Pappenheim im Würgegriff einer Familie?

29.4.2018, 06:38 Uhr
Pappenheim im Würgegriff einer Familie?

© Jan Stephan

Bürgermeister Uwe Sinn hatte offensichtlich genug gehört, als er sich entschied, ein zehnseitiges Statement zu verlesen. Er glaubt nicht mehr da­ran, an diesem Abend noch eine Lösung in dem Dauerkonflikt zwischen Stadt und Grafschaft zu bekommen. Also zündete er die nächste Eskalationsstufe – und die hatte es in sich.

Sinn bezeichnete den Vorschlag, die vier Quadratmeter gegen eine Dauernutzung des Marktplatzes zu tauschen als „unmöglich“ und hält ihn zudem für illegal. Den Antrag hatte sein Stellvertreter, der zweite Bürgermeis­ter Claus Dietz (Freie Wähler), gestellt, CSU und Freie Wähler unterstützten ihn. Er distanziere sich ganz klar von einem solchen Deal, der einseitig die Grafschaft bevorzuge und zulasten der Stadt gehe, so der Bürgermeister. Er erinnerte die Stadtratsmehrheit daran, dass sie einen Eid auf das Grundgesetz geschworen hätten, in dem unter anderem geregelt sei, dass alle Menschen gleich sind. Dass die Mehrheit aus CSU, Freien Wählern (FW) und Bürgerliste auf ihn Druck ausübe, um einem solchen „Deal“ zuzustimmen, sei für ihn enttäuschend.

Noch heftiger fiel die Kritik am Verhalten von Désirée Gräfin von und Egloffstein aus. Der Bürgermeister verlas Auszüge einer Mail der Gräfin an ihn. In der drohte sie mit dem Scheitern von wichtigen Grundstücks­verhandlungen mit einem der größten Pappenheimer Arbeitgeber, wenn die Stadt nicht endlich die Vier-Quadratmeter-Frage sowie die Pylonen-Legalisierung im Sinne der Grafschaft regele.

Arbeitsplätze als Druckmittel

„Es ist Ihnen wohl bekannt, Herr Bürgermeister, dass die Zeit drängt da sonst diese Firma in Pappenheim geschlossen werden wird, (. . .) Sollte all dies nicht erfolgen und aufgrund der von Ihnen allein verursachten Verzögerungen diese Firma in Pappenheim geschlossen werden, so tragen einzig und allein Sie als Bürgermeister hierfür die Verantwortung“, zitierte der Bürgermeister in der Stadtratssitzung. Er verlas auch eine Einschätzung der Rechtsanwaltskanzlei Meyerhuber, die eine Strafbarkeit einer solchen Verknüpfung von Grundstücksverhandlungen ins Spiel brachte. Dieses Verhalten könnte den Vorwurf der Bestechlichkeit begründen, argumentier­te die Rechtsanwältin.

Das Statement des Bürgermeisters machte im Stadtrat Eindruck. Walter Otters, Vorsitzender der FW-Fraktion, beeilte sich zu versichern, dass er sich von dem Vorgehen der Gräfin in dieser Sache „entschieden distanziert“ habe, und las zum Beweis die betreffende Mail vor. Die Grundstücksangelegenheit mit der großen Pappenheimer Firma ist inzwischen offenbar vom Tisch, das Unternehmen hat eine Lösung gefunden, ohne eine Fläche von der Grafschaft zu benötigen. Der Erhalt des Pappenheimers Standorts soll damit gewährleistet sein.

Die SPD erhöhte in der Diskussion im Stadtrat den Druck auf die Grafschaft auch aus den Reihen der Stadt­räte. Christa Seuberth sprach davon, dass sich die Stadt „im Würgegriff einer Familie“ befinde und man als Stadtrat nun endlich sehen müsste, dass man die Interessen der Stadt offensiv vertrete. SPD-Kollegin Anette Pappler wies darauf hin, dass sich das Gremium seit Monaten vorführen lasse und der Stadtrat ein großes Stück Verantwortung dafür trage, dass man in den Medien lächerlich gemacht werde.

Die harsche Diskussion zeigte Wirkung, der Stadtrat unterbrach die Sitzung, schickte die rund 40 Zuhörer auf den Gang und verhandelte in einer Sitzungsunterbrechung einen neuen Kompromissvorschlag. Offenbar war nicht mehr klar, ob sich eine Mehrheit für den Marktplatz-Tausch-Vorschlag finden würde. Nach 20 Minuten öffneten sich die Türen wieder, Claus Dietz zog seinen Vorschlag zurück und der Stadtrat präsentierte eine gemeinsame Lösung. Wenn auch eine sehr kleine, deren Haltbarkeitsdatum fraglich sein dürfte. Der Stadtrat beschloss, der Grafschaft einen Gestattungsvertrag anzubieten, mit dem die sieben Stein-Pylonen, die man im Lauf der 1990er-Jahre ohne Genehmigung auf dem Marktplatz aufgestellt hatte, legalisiert würden. Allerdings ist die Entscheidung jederzeit mit Stadtratsbeschluss rückholbar.

Auf einmal alles geregelt?

Von den vier Quadratmetern war keine Rede mehr. „Da sehen wir aktuell keinen Handlungsbedarf“, teilte Bürgermeister Sinn am nächsten Morgen überraschend mit. Die gräfliche Familie habe die Drohung, das Stück Straße einzuzäunen und damit die Zufahrt auf die Stadtwerkeinsel zu sperren, nicht mehr wiederholt. Also gehe man davon aus, dass man die Straße wie auch die vergangenen 400 Jahre nutzen dürfe. Ob das auch die Grafschaft so sieht, muss sich noch herausstellen.

Gräfin Désirée saß bei der Debatte in der ersten Reihe der Zuhörer und bewahrte Haltung. Dass sie allerdings nicht sonderlich „amused“ war von dem, was sich da vor ihren Augen abspielte, war bei aller Haltung dann doch zu spüren. Hinzu kommt, dass sich Stadt und Grafschaft in etlichen weiteren Grundstücks- und Bauan­gelegenheiten in den Haaren liegen. „Fortsetzung folgt“, scheint also nicht ausgeschlossen zu sein.
 

 

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