Weißenburger Edelschneider verzichtet auf sein Krönchen

4.11.2017, 06:00 Uhr
Weißenburger Edelschneider verzichtet auf sein Krönchen

© Markus Steiner

Wenn Philippe E. Brenninkmeijer im Bemusterungsraum steht und über die Stoffmuster streicht, dann ist er so schnell nicht mehr zu bremsen. „Fühlen Sie mal hier“ ist ein Satz, der häufiger fällt, wenn er durch Bemusterungsmappen blättert oder danach durch die altehrwürdigen Fabrikhallen in der Augsburger Straße geht und mal hier und mal dort über einen Anzug oder ein Sakko streicht.

Die Glanzzeiten, als hier noch rund 500 Menschen in Lohn und Brot ­standen, sind auch beim einzigen verbliebenen Maßschneider in Deutschland vorbei. Gerade mal knapp ein Zehntel ist davon übrig geblieben. Derzeit, nach zwei Insolvenzen, arbeiten hier noch rund 45 Mitarbeiter. Wenn man durch den riesigen, rund 500 Quadratmeter großen Nähsaal schlendert, in dem mal hier und mal dort eine Näherin an ihrer Maschine sitzt, dann wirkt der Raum reichlich überdimensioniert.

Aufbruchstimmung

Dennoch spürt man, seitdem Phi­lippe E. Brenninkmeijer und sein Freund Andreas Meier Regent übernommen haben, wieder so etwas wie Aufbruchsstimmung. Vermutlich auch, weil der Spross der C&A-Dynastie, der vorher beim Londoner Edelschneider Huntsman Geschäftsführer war, sich nicht zu schade ist, selbst mit anzupacken, wenn Not am Mann ist.

Weißenburger Edelschneider verzichtet auf sein Krönchen

© Markus Steiner

Da kann es schon mal vorkommen, dass der Inhaber selbst zu Flex und Pinsel greift, um den Regent-Schriftzug, der an dem orangefarbenen Gebäude in der Augsburger Straße angebracht ist, zu modernisieren. Zwei beherzte Schnitte mit der Trennscheibe später und schon wurde das große „R“ verschlankt und das kleine „t“ sieht nicht mehr wie ein „r“ aus. Und auch vom „Krönchen“, das über dem Schriftzug prangte, hat man sich kurzerhand verabschiedet: „Wir sind ja kein königlicher Hoflieferant – auch wenn wir einige Könige zu unseren Kunden zählen.“

Weißenburger Edelschneider verzichtet auf sein Krönchen

© Markus Steiner

Brenninkmeijer, der Regent als „71 Jahre altes Start-up“ bezeichnet, will sich nicht vor der Geschichte des 1946 gegründeten Unternehmens verste­cken. Er will aber das Image zumindest „etwas entstauben“. Der große Staubwedel aus Straußenfedern, den er zu Beginn der Übernahme in seinem Büro aufgehängt hat, hat noch immer seine Berechtigung und ist so etwas wie eine tagtägliche Erinnerung an seinen eigentlichen Auftrag. Ein weiteres Ziel ist auf dem großen Spiegel in geschwungenen Buchstaben festgehalten und definiert die klassischen Regent-Kunden: Männer zwischen 30 und 60 Jahren mit Bildung, gutem Einkommen und Sinn für „die schönen Dinge“.

Wie er diese Ziele genau erreichen will, weiß Brenninkmeijer noch nicht so ganz genau – vor allem, weil sich der studierte Betriebswirt meist auf seine Intuition verlässt und zum anderen viel im Team erarbeitet. So wurden auch die neuen Schnitte und Mus­ter für die aktuelle Kollektion im Team erarbeitet. Regent setzt künftig wieder auf schwerere, edle Stoffe aus England und Italien und auf viel Liebe zum Detail. „Comfortable Luxury“ lautet das Leitmotto – gerne dürfen die Anzüge luxuriös sein, aber eben auch bequem.

Deshalb spielen der richtige Schnitt, die Größe des Armlochs und vieles mehr eine wichtige Rolle, erklärt der Stoff-Enthusiast, während er nacheinander verschiedene Jacketts anzieht und demonstriert, warum manche Schnitte perfekt sitzen und andere wiederum nicht. Brenninkmeijer kennt die kleinen, aber feinen Unterschiede, die Regent auch von der Konkurrenz abheben. Denn natürlich hat er in seinem Showroom auch das eine oder andere Jackett von Mitbewerbern auf dem Bügel hängen und weiß, warum Regent auch heute noch eine Chance hat, im Hochpreis-Segment zu bestehen.

„Schnitt 4 und 5“ der klassischen Linie und die neuen Edeljanker, die Regent auch auf der Ellinger Jagdmesse vorstellte, haben viel Potenzial, neue und alte Kunden für sich zu gewinnen und sollen unter anderem auch bei „Lodenfrey“ oder „Breuninger“ vertrieben werden. Dabei muss ein von Hand genähtes Knopfloch für Regent nicht unbedingt ein Dogma bis in alle Ewigkeit sein: „Viele Kunden können das ohnehin nicht erkennen.“ Die Probe aufs Exempel zeigt: Brenninkmeijer hat Recht. Es versteht sich natürlich von selbst, dass der Regent-Chef auf den ersten Blick sieht, welches Knopfloch eine Maschine und welches eine seiner feinmotorisch geschickten Näherinnen gesäumt hat.

Wenn mehr maschinell gearbeitet wird, dann kann der Einstiegspreis für einen Regent-Anzug, der bei rund 1800 Euro anfängt, bei der neuen Kollektion auf 1200 Euro gedrückt und somit auch ein neuer Kundenstamm erschlossen werden. Dennoch soll die Edelmarke nicht eines Tages auf Wühltischen verramscht werden, räumt Brenninkmeijer etwaige Schlussfolgerungen aus: „Regent ist und bleibt ein Luxusartikel.“

Volvo als Vorbild

Der „Entstauber“ von Regent hat sich die schwedische Automobilmarke „Volvo“ zum Vorbild genommen, die nie billig und immer edel, aber dafür früher auch eher „uncool“ war. Heute werden die schicken SUVs und Limousinen auch von jungen Menschen geschätzt. Ähnliches schwebt Brenninkmeijer und Meier für Regent vor. Deshalb sollen in Kürze auch der Fabrikverkauf aufgepeppt und das Sortiment erweitert werden. Brenninkmeijer setzt vor allem auf zwei Dinge: Auf seine zuverlässigen Mitarbeiter und auf die richtigen Stoffe, von denen es im Lager noch viele Kilometer gibt. Die, die Brenninkmeijer besonders gut gefallen, hat er im eigenen Büro gebunkert, um sich eines Tages daraus eigene Anzüge schneidern zu lassen.

Bis 2019 wollen er und sein Geschäftspartner Meier den „Turn-around“ schaffen. Die beiden wollen und müssen nichts übereilen und glauben fest daran, dass sie es auch schaffen. „Die ersten Samen, die wir gesät haben, sind schon zarte Pflänzchen“, sagt Brenninkmeijer, der sich auch nicht von kleineren Misserfolgen aus der Bahn werfen lässt. „Dass die eine oder andere Pflanze mal verendet und nicht weiterwächst, das ist doch ganz normal.“

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