Weißenburger editiert Diderot

8.11.2013, 16:27 Uhr
Weißenburger editiert Diderot

„Wir freuen uns, dass ein Weißenburger sich so im Literaturbetrieb
etabliert hat, und das Tollste ist: Er macht nur schöne Sachen“, stellte Mathias Meyer bei der Eröffnung der Bücherschau fest. Damit erntete er zurecht keinen Widerspruch. Dass Wieland einer der wichtigsten deutschen Lektoren ist, steht außer Frage. Spätestens seit er zusammen mit Hans Magnus Enzensberger viele Jahre „Die Andere Bibliothek“ mitverantwortete und für Autoren wie Botho Strauß, Robert Gernhardt, Enzensberger oder Walter Moers lektorierte.

Und dass er nur Schönes macht … Dafür war die Bücherschau mal wieder ein Beleg. Der vornehm zurückhaltende Wieland nahm sich bei der Bücherschaueröffnung, bei der Prinz Asfa-Wossen Asserate im Mittelpunkt stand, nur einige Minuten, um seine beiden jüngsten Projekte vorzustellen. Wer hernach aber in den beiden Werken blätterte, stellte schnell fest, dass es sich wieder um zwei sehr außergewöhnliche Bücher handelt.

„Schottenfreude“

Zum einen Ben Schotts „Schottenfreude“. Schott ist ein leidenschaftlicher Sammler von Kuriositäten – man kennt ihn aus diversen Bänden von „Schotts Sammelsurium“. Sein neuestes Buch, das Wieland übersetzt und für den deutschen Leser eingerichtet hat, ist eine amüsante Liebeserklärung an die deutsche Sprache.

Er feiert sie für ihre Kunst, neue Sachverhalte durch die Aneinanderreihung von Substantiven wiederzugeben. „Wenn uns die Worte ausgehen, dann sollen wir deutsch sprechen“, rät der Engländer seinen Landsleuten, die nicht umsonst Begriffe wie „Schadenfreude“, „Wunderkind“ oder auch „Weltanschauung“ übernommen haben.

Schott hat sich nun einige neue potentielle Kandidaten für die Übernahme ausgesucht beziehungsweise frei erfunden. 120 davon finden sich in „Schottenfreude“ versammelt, mit mindestens ebenso unterhaltsamer englischer Übersetzung und pointiert-gelehrten Beitexten.

Besondere Perlen dieses Werks sind etwa „Kraftfahrzeugsinnenausstattungsneugeruchsgenuss“, den Schott als „Sich dem Duft eines Autos hingeben“ übersetzt. Auch hübsch: „Intimbereichsverkrampfung“ – „Das Unbehagen beim Eintauchen in kaltes Wasser, wie es sich besonders in den erogenen Zonen bemerkbar macht“; „Leertretung“ – „Mit Schwung auf eine Stufe treten, die gar nicht vorhanden ist“ oder „Gaststättenneueröffnungsuntergangsgewissheit“ – „Die feste Überzeugung, dass das gerade eröffnete Restaurant nicht den Hauch einer Überlebenschance hat“.

Auf kein Buch dürfte Mark Twains Diktum besser passen: „Das sind keine Wörter mehr, das sind alphabetische Prozessionen.“

Diderot-Prachtband

Gänzlich anderer Art ist Wielands Diderot-Projekt. Er hat zusammen mit der Kollegin Anette Selg die berühmte Enzyklopädie des französischen Aufklärers neu editiert und herausgebracht. Dabei bedienten sie sich aus dem ungeheuren Fundus von 17 Bänden mit 18 000 Textseiten und rund 72 000 Artikeln und machten daraus einen neuen Band.

Dort ist versammelt, was aus diesem „Steinbruch des Lebens“ noch heute interessiert. Und das ist mehr als man denken mag, denn für die Enzyklopädie schrieb vieles, was damals Rang und Namen hatte: Voltaire, Rousseau oder Montesquieu. „Es ist nicht das, was man heute in einer Enzyklopädie erwarten würde, sondern es sind pointierte, sehr subjektive Darstellungen“, erklärte Wieland.

Die neue Fassung ist als Prachtband in einer Sonderausgabe der Reihe „Die Anderen Bibliothek“ erschienen. Sie umfasst neben ausgewählten Textteilen auch zahlreiche, zweifarbige gedruckte Kupferstiche der Original-Edition.

„Schottenfreude“, Albrecht Knaus Verlag, 96 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3813506020.
„Diderots Enzyklopädie“, Die Andere Bibliothek, 500 Seiten, 79 Euro, ISBN 978-3847700135.

 

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