Weißenburger Bühne inszenierte "I Doll"
16.1.2017, 13:00 UhrDie U21 hat sich zum 30-jährigen Bestehen der Weißenburger Bühne an ein experimentelles Stück gewagt. Nach der Mammutproduktion „Tintenherz“ im vergangenen Jahr sollte es diesmal etwas ganz anderes werden, erklärte U21-Chefin Anja Michel. Etwas ganz anderes ist es geworden. Der gemeinsame Nenner der beiden Stücke: großes, spannendes Jugendtheater. Oder anders gesagt: Das Experiment ist vollauf gelungen.
Dabei beginnt „I Doll“ bewusst verwirrend. Fünf Mütter legen ihre Kinder (die ersten Puppen des Stücks) schlafen und erzählen ein wenig aus ihrer Situation. Eine will am nächsten Tag zum Baby-Model-Casting, eine redet sich selbst ein, dass es das Beste für sie ist, ihr Kind zur Adoption freizugeben, und die dritte bangt um den Vater, der in Afghanistan im Einsatz ist usw. Das Stück wird die Lebenswege der fünf Kinder begleiten und am Ende kreuzen sich deren Wege auch.
Doch bis dahin wird es nicht leicht für die Heranwachsenden. Sie müssen sich mit Themen wie Magersucht, der Suche nach der leiblichen Mutter oder mit Hänseleien, weil sie ohne Vater aufwachsen, herumschlagen. „I Doll“ ist voll gepackt mit derartigen Themen, die naturgemäß in einem eineinhalbstündigen Theaterstück nur angerissen werden können. Das ist keinesfalls kurzweilige Unterhaltung. Und die Ankündigung, dass das Stück für Kinder ab acht Jahren geeignet ist, ist wohl ein wenig sehr optimistisch; zwölf sollten es wohl mindestens sein, besser wohl sogar noch etwas darüber.
Doch wer selbst in der Pubertät steckt, kann die innere Zerrissenheit der fünf Helden sicherlich gut nachvollziehen. Auf der einen Seite der Wunsch, es den Eltern und der Gesellschaft recht zu machen – und damit eine Puppe in der Masse zu werden. Auf der anderen Seite der Wunsch, sich selbst gerecht zu werden, herausfinden, was man selbst gerne aus seinem Leben machen möchte. Die beiden Schlüsselsätze von „I Doll“ heißen dementsprechend: „Ich glaube, es ist nicht gut, so werden zu wollen wie jemand anderes. Dann ist man ja nicht mehr man selbst.“
Verstecken geht nicht
Anja Michel und ihren beiden Assistentinnen Sophie Damerow und Sophia Tiede ist mit der neuesten U21-Produktion wirklich wieder Bemerkenswertes gelungen. Auf der Bühne stehen mehr als 20 Darsteller im Alter von acht bis 21 mit sehr unterschiedlich viel Bühnenerfahrung.
Aus diesen sehr unterschiedlichen kleinen Individuen ein Ensemble zu formen, das auf einheitlich hohem Niveau ganz selbstverständlich auf der Bühne steht, verdient riesigen Respekt. Zumal sich die Akteure auch nicht hinter aufwendigen Kulissen oder Kostümen verstecken können. Sie tragen mehr oder weniger Alltagskleidung, und die Hauptrequisiten sind acht Sitzhocker, die vollauf genügen, um ein Gefühl für eine Szenerie zu bekommen.
Musikalisch trägt Cyndi Laupers „True Colors“ durch „I Doll“. In den Umbaupausen spielt Techniker Fabian Lensing jeweils eine kurze Sequenz des Songs an, in dem es eben auch darum geht, sich nicht hinter Fassaden zu verstecken, sondern man selbst zu sein. Am Ende sorgt eine Live-Version des Liedes mit E-Piano und Gesang für einen nachhaltigen Gänsehautmoment.
Drei weitere Aufführungen von „I Doll“ gibt es noch in den nächsten
Wochen. Nachdem zur Premiere am Samstag vornehmlich die Angehörigen der Darsteller in die Luna Bühne in Weißenburg gekommen sind, hoffen Anja Michel und ihre Mitstreiter natürlich, dass bei den weiteren Terminen (28. Januar und 25. Februar jeweils um 17.00 Uhr, 12. Februar um 15.00 Uhr) auch möglichst viele Jugendliche ins Theater kommen. Sie können sicher einiges aus dem Stück für ihre eigene Entwicklung herausziehen, aber es wäre sicherlich auch für Eltern mit pubertierenden Kindern kein Schaden, sich „I Doll“ einmal anzusehen.
Die Darsteller (in alphabetischer Reihenfolge): Hannah Alberter, Simon Auernhammer, Marlene Baranowski, Rahel Bucher, Amelie Dormer, Alina Idrissov, Asa Idrissov, Julia Knöll, Martina Kobras, Lea Lensing, Angelika Page, Lukas Pascher, Anne Pößnicker, Hugo Schindhelm, Enrica Schmidt, Gina Seitz, Jeremias Supi, Tom Teufel, Hana Visnjic, Meri Visnjic und Frederic Wollner.
Das Team hinter der Bühne: Mathias Böhner, Sophie Damerow, Fabian Lensing, Anja Michel und Sophia Tiede.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich zuvor registrieren.
0/1000 Zeichen