Weißenburger Stadtschreiber feiert Erfolge

17.8.2017, 11:30 Uhr
Weißenburger Stadtschreiber feiert Erfolge

© Paul Theisen

Franzobel hat literarisch einen zweiten Frühling. Denn nach seinem frühen Gewinn des Ingeborg-Bachmann-Preises war es einige Jahre et­was ruhiger geworden um den Österreicher. Mit „Das Floß der Medusa“ hat er sich nun aber mehr als ein­drucksvoll auf die ersten Seiten der großen deutsche Feuilletons zurückgeschrieben.

Im Wochentakt treffen die bemerkenswerten Nachrichten ein: Gerade hielt er noch die Eröffnungsrede zur Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises in Klagenfurt, schon gewinnt er dort einen Preis, wird hier hymnisch verehrt und gelangt auch noch ins Finale eines der wichtigsten deutschen Literaturpreises.

Kolumne im Tagblatt

Zwischendurch sieht man ihn, den aktuellen Liebling der Kulturteile, in Weißenburg im Schwarzen Bären sitzen und in der ihm eigenen Mischung aus Melancholie und Nachdenklichkeit das Weißenburger Leben wahrnehmen. Seine wöchentlichen Kolumnen im Weißenburger Tagblatt haben längst eine große Fangemeinde. Mit seiner Gabe zur Beobachtung und seinem eigenwilligen Sinn für Humor erforscht er liebevoll die Stadt, die ihn eingeladen hat, ihren Stadtschreiber zu geben.

Nun steht ihm die Weißenburger Kirchweih bevor, die jetzt nicht gerade zu den Orten gehört, die literarische Stars schon allzu oft besucht hätten. Aber der gelernte Maschinenbauer aus Vöcklabruck hat mit der Kerwa keine Berührungsängste. Wie es ihm dort gefallen hat, wird man vermutlich in einer der nächsten Kolumnen lesen.

Dem ehrgeizigen Stadtschreiber-Projekt tut die Aufmerksamkeit um ihren auserwählten Autor natürlich gut. Die Nürnberger Nachrichten widmeten Franzobel ein Porträt, die Süddeutsche Zeitung war schon da und stellte den Autor vor, der Bayerische Rundfunk kommt noch.

Vergangene Woche wurde „Das Floß der Medusa“ dann im Literarischen Quartett besprochen und überwiegend gefeiert. Die Autorin Thea Dorn lobte Franzobels Werk, das er bereits in Weißenburg vorgestellt hat, als „brillant“. „Warum hat mich dieser Roman so begeistert, wie kein anderer deutscher Roman in diesem Jahr?“, fragte die selbst preisgekrönte Schriftstellerin und gab im Anschluss eine ganze Reihe Antworten.

Mindestens ebenso enthusiastisch fiel das Urteil der TV-Moderatorin Christine Westermann aus. Lediglich Zeit-Literaturchef Ijoma Mangold beschwerte sich über Franzobels „verquatschten Erzähler“, um dann einzuräumen, dass der Stoff des Romans ihn gepackt habe. Spiegel-Literaturchef Volker Weidermann wies daraufhin, dass Franzobels Stil nun mal das Überbordende sei und er geradezu „tarrantinoesk“ schreibe.

Theaterstück vom Buchpreisträger?

Die jüngste gute Nachricht kam nun aus Berlin. Die Jury des Deutschen Buchpreises hat Franzobels Roman „Das Floß der Medusa“ auf die Longlist gesetzt. Damit ist das Werk unter den 20 deutschsprachigen Büchern, die im Oktober zum Roman des Jahres gekürt werden könnten.

Und damit wird das Buch in den nächsten Wochen und Monaten in noch mehr Zeitungen, Zeitschriften und Fernseh­sendungen besprochen werden. Die nächste Hürde ist der 12. September, dann wird aus der Longlist die Shortlist, auf der sechs Romantitel stehen, deren Autoren als Finalisten zur Verleihung eingeladen werden.

Unabhängig von diesem momentanen Medienrummel arbeitet der Österreicher weiter an seinem Theaterstück über Weißenburg, das dann im Bergwaldtheater aufgeführt werden soll. Bereits Ende des Jahres soll es in einer ersten Fassung fertig sein und – wer weiß – vielleicht bekommt die Stadt dann ein Theaterstück vom Deutschen Buchpreisträger. Welche Kleinstadt kann das schon von sich behaupten? Grund genug, sich Franzobels weitere Karriere genau anzusehen. Man kann ihn aber auch gerne selbst fragen, wenn man einen der im Moment gefragtesten deutschsprachigen Schriftsteller mal wieder in Weißenburg sitzen sieht.

Keine Kommentare