es sich beim „Haarlemer Exemplar“ gar nicht um einen Urvogel, sondern um einen flugunfähigen gefiederten Raubdinosaurier handelt.

Zudem stellten die Forscher nun bei der anatomischen Analyse des elften Fossils fest, dass die verschiedenen Exemplare der Gattung Archäopteryx eine sehr beachtliche Variation zeigen. Erklärungen für diese Variationen reichen von starken individuellen Unterschieden bis hin zu evolutiven Änderungen und der Möglichkeit, dass die verschiedenen Exemplare nah verwandten Arten zugehören.

Jeder hat ein anderes Gebiss

„Auffällig ist insbesondere die star­ke Variation in der Bezahnung und somit möglicherweise im Nahrungserwerb – keine zwei Exemplare zeigen das exakt selbe Muster", so Rauhut. „Dies erinnert an die berühmten Darwinfinken und ihre Variation in der Schnabelform. Vielleicht hatte sich bereits der Urvogel nach seiner Ankunft im Solnhofener Archipel auf den verschiedenen Inseln rasch in zahlreiche spezialisierte Arten aufgespalten und stellt somit sozusagen einen jurassischen Darwinfinken dar“, mutmaßt Rauhut.

In jedem Fall eine neue Hypothese, die es zu untersuchen gilt und bei der auch weitere Funde helfen könnten. Der jüngste Fund tauchte übrigens in einem für die Öffentlichkeit betriebenen Fossiliensteinbruch aus. Einen solchen gibt es auch in Solnhofen, und wer weiß, vielleicht wartet dort ja noch der ein oder andere Archäop­teryx auf seinen Finder. Fossilien des Urvogels werden immerhin im Wert auf mehrere Millionen Euro beziffert.

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