Stadt will bunte Siedlungen

15.10.2014, 08:00 Uhr
Stadt will bunte Siedlungen

© Stephan

Die Entscheidung ist wegweisend, denn nun können sich in Zukunft auch andere Bauherren in diesem Bereich auf die Genehmigung berufen, wie die Verwaltung in ihrer Tischvorlage den Stadträten erläuterte. Und an anderen Stellen des Stadtgebiets wird man in Zukunft wohl ebenfalls eher ein Auge zudrücken als ganz genau hinschauen, wie die Äußerungen der Stadträte nahelegen. „Ein bisschen Abwechslung in den Baugebieten ist doch schöner als die Monotonie“, stellte CSU-Mann Karl Roth fest. Und Maximilan Hetzner von den Grünen bezeichnete sich als „Freund des freien Bauens“.

„Wir sollten da nicht päpstlicher sein als der Papst und den Bauherren ihren Wunsch erfüllen“, warb Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD) um Zustimmung. „Wir sollten Raum lassen für die Trends, die es eben auch im baulichen Bereich gibt.“ Zudem befinde man sich hier gestalterisch nicht in einem Bereich, „wo die Welt untergeht, wenn das Haus steht“.

Umdenken in der Stadt

Allerdings hätte man wohl auch, ohne päpstlicher als der Papst zu sein, Argumente gefunden, das Bauprojekt abzulehnen. Da in dem fraglichen Gebiet in Oberhochstatt kurz vor dem nördlichen Ortsrand kein Bebauungsplan vorliegt, dürfen dort alle Wohnhäuser errichtet werden, soweit sie sich in das Umgebungsbild einfügen. Bei dem geplanten Neubau handelt es sich um ein „zweigeschossiges Ein­familienhaus mit Zeltdach“, das der Laie ohne Umstände als „Toskanahaus“ durchgehen lässt. Rundherum stehen allerdings Wohngebäude mit einem Vollgeschoss und Satteldach, die insgesamt recht fränkisch-bodenständig wirken.

Das neue Haus wird also anders aussehen als die bisher bestehenden. Nur findet man das im Stadtrat jetzt nicht mehr schlimm. Vor zehn Jahren, unter der Ägide des früheren Oberbürgermeisters Reinhard Schwirzer, wäre das mit einiger Sicherheit noch anders gewesen. „In der Vergangenheit ist das strikter gehandhabt worden“, räumte Schröppel ein, er aber wolle keine Bevormundung der Bauherren.

Das junge Paar, das in Oberhochstatt bauen will, war zufrieden mit der Entscheidung, bedankte sich kurz und verließ die Sitzung. Ihrem Wunschhaus steht nun nicht mehr allzu viel Weg. Erleichtert wurde dem Stadtrat die Entscheidung dadurch, dass die Nachbarn sich mit dem Bauvorhaben einverstanden zeigten. Wie das gehandhabt wird, wenn es Proteste ge­gen eine abweichende Bebauung gibt, wird sich noch zeigen müssen.

Generell begrüßen es Bürger, die demnächst bauen wollen, wenn Verwaltung und Politik laxer mit konkreten Gestaltungsvorschriften umgehen. Ebenso generell ärgern sich ehemalige Bauherren mitunter darüber, dass nun geht, was bei ihnen noch als unmöglich galt. Von der Farbe der Dachziegel bis zur Höhe des Kniestocks und teilweise der Bepflanzung des Gartens regelten ältere Bebauungspläne detailgenau, wie die neuen Eigenheime auszusehen haben.

Die Feinde des Toskanabooms

Zudem stoßen manchem auch die neuen baulichen Trends aus ästhetischen Gründen sauer auf. Speziell die „Toskanahäuser“ rufen immer wieder erbitterte Kritiken hervor – überregional wie lokal. Dieter Popp, früherer Regionalmanager, bezeichnete sie im Online-Magazin „Falk-Report“ als einen „wie ein Geschwür sich ausbreiten­de(r) Trend (…), der in keiner Weise zur fränkischen Baukultur – auch nicht in Neubaugebieten – passt“. Der Jurahausverein kritisiert im Zusam­menhang mit dem neuen Bautrend „Kitsch und Geschmacklosigkeit“. Und der frühere Biermösl-Blosn-Kabarettist Hans Well hat im Angesicht einer Toskanahaus-Siedlung mal von „globalisiertem Baumüll“ gesprochen.

Bunt finden also nicht ausnahmslos alle gut. Dass Oberbürgermeister Jürgen Schröppel zumindest persönlich mit dem Toskanastil kein Problem hat, daraus machte er in der Sitzung des Bausenats kein Geheimnis. Der OB baut gerade selbst neu und „mein Haus sieht ähnlich aus“.
 

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