Die Donau hat echt was verpasst

3.9.2017, 14:06 Uhr
Die Donau hat echt was verpasst

Letzte Woche durfte ich beim Poetenfest in Erlangen auftreten. Bei der Einführung meinte der Moderator, ich sei ja gerade Stadtschreiber in Weißenburg an der Donau. An der Donau? Ich gestehe, einen Moment lang brauchten meine verschlammten Gehirnzellen, um sich in Gang zu setzen. Habe ich etwas verpasst? Ich kenne den breiten, aber niemals blauen Strom von Linz, Wien, Budapest, habe seine bescheidenen Anfänge im Schwarzwald gesehen, sein breites Bett kurz vorm Schwarzen Meer. Aber in Weißenburg? Wo um Neptuns Willen sollte da die Donau sein?

Es gibt den romantischen Teich an der Stadtmauer, wo man das Verhalten der Enten studieren kann. Wenn die den Schnabel ins Federkleid stecken, erinnert es an bis zur Nase hochgezogene Bettdecken beim Einbüseln. Aber warum schlafen diese Tiere stehend auf nur ei­nem Bein? Wahrscheinlich hat dieses Einbeinpennen mit dem Wärmehaushalt der Vögel zu tun. Auch die Teich-Ratten sind süß, aber wo ist der Fluvius Danubius? Die einzige Brücke führt über die Eisenbahn, und darunter kann man neben dem Stadtnamen in Klammern lesen: „Bay“. Gibt es also doch eine versteckte Bucht mit Strand? Will Bully Herbig ein bayerisches Baywatch in Weißenburg drehen?

Die Donau hat echt was verpasst

Nein, die Donau hat Weißenburg noch nie gesehen, was schade ist (für den Fluss). Auch die große Weltgeschichte ist an Weißenburg immer knapp vorbeigeschrammt. Bezeichnend eine Szene aus den frühen Dreißigern des vergangenen Jahrhunderts: Der Führer war angesagt, sollte auf seinem Weg nach Gunzenhausen kurz in Weißenburg Station machen. Ich sehe die De­legationen der diversen Vereine, kleine, Heldengedichte paukende Mädchen, Chöre, die alte deutsche Lieder proben, Gastro­nomen mit Bier, Obatztem und Schäufele, allein, der Nasenschattenbart und Gröbaz (größter Blender aller Zeiten) brauste einfach durch, sodass die enthusiasmierten Spaliere kaum zum Winken gekommen sind.

Auch Napoleon war nie in Weißenburg. Während der Zeit der Hexenverbrennungen tat sich El­lingen hervor, die große Schlacht im Dreißigjährigen Krieg fand in Nördlingen statt, selbst bei den von einem Herrn Rintfleisch angezettelten Judenpogromen im Mittelalter machte Weißenburg nicht mit. König Ludwig hat sich im Starnberger See ertränkt und nicht im Kleinen Brombachsee oder gar im Ententeich. Luther hat seine Thesen anderswo angezettelt, nicht einmal ein Goethesches Schäferstündchen zu Weißenburg wäre bekannt – sonst könnten örtliche Patisseure nun Weißenburger Geheimrats­ecken kreieren. Mozart, Kepler, Sisi? Fehlanzeige. Auch von Dürer gibt es keine Weißenburger Blätter.

Und wenn die Stadt doch einmal eine Rolle spielt, dann ist es Belgrad oder Wissemburg im Elsass. Die große Weltgeschichte hat sich vor Weißenburg in Bayern (Bucht) immer gedrückt – wie auch die Donau. Aber ist das schlecht? Wer weiß, was der Stadt damit alles erspart geblieben ist?

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