Mit Flinte durch Weißenburg: Mann muss in Psychiatrie

5.8.2016, 09:22 Uhr
Mit Flinte durch Weißenburg: Mann muss in Psychiatrie

© Archivfoto: News5/Goppelt

Auf dem Weihnachtsmarkt machte sich Panik breit, nachdem die Nachricht übers Internet die Runde machte. Die Polizei riegelte das Gebiet zwischen Holzgasse und Augsburger Straße ab und holte eigens ein Spezialeinsatzkommando. Dutzende Sicherheitskräfte waren im Einsatz, weil die Gefahr bestand, dass der Mann anfängt zu schießen.

Die Polizisten fanden ihn schließlich in einem Durchgang zwischen einem Haus und einer Garage, hinter einer Papiertonne in der Nähe der Wohnung seiner Ex-Freundin. Er forderte eine Fluchtauto und Zigaretten. Es dauerte Stunden, bis er sich überzeugen ließ aufzugeben. Doch dann ließ er sich widerstandslos festnehmen. Nun stand er vor der Großen Jugendkammer des Ansbacher Landgerichts. Und dort ging es nicht nur um diesen einen Vorfall. Vielmehr standen auch noch Sexualdelikte in der Anklageschrift.

Drei Tage waren ursprünglich für den Prozess unter dem Vorsitz von Richter Jürgen Krach angesetzt. Doch letztlich beschleunigte Eduard K. (Name geändert) das Verfahren erheblich. Er zeigte sich in vollem Umfang geständig. Die Worte kamen ihm sichtlich schwer über die Lippen. Er stock­te immer wieder, sah nach unten, schwieg lange, schien mitunter mit den Tränen zu kämpfen und musste sich von seinem Verteidiger auf die Sprünge helfen lassen, um überhaupt weiterzuerzählen.

Doch letztlich räumte er ein, seinem Vater, einem Jäger, zwei Gewehre und Munition aus dem versperrten Waffenschrank gestohlen zu haben, den er mit einer Flex geöffnet hat. Eine Waffe ließ er im Geräteschuppen zurück, die andere baute er auseinander, verstaute sie in einer Tasche und machte sich auf den Weg zu seiner Ex-Freundin.

Als die junge Frau die Wohnungstür öffnete, drängte er sich hinein. Er stellte sie zur Rede, weil sie ihn wegen sexueller Übergriffe angezeigt hatte. Sexuelle Übergriffe gegen sie selbst und gegen ihren damals siebenjährigen Sohn. Er hat mit der Frau eine gemeinsame Tochter, die wollte Eduard K. noch einmal sehen, bevor er seinem Leben ein Ende setzen wollte, sagte er. Zu diesem Zweck habe er sich die Waffe besorgt. Er wollte sich töten.

Mit der Waffe hantiert

Als seine Ex-Freundin die Polizei rufen wollte, riss er das Kabel aus der Dose. Er baute vor ihren Augen die Waffe zusammen und lud sie – während sie die kleine gemeinsame Tochter auf dem Arm hatte. Welchen Druck er allein mit dieser Geste ausübte und wie viel Bedrohung dabei mitschwang, sei ihm nicht klar gewesen, sagte Eduard K. der aus drei Berufs- und zwei Laienrichtern bestehenden Kammer. Irgendwann richtete er die Waffe sogar gegen sich selbst und fragte seine Ex-Freundin, ob sie nicht abdrücken wolle. Sie verneinte. Irgendwann im Verlauf des Gesprächs entriss er ihr das Handy, weil er lesen wollte, wem sie noch alles von den Anzeigen gegen ihn erzählt hatte.

Und irgendwann verließ er die Wohnung auch wieder. Er versteckte sich in einer dunklen Passage. Die Polizei rückte an. Das hatte er alles schon bei seiner Festnahme gegenüber der Polizei gestanden. Doch im Gericht ging er nun noch einen Schritt weiter. Er räumte auch die sexuellen Übergriffe ein. Er fasste den Buben am Penis an, schaute mit ihm zusammen einen Porno und masturbierte vor dessen Augen. Hinzu kam noch eine Vergewaltigung der Ex-Freundin, nach dem offiziellen Ende der Beziehung. Sie hatte ihn klar zurückgewiesen, dennoch hörte er nicht auf.

Dass er mit seinem Geständnis dem Jungen und dessen Mutter eine demütigende Zeugenvernehmung erspart hat, rechnete ihm das Gericht hoch an. Andernfalls wären bei einem Schuldspruch vermutlich zwei bis zweieinhalb Jahre mehr als jene sechs Jahre und drei Monate Haftstrafe heraus­gekommen, auf die sich das Gericht schließlich als Summe für alle aufgelaufenen Straftaten festlegte.

Ins Gefängnis kommt der 25-Jährige aber nicht. Er wurde schon am Tag nach seiner Festnahme in die Forensik des Ansbacher Bezirksklinikums überstellt. Dort wird er nun auch bleiben und eine Therapie angehen. Eduard K. leidet unter einer „massiven schweren Persönlichkeitsstörung“, wie Richter Krach in der Urteilsbegründung ausführte. Sein Verhalten sei geprägt von Unreife und trage dissoziale Züge. „Er ist nicht in der Lage, Empathie für andere zu empfinden.“ Und mit anhaltendem Drogenkonsum, vor allem Cannabis, hat er die Erkrankung vermutlich noch verschlimmert.

Die Details aus dem Gutachten von Dr. Martina Weig wurden im Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit erläutert. Eduard K. selbst sagte jedoch ausdrücklich, dass er die Therapie machen möchte. „Sie werden hart an sich arbeiten müssen“, mahnte ihn Richter Krach. Sollte er die Therapie vor dem Ende der Haftstrafe erfolgreich abschließen, muss er den Rest wohl in einem Gefängnis absitzen. Sollte die Therapie in gut sechs Jahren noch nicht abgeschlossen sein, muss das Gericht entscheiden, ob eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie erforderlich ist.

Während sich das Geständnis und die Entschuldigung bei seiner Ex-Freundin positiv in der Findung des Strafrahmens bemerkbar machte, standen auf der Negativseite mehrere Einträge im Bundeszentralregister, eine laufende Bewährung gegen ihn und die Tatsache, dass sowohl die Freundin als auch deren Sohn bis heute unter den Folgen seiner Taten leiden und psychologische Betreuung benötigen.

Der Verteidiger war mit einer Forderung von sechs Jahren und einem Monat etwas unter dem letztlichen Urteil gelegen, der Staatsanwalt mit sieben Jahren und sechs Monaten deutlich darüber. Dennoch verzichteten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage auf Rechtsmittel. Somit war das Urteil noch im Gerichtssaal rechtskräftig.