Nachwuchssorgen: Handwerk klagt über Lehrlingsmangel

31.8.2015, 08:18 Uhr
Nachwuchssorgen: Handwerk klagt über Lehrlingsmangel

© Daut (Archiv)

In den Jahren nach der Jahrtausendwende wurden in seinem Bieswanger Betrieb und den Filialen bis zu 20 Lehrlinge ausgebildet, morgen tritt kein Mädchen oder Junge eine der mehreren Ausbildungstellen zum Fleischer oder zur Fleischerei-Fachverkäuferin an. Dabei hat Wörlein, der einen der größten Metzgerei- und Schlachtbetriebe in der Region führt, mit Inseraten und Aushängen in seinen zahlreichen Filialen geworben und auch bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur nachgesucht. Doch Bewerbungen kamen keine. „So schlimm war es noch nie“, bilanziert der ehemalige Obermeister der Fleischerinnung Mittelfranken Süd. „Dabei haben wir ein abwechslungsreiches Berufsfeld und Aufstiegsmöglich­keiten bis hin zum Studium in der Fleischwirtschaft.“

Doch Fleischer, Bäcker oder Koch – das sind Berufe, die offensichtlich kaum jemand mehr ergreifen will. Derzeit gibt es im Raum Weißenburg rein rechnerisch einen Bewerber pro 18 offene Lehrstellen bei Metzgern oder Bäckern, und bei Köchen hat jeder Bewerber die Auswahl zwischen zehn Ausbildungsstellen. Im Bereich des Lebensmittel-Verkaufs (Bäcker, Metzger) sieht es noch düsterer aus: 19 offene Ausbildungsplätze stehen rein rechnerisch einer Bewerberin gegenüber.

Zwar gibt es generell zu wenig Nachfrage für die noch offenen Lehrstellen (im Juli 196 unversorgte Schulabgänger gegenüber 226 Lehrstellen),  doch ein so krasses Missverhältnis wie in der Lebensmittelbranche und dem Gastgewerbe gibt es der Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg zufolge in keiner anderen Branche. Im Bereich Maschinenbau, Fahrzeugtechnik oder Büro gibt es dagegen deutlich mehr Interessenten als noch offene Lehrstellen. Vor allem um die Ausbildung im Einzelhandel, Industriebereich oder der Bürokommunikation streiten sich die Mädchen wie Jungen.

„Für die Zukunft stimmt einen das nicht gerade hoffnungsvoll“, blickt Inge Struller auf die Ausbildungssituation. „Die Lage ist besch...eiden“, konstatiert die Chefin der gleichnamigen Weißenburger Metzgerei. Auf Stellenangebote für eine Küchenhilfe oder Fachverkäuferin gab es nicht einen Anruf. „Wie wird das, wenn es keine Lehrlinge mehr gibt?“, fragt sie sich.

Nachwuchssorgen: Handwerk klagt über Lehrlingsmangel

© Heubeck (Archiv)

Schon jetzt hat das Lebensmittelhandwerk große Probleme, geeignete Fachkräfte zu bekommen. Die Folge: Filialen müssen geschlossen werden und die zusätzlichen Aktivitäten wie etwa im Catering für Familien- oder Firmenfeste auf das mit dem vorhandenen Personal Machbare zurückgefahren werden. So hat Friedrich Wörlein im Partyservice seiner Metzgerei den Vollservice mit Tischeindecken, Bedienung und Getränkeangebot deutlich zurückgefahren. „Wir schaffen mit dem vorhandenen Personal einfach nicht mehr alles. Wir beschränken uns immer öfter nur auf die Essenslieferung und -ausgabe“.

„Suchen händeringend“

Aber auch in anderen Handwerksbranchen sieht es nicht rosig aus. Der Berufswunsch Maurer, Elektromonteur, Fliesenleger oder Maler sowie im Logistikbereich steht bei der Masse der Jugendlichen weit hinten in der Gunst. Viele Unternehmen „suchen nahezu händeringend Bewerber“. Auch in diesen Branchen gibt es Firmen, die noch keine einzige Bewerbung erhalten haben, so die Arbeitsagentur. „Manchmal liegt es an der Lage des Betriebs, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Jugendlichen schwer zu erreichen ist. Manchmal liegt es aber auch daran, dass Berufsbilder negativ belegt sind, was nicht unbedingt der Realität entspricht“, teilte Pressesprecherin Claudia Suttner mit.

Malermeister Thomas Lautner kann heuer nicht klagen, noch nicht. Denn die jedes Jahr angebotene Ausbildungsstelle konnte er noch immer besetzen. „Da habe ich bisher immer Glück gehabt.“ Doch bei vielen seiner Kollegen ist die Lage alles andere als rosig: Zum morgigen Ausbildungsstart werden etliche Lehrstellen unbesetzt bleiben. Gleiches gilt für die Bau-Branche allgemein.
Viele scheint die körperliche Arbeit bei Wind und Wetter zu schrecken, im Gastgewerbe sind es vor allem die Arbeitszeiten, die teils bis spät in den Abend gehen, während die Bäcker überaus früh raus müssen, um die Kunden ab sieben Uhr mit Semmeln und Brot zu versorgen.Das schränkt das Feiern mit Freunden wie Freizeitaktivitäten ein, was viele heute nicht hinnehmen wollen.

Ein großes Argument für junge Menschen ist die Bezahlung, die im Handwerk deutlich geringer ist als in den Industrie- oder Technikbranchen. „Das ist unser hausgemachtes Problem“, sagt ein Handwerks-meister hinter vorgehaltener Hand. Doch bei den Löhnen mit der Indus-trie zu konkurrieren ist für viele Handwerksbranchen nicht möglich. Viele Handwerker wechseln nach der Gesellenprüfung rasch in die Industrie, wo bis zu fünf Euro mehr Stundenlohn und Zulagen der entscheidende Faktor sind.

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