„Gewaltfreie Kommunikation in der Familie“

20.9.2018, 08:00 Uhr
„Gewaltfreie Kommunikation in der Familie“

Frau Schmidt, was kann man sich denn unter „Gewaltfreier Kommunikation“ vorstellen? Gibt es Gewalt denn nicht nur physisch?

Laura Schmidt: Gewalt in der Kommunikation lässt sich der psychischen Gewalt zuordnen. Im Bereich der Kommunikation gibt es offensichtlich aggressive, zum Teil ja auch strafbare Handlungen wie Anschreien, Drohungen oder Beleidigungen. Und es gibt auch weniger offensichtliche, wie z. B. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Sarkasmus. Die Gewaltfreie Kommuni­kation ist eine besondere Methode der Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Sie geht noch einen Schritt weiter. Hier geht es nicht nur darum, gewollt aggressive Aussagen zu vermeiden, sondern auch darum, liebevoll und wertschätzend die eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse des Gegenübers zu vereinbaren.

Warum kommt es denn überhaupt erst zu einer aggressiven Kommuni­kation? Die meisten Menschen leben doch am liebsten in einer harmonischen und verständnisvollen Atmosphäre . . .

Schmidt: Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass wir Menschen handeln, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Dafür verwenden wir verschiedene Strategien. Wenn wir mit unseren verfolgten Strategien anderen Menschen in die Quere kommen, entsteht dadurch ein Konflikt. Beispielsweise könnte ein kleines Kind, das gerade die Nähe zu seinem Vater dringend braucht, ein Geschwisterkind in der Eile unsanft aus dem Weg schubsen. Wir kommunizieren dabei oft nur darüber, welche Strategie gerade angemessen oder unangemessen ist und verlieren unsere Bedürfnisse aus den Augen. Im Beispiel könnte es passieren, dass der Vater sein Kind schimpft und wegschickt. Häufig haben in solchen Situationen beide Parteien den Eindruck, nur die andere habe sich
aggressiv verhalten. Der Vater ärgert sich vielleicht über die seiner Meinung nach grundlose Grobheit des Kindes, das Kind fühlt sich einsam und ungerecht behandelt. Die Situation hinterlässt beide frustriert und verärgert.

Es entsteht subjektiv der Eindruck, dass vor allem in der Politik alles andere als gewaltfrei kommuniziert wird. Dabei müssten Politiker doch allen voran auch Vorbilder für Kinder und Jugendliche sein. Man könnte glauben, dass politische Ziele vornehmlich mit aggressiver Kommunikation durchgesetzt werden sollen. Ginge das auch anders?

Schmidt: In der Politik wird häufig besonders mit Ängsten und Schuldzuweisungen gespielt. Die Gewaltfreie Kommunikation beruht auf absoluter Aufrichtigkeit, auf Respekt und Wertschätzung. Es geht nicht um Schuldfragen. Wenn Politik sich der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation annähern möchte, dann müsste versucht werden, auf Vorwürfe und Schuldzuweisen zu verzichten und gleichzeitig die tatsächlichen Bedürfnisse anstatt die Ängste der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu erfassen. Ich bin persönlich der Meinung, dass das nicht nur möglich, sondern darüber hinaus dringend nötig wäre. In der aktuellen politischen Diskussionskultur lassen sich diese Werte für mich kaum erkennen.

Bei der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg ist vor allem Aufrichtigkeit und Empathie gefragt. Sind das Ihrer Ansicht nach Tugenden, die heutzutage immer mehr verloren gehen? Wird die Gesellschaft immer aggressiver, auch verbal?

Schmidt: Ich denke nicht, dass man das so pauschalisieren kann. Gerade im Bereich der Erziehung und dem Blick auf Kinder und Jugendliche nehme ich eher wahr, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten vieles deutlich zum Positiven verändert hat. Die pädagogischen Konzepte in Kinder­tagesstätten und Schulen haben sich deutlich gewandelt, Kindern und Jugendlichen wird mehr mit Empathie begegnet. Gerade im Säuglings- und Kleinkindalter hat beispielsweise die Bindungsforschung dazu beigetragen, dass auf die Bedürfnisse unserer Kinder angemessener eingegangen wird.

Was dürfen die Zuhörer und Gäste von Ihrem Vortrag erwarten?

Schmidt: In dem Vortrag werden die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg und ihre Anwendungsmöglichkeiten speziell im Umgang mit Kindern beschrieben. Die Zuhörer bekommen Übungen an die Hand, mit denen sie die Beziehung zu ihrem Kind und zu ihren Mitmenschen allgemein verbessern können. Und selbstverständlich gibt es auch viel Raum für Fragen.

Wer den Vortrag nicht besuchen kann, der kann sich auch gerne an die Beratungsstelle für Eltern und Jugendliche des Diakonischen Werks Weißenburg-Gunzenhausen wenden, Pfarrgasse 3, Tel. 0 91 41 / 63 69. Ab dem 24. Oktober ist die Beratungsstelle in der Schulhausstraße 4 untergebracht, die neue Telefonnummer lautet dann 0 91 41 / 8 60 03 60.

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