"Hartz IV ist ein Erfolgsmodell"

26.1.2015, 08:38 Uhr

© Steiner

Für Burgschneider vor allem deshalb, weil der Vorsatz von „Fördern und Fordern“ in den meisten Fällen gut gelinge. Natürlich dürfe man nicht erwarten, dass man mit dem Regelsatz von derzeit 399 Euro im Monat große Luftsprünge machen könne. Aber deshalb heiße es ja auch Grundsicherung. Schließlich solle ja grundsätzlich die Motivation vorhanden sein, wieder aus Hartz IV heraus- und in den regulären Arbeitsmarkt zu kommen.

In vielen Fällen gelingt das auch, wie die Statistik belegt. So hat sich der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosen, die vom sogenannten Arbeitlosengeld II, das alternativ gerne Hartz IV genannt wird, von 1 669 Menschen im Jahr 2005 auf 742 im Jahr 2014 reduziert.

Guter Arbeitsmarkt

Ein Grund dafür ist einerseits die erfreulich gute Entwicklung des Arbeitsmarktes: Seit Gründung der Arge, dem späteren Jobcenter, das für die Langzeitarbeitslosen zuständig ist, hat sich die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren mehr als halbiert. Burgschneider macht hierfür mehrere Gründe verantwortlich: die demo­grafische Entwicklung, der günstige Arbeitsmarkt und nicht zuletzt die ­erfolgreiche Vermittlungsarbeit der Jobcenter.

So konnten die Jobcentermitarbeiter im vergangenen Jahr knapp 600 Langzeitarbeitslose wieder in ein reguläres Arbeitsverhältnis vermitteln.
Trotz der Erfolge glaubt auch Durst: „Es gibt immer noch viel zu viele
Menschen, die viel zu lange von der Grundsicherung leben müssen.“ Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen sind das rund 40 Prozent der Arbeitslosen. In Ballungsräumen sieht das im Vergleich viel dramatischer aus: Bis zu 75 Prozent beträgt dort Durst zufolge die Quote. In Weißenburg-Gunzenhausen ist nur rund jeder 40. auf die Grundsicherung angewiesen.

Dennoch bleiben die Herausforderungen für Arbeitsagentur und Jobcenter nach wie vor gleich, erklärt Durst: „Wir wollen den Arbeitssuchenden eine Teilhabe am Arbeitsmarkt erschließen und sie auf ihrem Weg dorthin begleiten.“ Konkret bedeute das, dass die Mitarbeiter des Jobcenters nicht nur die klassische Ver­mittler-, sondern auch eine Art sozialpädagogische Arbeit verrichten, beschreibt Burgschneider die täglichen Herausforderungen, bei denen die persönliche Situation der gesamten Familie berücksichtigt werden muss, die als sogenannte „Bedarfsgemeinschaft“ von Hartz IV leben muss. Im Durchschnitt sind das im Landkreis 1,9 Personen pro Bedarfsgemeinschaft.

Problem: „Multiple Hemmnisse“

Oftmals handelt es sich dabei um Personen, die „multiple Hemmnisse“ haben, wie das im Bürokratendeutsch so schön heißt. In der Realität bedeutet das: Hier treffen gleich mehrere Faktoren aufeinander, die eine reguläre Teilhabe am Arbeitsmarkt erschweren. So sind viele der Langzeitarbeitslosen über 55 Jahre alt, überproportional viele sind schwerbehindert oder haben gesundheitliche Einschränkungen. Das größte Risiko, eines Tages von Hartz IV leben zu müssen, hat indes eine Personengruppe: 71 Prozent der Langzeitarbeitslosen, die von der Grundsicherung leben müssen, haben keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Darauf reagieren die Agentur für Arbeit und das Jobcenter vor allem mit speziellen Programmen und Projekten: wie zum Beispiel dem „Pakt 50 plus“, der mithilfe eines Bildungs­trägers ältere Arbeitnehmer fit für den Arbeitsmarkt machen will, was nach Meinung von Bernd Burgschneider auch gut gelingt. Weil diese Program­me allerdings über Drittmittel finanziert werden, haben sie meist nur eine begrenzte Dauer. So läuft auch der „Pakt 50 plus“ Ende dieses Jahres aus. Dafür kann sich das Weißenburger Jobcenter derzeit noch für Förder­gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bewerben, der speziell für Langzeitarbeitslose gedacht ist.

Alles in allem glauben sowohl Burgschneider als auch Durst, dass die Umsetzung der Hartz-IV-Reform gut geglückt sei – vor allem auch, weil sich jetzt nur noch eine Behörde um die Langzeit­arbeitslosen kümmert und es keinen „Verschiebebahnhof“ mehr gibt wie früher.

Das eigentliche Ziel, die Menschen zu aktivieren und nicht dauerhaft zu alimentieren, ist für Durst aus seiner Sicht jedenfalls erreicht worden. Den Vorwurf, dass sich viele Hartz-IV-Empfänger in ei­ner sozialen Hängematte ausruhen, wie ein häufiges Vorurteil lautet, kann er nicht nachvollziehen. Denn mit dem Regelsatz in Höhe von 399 Euro (für Alleinstehende) kann man ohnehin nur das Nötigste abdecken – auch wenn der Regelsatz zum 1. Januar dieses Jahres um acht Euro angehoben wurde. Euphorisch wurde deshalb seither niemand, wie Bernd Burgschneider betont sachlich schildert: „Die emotionalen Äußerungen über die Erhöhung waren bislang noch nicht überschwänglich.“
 

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