Leere Regale: Babynahrung in Altmühlfranken wird rationiert

19.11.2015, 08:46 Uhr
Leere Regale: Babynahrung in Altmühlfranken wird rationiert

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Hintergrund ist, dass es ein rentables Geschäft ist, deutsche Trockenmilch nach Übersee zu verkaufen – auf eigene Faust im Netz oder halblegal als Exporteur in den sogenannten Graumarkt. Im Internet wird das Drei- bis Vierfache des deutschen Ladenpreises verlangt. Dass man mit dem Verkauf weißen Pulvers Geld machen kann, ist bekannt, dass es sich dabei nicht um illegale Drogen handeln muss, sondern dass das auch mit Bio-Trockenmilch in Dosen funktioniert, das ist neu, also vergleichsweise neu. Denn seit 2008 bekannt wurde, dass chinesische Hersteller ihre Babymilch mit Melamin gestreckt hatten – einem Stoff, der sonst in Leimen und Klebstoffen Verwendung findet –, trauen chinesische Eltern der Industrie im eigenen Land alles zu: der Beginn des sogenannten „Asia-Effekts“.

Der war bisher vor allem in den großen Städten zu spüren, ist jetzt aber in Weißenburg angekommen. In den Drogeriemärkten dm und Müller sowie im Marktkauf in Weißenburg herrscht gähnende Leere in den Regalen mit den verschiedenen Stufen der Hipp-Anfangsmilch. In allen drei Märkten informieren Schilder die Kunden, dass nur noch maximal drei Trockenmilch-Packungen pro Person abgegeben werden, egal welcher Marke. Die Mitarbeiter in den Märkten nehmen schon Vorbestellungen für die nächste Lie­ferung an. Viele Eltern sind genervt.

Dem Babynahrungshersteller Hipp aus dem oberbayerischen Pfaffenhofen geht das nicht viel anders. „Für uns ist das nicht neu“, seufzt ein Unternehmenssprecher. „Normalerweise betrifft das aber nicht nur uns, sondern auch die anderen Hersteller.“ Er bestätigte den Bedarf in China als Grund für den erhöhten Absatz in deutschen Märkten. „Fast mafiöse Strukturen“ gebe es bei den privaten Exporteuren, sagt der Sprecher. Warum im Weißenburger Raum aktuell vor allem Hipp-Produk­te im Fokus der Händler sind, kann er auch nicht erklären. Eine der vielen Wunderlichkeiten dieser Geschichte.

Ekelerregende Liste an Skandalen

Den chinesischen Eltern kann man das Misstrauen in die heimischen Lebensmittelindustrie kaum verdenken, nicht nur wegen des Milchskandals, der sechs Kleinkinder ums Leben und mehr als 50 000 ins Krankenhaus brachte. Die Liste an Lebensmittel-Pfuschereien im Reich der Mitte ist ekelerregend lang. „Kadmium im Reis, Malachit in den Meeresfrüchten, Antibabypillen im Fisch, Blei im Tee, Aldicarb im Ingwer, landesweit recyceltes Speiseöl aus dem Gulli“, hatte die Süddeutsche Zeitung das Elend zuletzt beschrieben. Nicht zu reden von 40 Jahre altem Tiefkühlfleisch und „Lammfleisch“, das in Wahrheit aus Ratte und Fuchs besteht.

Deshalb setzen die chinesischen Eltern, die es sich leisten können, auf Babynahrung aus dem Westen, am liebsten original verpackt und mit deutscher Beschriftung. Zunächst brachten Studenten, Stewardessen, Geschäftsreisende und selbst ernannte Grauimporteure die Waren von Deutschland nach China.

Deswegen war der Milchpulvermangel zunächst ein großstädtisches Phänomen. Nun aber sind die leeren Regale auch in Weißenburg angekommen. Hintergrund könnte sein, dass es inzwischen einen regen Internethandel gibt. Auf Ebay finden sich zahlreiche deutsche Trockenmilch-Produkte. Dort werden sie zwischen gut 20 Euro bis zu knapp 35 Euro gehandelt. Das ist das Zwei- bis Vierfache des regu­lären Ladenpreises in Deutschland.

Offenbar ist auch vielen Deutschen aufgefallen, dass sich so ein gutes Geschäft machen lässt. In Weißenburg sind es jedenfalls keine Asiaten, die die Trockenmilch aufkaufen, wie Verkäuferinnen übereinstimmend berichten. Seit der Begrenzung der Einkaufsmenge kommen Gruppen von bis zu fünf Personen, um von einem Markt zum anderen zu fahren. So kommt man auch auf eine ganz erkleckliche Anzahl an Trockenmilch-Packungen – wenn auch bei deutlich gestiegenen Personalkosten.

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