Fiese Gestalten und ganz viel Schnaps

28.6.2017, 08:11 Uhr
Fiese Gestalten und ganz viel Schnaps

© Mühlöder

Den Ort des Geschehens bildet ein verlassenes Dorf in den Südstaaten Amerikas: ein bedeutungsloser Fleck im Nirgendwo. Die wenigen Bewohner vertreiben sich die Abende vor dem Laden von Fräulein Amelia (Julia Knöll, Franziska Färber) und genießen dort des Öfteren flaschenweise deren Hochprozentigen.

Dem Alltagstrott wird mit dem Auftauchen des fernen Verwandten von Fräulein Amelia, Vetter Lymon (Franz Mühlöder), ein Ende gesetzt. Der Unbekannte ist entstellt durch einen Buckel und am Ende seiner Kräfte. Wider Erwarten der sensationslüsternen Dorfbewohner (Christian Kalies, Paula Schmidt, Karoline Reuthner, Lora Merova, Katharina Kleine, Juliana Michallek, Kristina Pach, Cedrik Wohlmuth) nimmt Fräulein Amelia Vetter Lymon in ihr Haus auf.

Diese Geste widerspricht dem vorangegangenen ruppigen Verhalten Amelias. Ein Blick in die Vergangenheit bringt mehr Klarheit in das Geschehen: Vor Jahren heiratete Fräulein Amelia den selbst ernannten Frauenheld Marvin Macy (Max Schaffrath), behandelte diesen allerdings eher wie ein nutzloses Anhängsel als einen geliebten Menschen. Letztendlich machte sich der unter den Grausamkeiten Amelias leidende Marvin Macy auf und davon.

Bei dem jetzigen Besucher aber nehmen die Dinge einen anderen
Lauf: Vetter Lymon strotzt fortan vor Dominanz und kontrolliert auf schleimige und abstoßende Art das Leben der bis dahin selbstständigen Amelia. Doch eines Tages erhält Henry Macy (Üveys Calik, Josef Klatt) einen Brief seines Bruders Marvin Macy, in dem er seine Rückkehr ankündigt und Fräulein Amelia wird gnadenlos von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Fortan entsteht eine groteske Dreierkonstellation zwischen Fräulein Amelia, Marvin Macey und Vetter Lymon, die auf eine heftige Eskalation zusteuert.

Lehrer Jan Cumme hat mit seiner jungen Truppe einmal mehr ein­drucksvolles Theater auf die Bühne gebracht. Das Stück des amerikanischen Dramatikers Edward Albee ist keine leichte Kost. Die Zeitsprünge tun das Ihre, um die Sache noch verworrener zu machen.
Gerade den Hauptdarstellern gelingt es sehr gut, die schwierigen und teils auch diffusen Entwicklungen ihrer Charaktere über die verschiedenen Lebensabschnitte auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen und sie nachempfindbar zu machen.

Durch die Erzählerin (Katja Uffelmann) bekommt das Publikum auf charmante Art die nötigen Überbrückungen und Zeitsprünge in vergangene Ereignisse oder undurchsichtige Personenkonstellationen vermittelt. Von blankem Abschaum, über Mitleid, bis hin zu kleinen Lachern durchlief das Publikum sämtliche Ebenen der Gefühls­lagen in kurzer Zeit. Auch die spartanisch gehaltene Kulisse und die wenigen Requisiten passen stimmig zum Inhalt des Stücks.

Die zweite Aufführung des Stücks „Ballade vom traurigen Café“ findet am heutigen Mittwoch, 28. Juni, um 19.30 Uhr in der Mensa des Werner-von-Siemens-Gymnasiums statt. Der Eintritt ist frei.

Keine Kommentare