Prognos-Ergebnis ist nicht so schlimm

28.9.2016, 08:21 Uhr
Prognos-Ergebnis ist nicht so schlimm

© Robert Maurer

Die Situation gebe weder Anlass, um sich in Selbstzufriedenheit zurückzulehnen, noch zum Lamentieren, fasste es Landrat Gerhard Wägemann am Ende zusammen. Vor den wichtigs­ten Vertretern aus Politik und Wirtschaft im Landkreis hatte zunächst Kathleen Freitag von Prognos detailiertere Ergebnisse der Studie vorgestellt, anschließend machte sich eine von Uwe Ritzer (Redakteur der Süddeutschen Zeitung) moderierte Runde auf die Suche nach Ursachen und Wegen in die Zukunft.

Understatement

Neben Kathleen Freitag und dem Landrat diskutierten Malermeister Thomas Lautner, Dr. Karl-Friedrich Ossberger (Ehrenvorsitzender des IHK-Gremiums Weißenburg-Gunzenhausen) und Prof. Dr. Thomas Rex (Leiter der Redaktion Frankenschau). Rex ist vor ein paar Jahren bewusst von Nürnberg in den Landkreis gezogen und genießt die hohe Lebensqualität der Region. Allerdings ist seine Wahrnehmung als Journalist, der ganz Nordbayern im Blick hat, dass Weißenburg-Gunzenhausen zu wenig aus sich macht und nicht selbstbewusst genug nach außen auftritt. Das fränkische Understatement scheint hierzulande besonders ausgeprägt.

Dass Weißenburg-Gunzenhausen im Ranking nicht besser dasteht, habe vor allem damit zu tun, dass sich der Landkreis zwar positiv entwickelt habe, aber die Dynamik dieser Entwicklung hat sich im Vergleich zu anderen Regionen verlangsamt, versuchten Wägemann und Ossberger zu erklären. Gleichwohl gab Ossberger zu: „Prognos hat uns wie ein Blitz getroffen.“ Die Verantwortlichen in Altmühlfranken waren der Überzeugung, vieles initiiert zu haben und nun das Feld von hinten her aufzurollen. Und dann kam der Rückschlag um 70 Plätze. Doch selbst Kathleen Freitag wollte dies nicht überbewertet wissen. „Der Rang ist nicht ganz so entscheidend.“ Der Landkreis zähle insgesamt zum stabilen Mittelfeld mit einem ausgeglichenen Chancen-Risiken-Mix.

Gleichwohl gebe es eben Zahlen, bei denen der Landkreis unter dem Durchschnitt abschneide: die Arbeitsplatzdichte ist hier ebenso zu nennen wie der Anteil der jungen Erwachsenen. Es fehlt an hochwertigen Arbeitsplätzen für Akademiker, weil es verhältnismäßig wenige Unternehmen mit einer ausgeprägten Forschungs- und Entwicklungsabteilung hier gibt und die Informations- und Kommunikationstechnik eine untergeordnete Rolle spielt. Die Bereitschaft, ein neues Unternehmen zu gründen, ist wenig ausgeprägt und die Kaufkraft ist geringer als im Bundesdurchschnitt. Dafür punktet die Region mit wenig kommunalen Schulden, einer geringen Kriminalität und einer fast nicht vorhandenen Arbeitslosigkeit.

Die Anregungen Freitags waren sehr allgemeiner Art: Unternehmen bei der Vernetzung und bei gemeinsamen Forschungsvorhaben unterstützen, die Gründungsbereitschaft fördern oder eine „Strategieentwicklung zur langfristigen Deckung der Nachfrage der Unternehmen nach qualifiziertem Personal“ listete sie auf. Nicht nur der Landrat befand, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits initiiert wurden. Er nannte konkret den Kunststoffcampus, der noch Zeit brauche, um die volle Wirkung zu entfalten.

Aber auch die Berufsausbildungsmesse, die der Landkreis alljährlich veranstaltet, um zu zeigen, welche Berufe junge Leute in der Region erlernen können, ist aus Sicht Wägemanns ein wichtiger Baustein. Hier pflichtete ihm Malermeister Lautner bei. Er klagte im Namen der Handwerker über fehlenden Nachwuchs als größtes Problem der hiesigen Betriebe. Die Zahl von 14,4 Prozent nicht besetzter Lehrstellen (Platz 377) floss auch negativ in die Prognos-Studie mit ein.

Überhaupt helfe es wenig, immer nur auf die hochqualifizierten Jobs zu schielen. Zwar werde die Ansiedlung des Landesamts für Schulen in Gunzenhausen oder auch der Kunststoffcampus sich sicherlich positiv auswirken, aber alleine könne die öffentliche Hand hier nicht die Wende bringen, sagte der Landrat.
Doch die Wirtschaft habe das Problem, dass immer mehr der hiesigen Betriebe von außen gesteuert sind, gab Ossberger zu bedenken. Und Schaeffler oder Schwan Stabilo werden kaum damit anfangen, ihre Entwicklungsabteilungen vom Firmenhauptsitz nach Gunzenhausen oder Weißenburg zu verlegen – noch dazu, wo es hier eben am entsprechenden Fachpersonal mangelt.

Das Handwerk rockt

Weil es die Hilfe von außen nicht geben wird, solle man sich mehr auf die eigenen Stärken besinnen, meinte Ute Ernst von der Agentur für Arbeit. Der Arbeitsmarkt in der Region sei seit vielen Jahren sehr stabil und habe sich immer schnell von Krisen erholt, weil der Schwerpunkt in der Produktion liegt und das Handwerk als festes Fundament vorhanden ist. Letzteres ist aus Sicht der Arbeitsmarkt-Expertin entscheidend für die weitere Entwicklung im Zuge der zunehmenden Digitalisierung, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 läuft. „Unsere Stärke ist das Handwerk“, pflichtete ihr Oberbürgermeister Jürgen Schröppel bei. Es sei eine Illusion, dass es möglich wäre, bayernweit „Hightech-Forschung zu etablieren“. Vielmehr müsse dem Handwerker wieder mehr Anerkennung entgegengebracht werden. Für diese Aussagen erhielten Ernst und Schröppel starken Applaus.

Themen wie Breitbandausbau und Fernstraßenanbindung streifte die Runde nur kurz. Dafür ging es zeitweilig um überregionale Themen wie Gesundheit im Beruf, um die Scharnierfunktion zwischen Mittelfranken, Schwaben und Oberbayern, die der Landkreis aufgrund seiner Lage hat, und darum, dass weiche Standortfaktoren wie der Freizeitwert oder die Baulandpreise zu wenig in Studien wie den Prognos-Zukunftsatlas einfließen. Nach einer guten Stunde Dis­kussion einigte man sich auf den Tenor, dass die Region trotz des Abrutschens auf einem guten Weg sei. Die Lösung für die weitere Entwick­lung heiße deshalb tatsächlich schlicht: „Weiter so!“

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