Pflegeeltern dringend gesucht

23.8.2017, 06:00 Uhr
Pflegeeltern dringend gesucht

© Rainer Heubeck

Denn die Fälle der „Kindswohlgefährdung“, so lautet der rechtliche Begriff, steigen, erläutert Liegel, die dringend nach Familien sucht, in de­nen die Kinder untergebracht werden können. Familien, wie zum Beispiel die Walchers aus Weißenburg. Irina und Matthias haben eine Tochter, doch seit Jahren sind sie zu fünft, seit April sogar zu sechst.

Franziska lebt seit 2013 in der Familie, der sechsjährige Milov seit seiner Geburt. Und im April kam Max (Name geändert) vorübergehend hin­zu – von schnell auf gleich. „Wir muss­ten ihn aus der Familie nehmen und haben sofort eine Pflegefamilie gebraucht.“ Der Anruf bei den Walchers sorgte dort erst einmal für eine gewisse Aufregung. „Wir mussten ja Bettchen und alles andere für ihn bereitstellen“, erinnert sich Irina Walcher. Glücklicherweise hatten sie die Sachen von Milov noch auf dem Dachboden. „Das war dann alles kein großes Problem.“

Gut eingelebt

Mittlerweile hat sich der Kleine gut eingelebt, hält die anderen fünf mitunter auf Trab. „Man braucht schon Geduld“, sagt Pflegemutter Irina, schließlich ist es kein Beruf, wie etwa Kinderpflegerin, sondern eine „Berufung“ mit 24-stündigem Dauerdienst. Und das stellt schon gewisse Anforderungen an die eigene Familie. „Unsere Tochter Luisa zieht da gut mit – sonst würde es nicht gehen“, sagen beide Walchers. Vor allem wenn die Pflegefamilie noch eigene Kinder hat, kann es schon mal Schwierigkeiten geben, wenn sich die leiblichen Kinder etwa zurückgesetzt fühlen.

Und auch für die Pflegekinder ist es oft nicht einfach. „Sie fragen sich natürlich, warum sie von ihren Eltern getrennt wurden – da gibt es am Anfang oft wenig Sympathie und Dankbarkeit, weiß Ulrike Straka vom Pflegekinderdienst aus mehrjähriger Erfahrung. Das zehrt mitunter an den Nerven der Pflegeeltern – vor allem wenn die leiblichen Eltern noch Umgangsrecht haben. „Da muss die Pflegefamilie manchmal auch viel Verständnis für die Eltern und deren besondere Situation aufbringen.“ Wichtig sei, dass man sich nicht gegenseitig als Konkurrenz sehe. Ulrike Straka weiß aus Erfahrung: „Es gibt für diese Kinder halt zweimal Mama und zweimal Papa.“

Ins kalte Wasser geworfen werden die Pflegeeltern bei ihrer Tätigkeit nicht. Zunächst überprüft das Jugend­amt, ob die Familie geeignet ist, Pflegekinder aufzunehmen. Danach gibt es vorbereitende Seminare und eine Betreuung durch den Pflegekinderdienst des Jugendamtes, der bald auf 2,5 Stellen ausgeweitet wird. Im Alltag hingegen ist dennoch viel Eigeninitiative“ nötig, wie Matthias Walcher betont. Ständig frage er sich mit seiner Frau Irina, was für ihre Pflegekinder nun das Beste sei. Das beginnt etwa beim Arztbesuch und hört mit der Frage, welche Hilfen nötig sind und wer sie bezahlt, nicht auf.

„Viele Kinder benötigen zusätzliche Hilfen von der Logopädie bis hin zur klinischen Behandlung“, so Britta Liegel. Auch hier unterstützt das Jugendamt, schließlich verursachen die Fahrten reale Kosten, vom Zeitaufwand und den Sorgen gar nicht zu sprechen. Generell zahlt das Jugendamt den Aufwand für die Pflege der Kinder, dennoch „könnten wir mehr Familien brauchen“ (Liegel). Aktuell sind alle Pflegefamilien belegt.

Neben den Walchers gibt es zwei weitere Bereitschaftspflegefamilien im Landkreis, welche bei einer Inobhutnahme eines Kindes durch das Jugendamt das Mädchen oder den Jungen auch sofort vorübergehend aufnehmen. „Das ist eine enorme Leis­tung“, weiß Britta Liegel.

Die Fälle mehren sich

Leider mehren sich die Fälle, in denen Kinder sofort aus der jeweiligen Familiensituation herausgenommen werden müssen: „Die Tendenz ist steigend und die Kinder werden auch immer jünger.“ Eine Pflegefamilie zu finden (oder einen Heimplatz als Notlösung) wird zunehmend schwieriger.
Den Kindern in ihren schwierigen Situationen ein Gefühl der Geborgenheit zu geben und ihnen Zuneigung und Wertschätzung fühlen zu lassen, das sind für Irina und Matthias Walcher wichtige Beweggründe, „fremden“ Kindern einen Platz in der eigenen Familie zu geben. Matthias Walcher: „Das eigene Familienleben verändert sich schon – aber es ist auch sehr bereichernd, denn man bekommt viel zurück.“   

Wer sich für die Aufgabe interessiert, als Pflegefamilie Kinder aufzunehmen, kann sich an das zuständige Jugendamt am Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen wenden. Ansprechpartnerin ist Susanne Marthol (Telefonnummer 0 91 41 / 90 24 31). Auch auf der Homepage des Landratsamtes sind alle Ansprechpartnerinnen zu finden.

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