Große und kleine Würstel

1.7.2017, 09:43 Uhr
Große und kleine Würstel

Nun geht natürlich (abgesehen von ein paar Volltrunkenen) kaum noch jemand laute Balzrufe ausstoßend durch die Stadt. Die Gefahr des Entmündigtwerdens ist zu groß. Außerdem hat der technische Fortschritt längst Brüllprothesen entwickelt, in denen man es bequem krachen lassen kann. Brüllprothesen? Die Rede ist von Autos, meist auf Hochglanz polierte Sportwagen mit breiten Reifen, funkelnden Felgen und flossenartigen Heckspoilern, deren Motoren aufheulen wie notgeile Elefanten, liebeskranke Löwen oder halbwahnsinnige Zi­kaden.

Wir dürfen den Fahrern dieser grenzdezibelen Gefährte aber nicht böse sein, wenn sie mit ihren aufgemotzten Brummkisten durch die engen Straßen donnern, sie sind einfach verzweifelt auf Partnersuche oder in Sachen Reviermarkierung unterwegs. Natürlich signalisiert dieses ohrenbetäubende Verhalten auch, was ihnen kaum bewusst sein wird, dass ihr auf Weitergabe drängendes Genmaterial nicht zum hellsten gehört.

Gerade in Weißenburg, einer beschaulichen, zeitlos idyllischen Stadt, fällt dieses schauerliche Gedröhn besonders auf. Manchmal hebt es mich morgens aus dem Bett, gerinnt die Milch vor Schreck oder erzittern die Wände. Gut, denke ich mir dann, das sind röhrende Hirsche beim Geweihabstoßen, arme, kleine Würstel, bei denen es noch nicht zur Reflexion ihres triebgesteuerten Verhaltens reicht.

Apropos Würstel: Ich stehe diesen faschierten, in ihre eigenen Kotkanäle gestopften Leichenteilen, die lapidar unter der Bezeichnung Wurst firmieren – so ähnlich hat es der bayerische Bierbarde Fredl Fesl einmal ausgedrückt – skeptisch gegenüber, weil man nie weiß, was alles drinnen ist. Die in Weißenburg genossenen Bratwürste aber, das muss ich als Österreicher neidlos anerkennen, sind großartig und mit den in Wien handelsüblichen, mit Knorpeln und Fettwürfeln gefüllten Fleischbananen nicht zu vergleichen. Allenfalls die vor Jahren in Paris genossene charcuterie (oder war es eine ob meiner mangelhaften Französisch-Kenntnisse bestellte saucisson – in der Hoffnung, es käme was mit Sauce?) lässt sich damit vergleichen. Eine Wurst? Mehr schon ein Gedicht.

Da merkt man die lange Tradition der Weißenburger Schweinezüchter und Metzgereien. Und solche Würs­te lassen einen dann auch die Beschallung durch die kleinen Würstchen überhören. Obwohl manchmal, wenn sie es gar zu arg treiben, möchte man sie ihnen schon in den Auspuff schieben.  

 

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