Urteil gefällt: Zweieinhalb Jahre Haft für Waffennarr

12.7.2018, 14:24 Uhr

Als Thees Struthoff im Gerichtssaal 3 die Anklageschrift vorliest, hat man nicht das Gefühl, dass man im Amtsgericht sitzt, sondern wähnt sich eher in einer Auktion für Waffen: "Maschinenpistole MP40 mit fünf Magazinen, Revolver Arminius HW 68, Kaliber 22, Revolver Smith & Wesson Modell 36 (...), Repetierbüchse Karabiner 98 Modell 36" - die Liste, die der Ansbacher Staatsanwalt vorliest, ist lang und enthält neben echten Kriegswaffen noch Waffenteile von vollautomatischen Maschinenpistolen oder kistenweise funktionstüchtige Munition, für die der Waffennarr keine waffenrecht­liche Erlaubnis besitzt. Abgesehen von den Kriegswaffen fanden die Beamten bei der Durchsuchung im Dezember 206 weitere illegale und legale Waffen, die allesamt inzwischen zugunsten des Bundes eingezogen wurden.

Woher die Waffen stammten, wollte Amtsrichter Christian Eichhorn vom Angeklagten wissen, der darauf eine - zumindest für sich plausible - Erklärung hatte: "Ich habe dieses Anwesen 1993 gekauft." Als er dann sechs Jahre das Haus umgebaut habe, sei er im Anbau des Hauses im Fehlboden auf die Waffen gestoßen, die ihn als Waffensammler fasziniert hätten. "Ich habe eine Sammlererlaubnis vom Landratsamt", sagte Gerhard S. (Name abgeändert), der neben Waffen auch andere Kriegsdevotionalien sein Eigen nennt, darunter auch Bilder von Goebbels oder Hitler oder eine Ausgabe von "Mein Kampf".

"Sammlerleidenschaft"

"Ich sammle Militärzeugs", antwortete Gerhard S. auf Richter Eichhorns Frage nach dem Warum. Da­mit keiner seiner Kinder oder seine damalige Frau jemals mit den Waffen in Berührung komme, habe er sich ein Geheimversteck in seinem Haus eingerichtet, in dem es unter anderem eben auch eine verbotene Hakenkreuzfahne oder das Kopfbild Hitlers gab.
Nachdem der Angeklagte ganz freimütig von seiner Sammlung erzählt hatte, an die ja sonst keiner herankomme, ließ Richter Eichhorn, der mit offenem Mund die Schilderung anhörte, die Sitzung des Schöffengerichts für zehn Minuten unterbrechen. Der Besitz der verbotenen Nazisymbole soll in einem anderen Verfahren verhandelt werden.

Nach der Unterbrechung wollte der Amtsrichter erneut von Gerhard S. wissen: "Warum hängt man sich so etwas an die Wand?" Der antwortete knapp: "Sammlerleidenschaft". Woher diese Leidenschaft bei ihm komme, erklärte der Pappenheimer dem Richter und den zwei Schöffen so: Als kleines Kind hätten ihn die Kriegsgeschichte seines Onkels und Opas fasziniert, weil es darin nie um die Gräuel des Kriegs, sondern vor allem um die tolle Kameradschaft gegangen sei. So habe er als Bub bereits vom Onkel und vom Opa Wehrmacht-Koppelschlösser bekommen. Dass er durch den Kauf des Hauses eine Vielzahl an Waffen, Munition und anderer Kriegsdevotionalien erworben hatte, sei reiner Zufall gewesen.

"Merkwürdige Zufälle"

Eine Version, die Staatsanwalt Struthoff nicht so recht glauben mochte: "Ein merkwürdiger Zufall, dass ausgerechnet Sie so viele Waffen finden!" Richter Eichhorn wollte nicht verstehen, woher Gerhard S. seine Faszination für Waffen und Krieg hat: "Die Geschichten, die mein Opa vom Krieg erzählt hat, haben immer beschissen geendet." Zudem sei Gerhard S. heute kein kleiner Bub mehr, sondern erwachsen.

Der rechtfertigte seine Sammlerleidenschaft damit, dass er nicht "die Sachen meiner Familie" wegschmeißen wollte. Ein Satz, der bei Richter Eichhorn lediglich ein Kopfschütteln hervorrief. Auf genauso wenig Verständnis stießen die Einlassungen des Angeklagten beim Staatsanwalt: "Ich verstehe Ihre Haltung überhaupt nicht. Sie haben Kriegswaffen zu Hause gehabt, die stehen unter einer hohen Strafe."

Als einziger Zeuge sagte ein Ansbacher Kriminalhauptkommissar aus, der nach Hinweisen von einem nicht näher benannten Zeugen, der erst bei der Polizei Treuchtlingen vorstellig wurde, die Hausdurchsuchung in Pappenheim leitete. Während der sei Gerhard S. "sehr koope­rativ gewesen" und habe auch alle Waffenverstecke benannt und gezeigt. Der Beamte schilderte auch, dass Gerhard S. vom Staatsschutz überprüft werden sollte, um zu klären, ob es sich bei ihm um einen "Reichsbürger" handle. Zudem habe es Zeugen gegeben, die behaupteten, dass der Angeklagte in einem Stollen unweit seines Hauses auch Schießübungen gemacht habe. Ein Vorwurf, den der Angeklagte verneinte. Auf die Frage, warum er denn auch ein Schild mit der Aufschrift "Hier verlassen Sie die Bundesrepublik Deutschland" auf seinem Grundstück stehen hatte, erklärte S. so: "Das habe ich von Freunden zu meinem 40. Geburtstag als Gag geschenkt bekommen."

Revision oder Berufung ist möglich

Die vielen Zufälle wollten offenbar weder der Staatsanwalt noch das Schöffengericht glauben. So plädierte Staatsanwalt Struthoff auf eine Freiheitsstrafe von insgesamt einem Jahr und zehn Monaten und eine Bewährungszeit von drei Jahren. Verteidiger Dr. Sigurd Schacht wollte das Strafmaß ins Ermessen des Gerichts stellen und wollte seinem Mandant zugutehalten, dass er geständig und kooperativ gewesen sei, aber eben ein "falsches Sammlerbewusstsein" habe. Dass eine Mindeststrafe von einem Jahr nach dem Strafgesetzbuch bei Kriegswaffenbesitz unumgänglich sei, sei ihm klar. Dennoch bat Schacht: "Seine Existenz soll nicht vernichtet werden."

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Eichhorn verurteilte S. wegen vorsätzlichen Besitzes von Kriegswaffen und mehrfachen Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Zudem muss S. die Kosten des Verfahrens tragen. In seiner Begründung erklärte Eichhorn, warum das Gericht eine deutlich höhere Strafe verhängte, als vom Staatsanwalt gefordert: "Wir wollen zeigen, dass der Besitz von Kriegswaffen nicht toleriert wird." Binnen einer Woche könne gegen das Urteil noch Berufung oder Revision eingelegt werden.