Misstöne beim Weißenburger Kammerorchester

16.6.2018, 06:00 Uhr
Misstöne beim Weißenburger Kammerorchester

© Robert Renner (Archivfoto)

Das Kammerorchester – bislang ein loser Zusammenschluss – hat sich neu aufgestellt und im Januar einen Verein gegründet. Man erhofft sich davon eine ganze Reihe an Vorteilen – vor allem mehr finanziellen Spielraum. Die Vorbereitungen für die Umstrukturierung sind schon im Sommer vergangenen Jahres angelaufen. Damals fiel die Grundsatzentscheidung hinter der auch Michael Haag stand.

Bei der Gründungsversammlung im Januar musste der Kantor an St. Andreas dann miterleben, wie er mit einem Handstrich seines Postens enthoben wurde, ohne dass es einer direkt ausgesprochen hätte. Die Satzung des neuen Vereins sieht nämlich die Zusammenarbeit mit Gastdirigenten vor. Und zwar ausschließlich. Das Orches­ter hat keinen Leiter mehr. „Ich war einfach raus“, schildert Haag nun rückblickend gegenüber unserer Zeitung.

Es gab bis heute kein Wort des Dankes oder eine offizielle Verabschiedung, sagt Haag. Und sein Gesichtsausdruck strahlt ein gewisse Verbitterung dabei aus. „Ich habe natürlich keine Besitzansprüche auf diesen Posten“, schiebt der Kirchenmusik­direktor hinterher. Und er ist in so viele Projekte eingebunden, dass es ihm sicher nicht langweilig werden wird. Aber eine klare Aussprache hätte er sich wohl zumindest gewünscht.

Auf der anderen Seite ist die Wahrnehmung eine ganz andere: Auf Anfrage des Weißenburger Tagblatts sprach Dr. Klaus Burkhardt von „einer schönen Zeit“ mit Michael Haag als Dirigent und „schönen Konzerten“. Man sei nicht im Unfrieden auseinandergegangen. „Wir haben mit Michael Haag nicht gebrochen.“ Vielmehr biete gerade die Satzung die Möglichkeit auch wieder mit dem Kirchenmusikdirektor zusammenzuarbeiten, weil man sich nun für jedes Projekt einen neuen Dirigenten suchen werde.

Ganz ausschließen mag Haag eine Zusammenarbeit irgendwann in der Zukunft zwar nicht, aber im Moment ist die Verbitterung noch zu groß. „Mir liegt nichts an einer öffentlichen Kriegsführung. Aber man kann nicht sagen, dass es keinen Unmut gegeben hätte.“ Er wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung erst nicht zu dem Vorgefallenen äußern, erst nach einer Bedenkzeit entschloss er sich doch, seine Sicht der Dinge darzustellen. „Man kann das nicht unkommentiert lassen.“

Beim Kammerorchester ist man indes bemüht, den bislang einmaligen Bruch in der 50-jährigen Geschichte des Ensembles als ganz normalen Vorgang abzutun. Parallel schickten Dr. Klaus Burkhardt und Roman Strößner Ankündigungen für das erste Konzert als Kammerorchesterverein. Der Quasi-Rauswurf Haags wird dabei umschifft: „Eine feste musikalische Leitung, wie sie zuletzt Herr KMD Michael Haag inne hatte, wird es nach der neuen Satzung nicht mehr geben“, schrieb Burkhardt. Strößner erwähnte den bisherigen Dirigenten erst gar nicht, sondern vermerkte: „Das Weißenburger Kammerorchester präsentiert sich als Streichorchester in diesem Konzert unter Leitung von Benedikt Ofner aus Nürnberg.“

Weiter zwei vhs-Konzerte

Die Volkshochschule, die bislang stets als Veranstalter der Konzerte aufgetreten ist, will dem Ensemble auch weiterhin die Treue halten und jährlich zwei Konzerte anbieten, kündigte Vorsitzender Dr. Andreas Palme auf Anfrage unserer Zeitung an. „Es ist keine Selbstverständlichkeit für eine kleine Stadt mit 18000 Einwohnern, solch ein Ensemble zu haben.“ Die Interna seien dabei allein Sache des Kammerorchesters.

Das Orchester will weg vom starren Terminplan mit jedem Freitagabend Probe. Die Zukunft heißt Projektarbeit. Dafür seien die Musiker leichter zu begeistern, hoffen Burkhardt und seine Mitstreiter. In der Tat ist es ein Problem des Kammerorchesters, dass viele der Musiker nicht mehr in Weißenburg wohnen und deshalb nur punktuell zum Proben kommen. Konzentriert man die Konzertvorbereitung auf ein paar Wochenenden ist das für sie einfacher. Beim Kammerorchester hofft man dadurch wieder mehr eigene Musiker begeistern zu können und so weniger Gastmusiker zu benötigen. Das würde Kosten senken.

Doch im Gegenzug muss man künftig den Dirigenten bezahlen. Denn auch wenn es gerade an den Musikhochschulen junge Leute gibt, die sich in einem Laien-Kammerorchester ausprobieren wollen: Sie kommen nicht umsonst nach Weißenburg. Michael Haag hat hingegen die neun Jahre komplett ehrenamtlich gearbeitet. Auch Haag sieht im Konzept der Projektarbeit übrigens Vorteile und betont, er hätte sich auch vorstellen können, nicht bei allen Konzerten auf dem Dirigentenpult stehen zu müssen. Das machen auch Profiorchester so. „Das Prinzip ist nicht das schlechteste.“

Also spielten wohl doch noch andere Aspekte eine Rolle, die nicht nach außen getragen werden sollen. Manche Musiker waren unzufrieden mit Haags Arbeitsweise und unterstellten ihm wahlweise, dass er zu sehr Organist oder zu sehr Chorleiter, aber kein Orchesterdirigent sei, so hört man. Andere bemängelten, ihnen fehle eine eigene Note in den Interpretationen. Und manche fühlten sich auch gegängelt, weil der Dirigent in den Proben oft hartnäckig auf eine bestimmte Spielweise drängte. Der Kirchenmusikdirektor gilt gemeinhin in musikalischen Dingen als nicht sonderlich kompromissbereit. Der Unmut ist zuletzt wohl immer größer geworden. Offen angesprochen wurde er nicht.

Die Chance auf einen geordneten Übergang, wie er  nach der Ära Josef Kerl erfolgte, ist auf jeden Fall vertan. Der hatte 2008 angekündigt, das Dirigat abgeben zu wollen. Die führenden Köpfe des Orchesters fragten Michael Haag und der spielte sogar einige Zeit als Cellist mit, um sich so in das Ensemble einzufinden, bevor ihn Josef Kerl in dessen Abschiedskonzert offiziell als Nachfolger präsentierte. Michael Haags Abschiedskonzert war hingegen nicht einmal als solches angekündigt worden.

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