Weißenburger Landratsamt setzt auf Pflegefamilien

23.11.2017, 15:29 Uhr
Weißenburger Landratsamt setzt auf Pflegefamilien

© erysipel/pixelio.de

Weil Annelore Marks, die frühere Leiterin der Eltern- und Jugendberatung des Diakonischen Werks, nicht mehr in Weißenburg tätig ist und ihre Mitgliedschaft als beratendes Mitglied endete, wurde ihre Nachfolgerin Stefanie Göggerle als neues Mitglied des Jugendhilfeausschusses bestellt. Stellvertretendes beratendes Mitglied ist künftig Agnes Müller, die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Insgesamt gehören dem Ausschuss jetzt wieder 15 stimmberechtigte Mitglieder an, die vom Kreistag gewählt sind, sowie zehn be­ratende Mitglieder, die vom Kreistag bestellt sind.

Im Fokus: Die Vollzeitpflege

Anders als früher stellte Stefan Lahner, der Leiter des Sachgebiets
Jugend und Familie am Landratsamt, heuer nicht den gesamten Geschäftsbericht der Jugendhilfeplanung vor, sondern konzentrierte sich auf das Thema Vollzeitpflege. Hier sind die Fallzahlen in den vergangenen Jahren weitestgehend gleich geblieben und pegeln sich bei rund 550 Fällen ein.

Durchschnittlich sind Kinder und Jugendliche, die in Pflegefamilien betreut werden, rund 26,1 Monate in Vollzeitpflege. 49 Prozent sind weiblich, der Ausländeranteil beträgt acht Prozent. Auf das Jahr gesehen, rechnete Lahner vor, werden im Durchschnitt 79 Pflegekinder betreut, davon 51 in Vollzeitpflege und 49 Prozent in der wesentlich kostspieligeren Heimunterbringung, die infolge der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wieder stark zugenommen hat. Die Heimerziehung verschlingt 79 Prozent der Kosten, weshalb Vollzeitpflege der Jugendlichen in den derzeit 70 Pflegefamilien, die es im Landkreis gibt, nicht nur viele pädagogische, sondern auch finanzielle Vorteile hätte.

Dass die Aufnahme eines Pflegekindes eine herausfordernde Aufgabe sein kann, erläuterten die Jugendhilfeplanerinnen Susanne Ott und Susanne Marthol den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses in einem kleinen Anspiel. Die Botschaft der kurzen Sequenz: Jedes Kind bringt ein kleines „Päckchen“ an Sorgen und Nöten und sein individuelles Schicksal mit, wenn es in die Pflegefamilie kommt. Die Gründe, warum Kinder in Pflegefamilien abgegeben werden, sind vielfältig, wie Ott erläuterte.

So könne es sein, dass Eltern aus gesundheitlichen Gründen, wegen körperlicher oder psychischer Erkrankungen (u. a. auch Sucht) ihre Erziehungsaufgaben nicht mehr selbst wahrnehmen können. Auch schwierige Lebenssituationen, Krisen oder etwaige Notlagen könnten dazu führen, dass die leibli­chen Eltern den kindlichen Bedürfnissen nicht angemessen begegnen können.

In diesem Fall kann die Aufnahme in eine Pflegefamilie ein Ausweg sein. Vorausgesetzt, dass auch die Pflegeltern bestimmte Anforderungen erfüllen können. Dazu gehört unter anderem: die Freude am Zusammenleben mit Kindern, eine positive Lebenseinstellung, Offenheit und Toleranz, Humor, Zeit, körperliche und seelische Belastbarkeit, ausreichender Wohnraum, gesicherte wirtschaftliche Verhältnisse, Kontakt zu den Herkunftseltern und Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt.

Eine Motivation dürfte indes für die meisten ausfallen: Reich wird man als Pflegefamilie nicht, machte Lahner deutlich, als er die Pflegepauschalen vorstellte, die im nächsten Jahr leicht angehoben werden. So gibt es für Kinder von null bis sechs Jahren eine Pflegepauschale von 804 Euro (bislang 792), für Kinder von sieben bis zwölf 906 Euro (bislang 894) und für Kinder ab dem 13. Lebensjahr 1042 Euro (1028).

Weil der Landkreis die Leistungen, die Pflegefamilien für die Gesellschaft erbringen, wie es Grünen-Kreisrätin Katrin Schramm formulierte, künftig zumindest ein wenig mehr auch finanziell honorieren will, verständigte sich der Jugendhilfeausschuss einstimmig auf die Bewilligung von Zusatzleis­tungen für Pflegefamilien. Künftig soll ein aufgegliedertes Punktesystem Zuschläge von 60 bis 300 Euro monatlich ermöglichen – je nach Maß des Erziehungsaufwands.

Faire Vergütung

Der kann zum Beispiel dann erhöht sein, wenn das Kind unter traumatischen Erfahrungen (Tod, Misshandlung, Unfall o. Ä.) zu leiden hat, es Konflikte in der Herkunftsfamilie gab, körperliche Beeinträchtigungen, Wahrnehmungsstörungen oder Entwicklungsverzögerungen vorliegen.

Zudem können über den regulären Unterhaltsbedarf hinaus nach Maßgabe des Hilfsplans individuelle Zuschüsse gewährt werden, zum Beispiel für Brillen, Fahrtkosten zur Tagesbetreuung, Nachhilfe, Supervision oder Ähnliches. Das neue Vergütungssys­tem soll fair, transparent und belastbar sein und soll für den Landkreis höchstens eine Mehrbelastung von rund 10000 Euro jährlich bedeuten, erläuterte Lahner.

Während beispielsweise Jugendhilfeausschussmitglied Helmut Rottler das neue Vergütungssystem als „Qualitätssteigerung“ lobte, glaubt Martin Britz, dass es einen „wahnsinnigen Mehraufwand“ mit sich bringt. Dennoch stimmten am Ende alle Ausschussmitglieder der Neuregelung zu die nächstes Jahr in Kraft tritt.

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