Die Jugend in Altmühlfranken ist gar nicht so schlimm

21.3.2018, 08:00 Uhr
Die Jugend in Altmühlfranken ist gar nicht so schlimm

© Archivfoto: Rainer Heubeck

Viele Jahre waren die hohen Aus­gaben für die Jugendhilfe ein Dauerthema der Kreispolitik. Bei den Ausgaben pro Kopf schnitt Weißenburg-Gunzenhausen sowohl im mittelfränkischen Vergleich als auch auf bayerischer Ebene stets schlecht ab. Kritik gab es an zu vielen Heimunter­bringungen, den angeblich viel zu
teuren Plätzen in der Heilpädagogischen Tagesstätte und anderen aufwendigen Präventionsmaßnahmen. Stets stand der Eindruck im Raum, um die Jugend in Weißenburg-Gunzenhausen steht es beinahe so schlimm wie in den übelsten Berliner Problembezirken.

Doch wie sich nun herausstellte, gibt es für eine solche Einschätzung keinerlei Grundlage. „Die überdurchschnittlich hohen Zahlen bei uns können gar nicht stimmen“, bekannte Kreiskämmerer Peter Nebert und entschuldigte sich damit in der öffentlichen Sitzung des Jugendhilfeausschusses bei Jugendamtsleiter Stefan Lahner. Für Lahner, der am Tag der Sitzung Geburtstag feierte, war dieses öffentliche Bekenntnis das schönste Geschenk, bekannte er. Er und seine Vorgänger hatten nie verstanden, wie es sein kann, dass Altmühlfranken immer gar so schlecht abgeschnitten hat, und zweifelten die Zahlen der anderen Ämter an. Auch unabhängige Fachleute bewerteten die Arbeit der Weißenburger Behörde als sehr gut und effizient.

Bei den jüngst vorgelegten bayernweiten Vergleichszahlen hat der Bayerische Landkreistag ein bisschen genauer nachgefragt. Und nun zeigt sich, wie die Zahlen der anderen Landkreise zustande gekommen sind. „Da sind Jugendämter dabei, die angeblich mit nur 7000 Euro Personalkosten auskommen. Das kann nicht stimmen“, sagte selbst Kämmerer Nebert. „Die Zahlen werden nach eigenem Ermessen der Jugendamtsleiter gemeldet“, weiß Landrat Gerhard Wägemann inzwischen. Mit anderen Worten: In die Bögen kann man schreiben, was man will. Eine Überprüfung findet nicht statt. Im Haushaltsentwurf des Landkreises hat die neue Erkenntnis allerdings noch keinen Niederschlag gefunden. Dort steht unter den einschlägigen Tabellen noch der Hinweis auf die überdurchschnittlich hohen Ausgaben.

Im Jugendhilfeausschuss wurde die Erkenntnis mit einer gewissen Erleichterung, aber ohne jegliche Wortmeldungen zur Kenntnis genommen. Der Fachausschuss hatte tatsächlich nie große Kritik an der Arbeit des Jugendamtes geübt. Das waren eher die Finanzpolitiker im Kreisausschuss – vor allem aus den Reihen von CSU und Freien Wählern.

Steigende Kosten

Auch wenn die Vergleichszahlen aus der Luft gegriffen waren, ganz generell steigen die Ausgaben für die Jugendhilfe seit Jahren – bundesweit. In Weißenburg-Gunzenhausen ging der Zuschussbedarf innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 5,4 Millionen Euro (2009) auf prognostizierte 8,9 Millionen Euro im laufenden Jahr nach oben. Das ist in etwa ein Plus von 65 Prozent. Im Vergleich zu 2017 stieg der Zuschussbedarf um 6,9 Prozent (Vorjahr knapp 8,4 Millionen Euro).
Größter Ausgabebrocken war und ist die Heimunterbringung. Die Prognose im Haushalt geht von 1,8 Mil­lionen Euro Kosten für den Landkreis aus. Ein Heimplatz kostet rund 56000 Euro im Jahr. Es gibt zwar Zuschüsse, aber teuer bleibt es für den Landkreis allemal. Die Heimunterbringung ist aber eigentlich nie das erste Mittel der Wahl, sondern steht eher am Ende der Liste.

Markant ist der Sprung bei den Fallzahlen. 2015 waren es noch 37 Heimunterbringungen. Aktuell geht der Kämmerer von 67 aus. Allerdings sind davon 28 sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Kosten für sie übernimmt komplett der Staat.

Weitere teure Maßnahmen sind die Heilpädagogischen Tagesstätten, für die der Landkreis etwa 850000 Euro ausgibt. Hier werden Kinder nach der Schule fachmännisch betreut, leben aber in ihren Familien. Auch sehr teuer sind die Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder. Hinter der Bezeichnung verbergen sich beispielsweise Autisten oder auch Kinder mit einem stark ausgeprägten ADHS. Sie brauchen beispielsweise eine Schul­begleitung oder auch eine stationäre Unterbringung. 800000 Euro gibt der Landkreis hierfür insgesamt aus. Für die Unterbringung in Pflegefamilien sind gut 700000 Euro im Haushalt angesetzt. Das Geld reicht aber immerhin für 79 Kinder. Deutlich billiger als das Heim, aber eben auch nicht in je­dem Fall geeignet. Ein dicker Brocken sind auch junge Erwachsene, die im Heim wohnen – beispielsweise, um eine Ausbildung zu Ende zu bringen. Für elf solche Fälle sieht der Haushalt 600000 Euro vor.

Darüber hinaus kann das Jugendamt sozialpädagogische Familienhilfen oder Erziehungsbeistände bezahlen. In beiden Fällen helfen externe Fachleute Familien mit Kindern durch schwierige Phasen. In Summe stehen dafür gut 650000 Euro zur Verfügung. Im Vergleich zu diesen Summen fallen die Ausgaben zur „gemeinsamen Un­terbringung von Müttern/Vätern mit Kind/ern“, die Zuschüsse für die Eltern- und Jugendberatung des Diakonischen Werkes oder die Jugendwerkstatt Langenaltheim, die Jugendso­zialarbeit, Inobhutnahmen (wenn Kinder kurzfristig aus Familien herausgeholt werden müssen) und die Tagespflege mit insgesamt 800000 Euro gar nicht so sehr ins Gewicht. Der Jugendhilfeausschuss nahm die Zahlen ohne große Diskussion zur Kenntnis. Verabschiedet werden soll der Haushalt Anfang April.

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