Neues im Weißenburger Westen

12.7.2018, 06:00 Uhr
Neues im Weißenburger Westen

© Jan Stephan

Eigentum genießt einen hohen Schutzstatus, der sogar im Grund­gesetz verankert ist. Aber: Eigentum hat auch Grenzen. Wenn sein Schutz Schaden für das Allgemeinwohl mit sich bringt, kann unter bestimmen Umständen das Allgemeinwohl vor das Privatwohl treten. Damit nicht ein einziger Grundstücksbesitzer eine ganze Baugebietsplanung zum Platzen bringen kann, hat der Gesetzgeber für Kommunen das Umlegungsverfahren geschaffen. Danach kann eine Kommune – auch ohne Zustimmung der Besitzer – Grundstücke, die ihr gar nicht gehören, zu Baugebieten machen und Privatbesitz teilweise einziehen.

Das soll nach den Plänen der Stadt in Hattenhof geschehen. Das Instrument hat Härten, ist aber eine Standard-Methode, um Bauland auszuweisen und auch im Weißenburger Land keine Ausnahme. Die Gewerbegebiete West 1 und West 2 wurden auf diese Weise geordnet und auch das Baugebiet am Gartenfeld ist so entstanden.

Mangelnde Kommunikation

Finanziell wird die Neuordnung kein Schaden für die Hattenhöfer Familien, denen der Grund gehört. Im Zuge des Umlageverfahrens verlieren sie zwar viele Quadratmeter an die Öffentlichkeit, aber die Flächen, die sie zurückbekommen, verwandeln sich durch die Planung der Stadt von Ackerland in Bauland. Das eine ist sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter wert, das andere etwa 100 bis 120 Euro.

Die Hattenhöfer Besitzer sind trotzdem unzufrieden mit dem Verfahren. Wir haben drei Kritikpunkte“, sagt Stefan Goppelt. „Der erste ist die Kommunikation der Stadt, der zweite ist die Kommunikation der CSU und der dritte sind die Grünflächen im neuen Baugebiet.“ Der Stadt wirft er vor, dass nur ein einziges Mal ein Mitarbeiter des Bauamts mit einem konkreten Angebot vor den Türen der Familie stand. Das sei „lächerlich niedrig und völlig inakzeptabel“ gewesen, so Goppelt. Geschlossen lehnten die Familien dieses Angebot ab. „Seitdem erfahren wir nur noch aus der Zeitung von dem Projekt und bekommen im Zuge des Verfahrens für die Erstellung des Bebauungsplans Post“, sagt Goppelt. „Es gab gar keine richtigen Verhandlungen“, klagen die Besitzer.

Weißenburgs Rechtsdirektor Heiko Stefke will den Hattenhofern da nicht mal widersprechen. „Wir haben nicht verhandelt“, räumt er ein. „Das Problem ist: Wir dürfen es auch gar nicht.“ Man habe ein Angebot im Rahmen des Einheimischenmodells gemacht. Das sieht vor, dass die Eigentümer ein gutes Drittel ihrer Fläche in Form von Bauplätzen behalten und zwei Drittel an die Stadt abtreten. Welche Quadratmeterpreise dafür zu zahlen sind, hat der Stadtrat in einem Beschluss vorgeschrieben. Spielraum für die Verwaltung gibt es da keinen.

Nach der Absage der Hattenhofer hakte die Stadt das Thema Grunderwerb ab, kümmerte sich weiter um die Fertigstellung des Bebauungsplans, um nach dessen Abschluss ein Umlegungsverfahren voranzutreiben. Das funktioniert folgendermaßen: Alle Flächen des Baugebiets werden in ei­nen Topf geworfen und die Anteile der Einzelbesitzer an diesem Topf bestimmt. Anschließend werden die Flächen für Straßen, Gehsteige, Plätze und öffentliche Grünflächen aus dem Topf herausgenommen. Die Fläche, die übrig bleibt, wird gemäß den Besitzanteilen in fertig zugeschnittenen Bauplätzen an die Einzelpersonen wieder ausgegeben.

Je mehr Erschließungs- und Grünflächen eingeplant sind, desto mehr Land verschwindet aus dem Verteilungstopf, desto schlechter ist sozu­sagen die Umtauschquote von Acker in Bauland für die Grundbesitzer. Die Hattenhöfer sind deswegen mit der Planung der Stadt auch nicht einverstanden. Nur 62 Prozent der Fläche steht am Ende für Bauplätze zur Verfügung, 16 Prozent sind Verkehrsflächen und 22 Prozent Grünflächen. Das ist aus ihrer Sicht zu wenig, man wolle doch möglichst viele Bauplätze herstellen und Grünflächen brauche man auf dem Land nicht viele, da man ja bereits im Grünen wohne, so die Argumentation der Besitzer. „Ich würde mir in dem Fall wünschen, dass die Stadt mit fremdem Eigentum sparsam umgeht“, ergänzt Stefan Goppelt.

Bei der Stadt sieht man das anders und kann vor allem nicht allzu viel dafür. Den Anteil der Ausgleichsflächen, die man wegen der Bebauung auf der grünen Wiese schaffen muss, bestimmt man nicht selbst. Ein Fachbüro bewertet zunächst die ökologische Wertigkeit der überbauten Flächen, daraus errechnet sich dann der Umfang der Ausgleichsflächen. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt muss diese Rechnung und auch die konkrete Planung der Ausgleichsflächen dann genehmigen. Zudem sei in der Baugesetzbuch vorgeschrieben, dass bei der Errichtung von Baugebieten  Spielflächen für Kinder vorgesehen sein müssen. Deshalb fand in der Mitte des Baugebiets eine Art Dorfanger Aufnahme, an dessen Größe mit rund 4700 Quadratmeter sich die Hattenhöfer stören.

Im Fall Hattenhof seien die Ausgleichsflächen sogar relativ überschaubar, weil das Ackerland, das überbaut wird, wenig biologische Vielfalt aufweist, erklärt Rechtsdirektor Stefke. Zudem erbringe man knapp zwei Drittel der nötigen Ausgleichsfläche mit Flächen der Stadt, die außerhalb des Baugebiets liegen, und die nicht zulas­ten der Hattenhofer Grundstücksbesitzer gehen.

Die Hattenhöfer sehen auch das Verhalten der CSU kritisch, die das Baugebiet mit einem Antrag nach vorne getrieben hat. „Wenn ich da den CSU-Fraktionsvorsitzenden im Ort habe, dann hätte ich mir schonmal erwartet, dass der uns mal anspricht und frühzeitig informiert“, findet Stefan Goppelt. Generell findet er die Kommunikation aller städtischer Gremienproblematisch. „Wenn die was von uns wollen. dann kann ich doch erwarten, dass die auf uns zukommen und mit uns reden, wie das im Detail laufen soll und nicht wir in der Pflicht sind.“

Die Stadt hat einen Auftrag

Weißenburgs OB Jürgen Schröppel will die Kritik nicht stehen lassen. Er selbst habe einem der Beteiligten in einer Bürgersprechstunde den Sachverhalt erklärt. Das Verständnis sei dadurch nicht größer geworden. „Man kann Dinge natürlich auch mehrfach erklären, aber der Sachverhalt ändert sich dadurch nicht.“ Er wies darauf hin, dass es seit Jahrzehnten einen Flächennutzungsplan gebe, der dort eine Bebauung vorsehe. „Es ist also nicht überraschend, dass das irgendwann auch mal passiert“, so der OB.

Sicher sei ein Eingriff in das Eigentum von Privatleuten schwerwiegend, rechtlich aber korrekt, versichert der Rechtsdirektor. Zudem sei das Umlegungsverfahren, was den Wert ihrer Grundstücke betrifft, für die Besitzer von Vorteil. „Und es geht auch darum, dass die Stadt eine ihrer Aufgaben erfüllen kann: nämlich Bauplätze zur Verfügung zu stellen.“ Auch die Stadt sei daran interessiert, auf einer Fläche so viele Bauplätze zu entwickeln wie sinnvollerweise möglich. „Aber man muss schon auch sagen, dass Grünflächen auch der Wohnqualität in einem Baugebiet dienen und es nicht ausschließlich darum geht, wie ich am meisten Geld aus meinem Acker holen kann“, so Stefke.

Das wird die Hattenhöfer vermutlich nicht versöhnen. Der Bauwillen der Stadt zwingt sie, etwas zu tun, was einige von ihnen nicht wollen: ihren Grund zu verkaufen. „Das ist im Moment nicht die Zeit, wo man etwas verkauft, wenn man nicht muss“, sagt Goppelt. „Ein Quadratmeter Acker ist auch in 100 Jahren noch etwas wert, beim Euro wäre ich mir da nicht so sicher.“ Hinnehmen werden sie das Umlegungsverfahren trotzdem müsse. Dass die Stadt im Recht ist, daran gibt es keinen Zweifel. Allgemeininteressen schlagen hier Privatinteressen, so bitter das sein kann.

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