Wellert: "Wir setzen auf die Jugend"

30.7.2016, 06:00 Uhr
Wellert:

© Uwe Mühling

Herr Wellert, drei Punkte aus den bisherigen drei Spielen – wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonstart Ihrer Mannschaft?

Oliver Wellert: Ich bin nicht unzufrieden, vor allem wegen dem Sieg am vergangenen Samstag gegen Marienstein. Die Mannschaft hat einmal mehr Charakter bewiesen. Gegen einen extrem tief stehenden Gegner hatten wir 80 Prozent Ballbesitz und wa­ren 90 Minuten im Vorwärtsgang. Je­der, der selber Fußball gespielt hat, weiß, wie schwer man sich gegen ein Abwehrbollwerk tut.

Wir haben bis auf zwei Ausnahmen keine Chancen zugelassen, offensiv Geduld bewiesen und letztendlich hochverdient gewonnen. Nach der völlig unnötigen Nie­derlage in Heng war die Moral am Tiefpunkt. Über das, was dort falsch lief, wurde kritisch und intensiv gesprochen. Nach vorne hat in der ersten Hälfte vieles gepasst. Defensiv machten wir die gesamte Spielzeit zu viele Fehler, und auch der Einsatz und die Einstellung haben phasenweise nicht gepasst. Alles Dinge, die beim Sai­sonauftakt gegen Feuchtwangen gestimmt haben. Hier hat sich letztendlich aber der Topfavorit aufgrund seiner Erfahrung und individuellen Klasse verdient durchgesetzt.

Einmal abgesehen von den Ergebnissen in den ersten drei Punktspielen: Wie sehen Sie den Kader der neuen Spielzeit und was sind Ihre Eindrücke vom Training?

Wellert: Unser Kader hat sich durch die Neuzugänge und die Spieler aus der eigenen U19 verbessert und ist breiter geworden. Auch deshalb legen wir ganz großen Wert auf die Einheit von erster und zweiter Mannschaft. Letztere heißt bei uns nur noch U23. Wir trainieren gemeinsam und haben dadurch auch im Training ein hohes Niveau. Die Grenzen sollen verschwimmen. Wir wollen die U23 ganz nah an die „Erste“ heranführen. Unser Ziel ist eine große Mannschaft, aus der wir dann für die Spieltage zwei Teams bilden.

Erschwert wird das Ganze aber durch den Zeitfaktor. Der Fußball auf Bezirks- und Kreisebene beginnt und endet zu unterschiedlichen Terminen. Wenn Ihr Trainerkollege Christoph Jäger mit seiner U23 am 21. August in die neue A-Klassen-Saison startet, bestreiten Sie mit der „Ersten“ bereits den achten Bezirksliga-Spieltag. Da passt doch einiges nicht mehr zusammen, oder?

Wellert: Das stimmt mich alles nachdenklich. Ich weiß nicht, wo das hinführen soll. Das wird doch alles auf dem Rücken der Vereine und letztendlich der Spieler ausgetragen. Bei uns zum Beispiel war am 10. Juni Start in die Bezirksliga-Vorbereitung, und am gleichen Wochenende hatte unsere A-Klassen-Mannschaft ihren letzten Spieltag in der A-Klasse.

Was sind die Nachteile in der Praxis?

Wellert: Das fängt damit an, dass wir in der Vorbereitung kein Spiel gegen unterklassige Gegner machen können. Wenn wir mit den Punktspielen in der Bezirksliga starten, geht im Kreis gerade mal die Vorbereitung los. Wir würden gerne gegen Nachbarvereine wie zum Beispiel Ellingen oder Wettelsheim spielen, das ist aber nicht möglich. Wir konnten auch nicht mit unserer „Ersten“ an der Stadtmeisterschaft teilnehmen, weil wir am gleichen Wochenende schon in der Bezirksliga ranmussten. In der sogenannten Sommerpause bleiben gerade mal zwei fußballfreie Wochenenden. Wer sich so etwas einfallen lässt, kann selber kaum längere Zeit Fußball gespielt haben. Eine Regeneration bzw. ein Abschalten vom Fußball ist kaum möglich. Wir sprechen hier immer noch von Amateuren. Da pausieren selbst Profis deutlich länger.

Wellert:

© Uwe Mühling

Noch schlimmer sind die Aufsteiger aus der Kreisliga dran.

Wellert: Das stimmt, da haben wir es ja sogar noch gut erwischt. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass unsere letzten beiden Gegner Heng und Marienstein am 12. Juni ihr letztes Saisonspiel in der Kreisliga hatten und fünf Wochen später bereits das erste Match in der Bezirksliga, dann muss ich feststellen, dass es einfach nicht mehr zusammenpasst. Noch schlimmer sind die Relegationsteilnehmer dran: Unser Nachbarverein FC/DJK Weißenburg und Großschwarzenlohe haben das in den vergangenen zwei Jahren erlebt.

Beide sind prompt wieder abgestiegen.

Wellert: Ja, es ist sehr schwer, sich ohne eine vernünftige Pause und eine gute Vorbereitung in der Bezirksliga zu halten. Das grenzt an Wettbewerbsverzerrung. Und wenn ich dann noch sehe, dass heuer in einer Liga mit 18 Mannschaften allein bis zur Winterpause 22 Punktspiele geplant sind, dann muss ich sagen, das ist ein schlechter Weg. Ich würde mir wünschen, dass sich Trainer und die Verantwortlichen vom Verband an einen Tisch setzen. Mir ist bewusst, welchen schwierigen Job der Verband mit der Planung von Spielklassen und Terminen verrichtet und habe für viele Entscheidungen und Umstände Verständnis. Allerdings wird es langsam Zeit, auch die Trainer einmal anzuhören, die letztendlich mit den Entscheidungen umgehen müssen.

Unabhängig davon scheint der TSV 1860 selbst auf einem guten Weg zu sein. Es ist kaum jemand weggegangen, stattdessen gab es mehrere Neuzugänge und Rückkehrer sowie etliche Spieler aus der eigenen U19.

Wellert: Das Team verändert jedes Jahr sein Bild. Ich freue mich über die hervorragende Jugendarbeit hier in Weißenburg. Es kommen viele junge Spieler nach und es sind einige große Talente dabei. Genau deshalb muss man aber auch die Kirche im Dorf lassen. Wir setzen und bauen auf die Jugend. Diese Spieler ein­zubauen, braucht eine gewisse Zeit, und man muss Geduld haben, vor allem im Umfeld. Am vergangenen Samstag bestritten wir die letzten 25 Minuten gegen Marienstein mit einem Durchschnittsalter von knapp 22 Jahren. Sieben der elf Spieler waren 23 Jahre und jünger, vier gar erst 19 Jahre. Eine Konstellation, die kein anderer Bezirksligist aufweisen kann.

Nimmt man die personelle Entwick­lung, die famose Rückrunde der vergangenen Saison und den abschließenden sechsten Rang, dann ist es nicht verwunderlich, dass der TSV 1860 teilweise sogar als Mitfavorit auf den Titel genannt wurde.

Wellert: Ich denke, wir sollten lieber auf dem Boden bleiben. Vom sechsten Platz und dem Prädikat zweitbeste Rückrundenmannschaft können wir uns nichts kaufen. Unser Ziel sollte es sein, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben und so schnell wie möglich die nötigen Punkte zu sammeln. Alles andere ist noch Wunschdenken. Was eine Klasse höher abgeht, mussten wir im ersten Saisonspiel erleben. Um irgendwann das Ziel „Landesliga“ auszugeben, müssen sich Mannschaft und Umfeld noch weiter entwickeln.

Damit es nicht wieder einer Aufholjagd nach der Winterpause bedarf, wie in den vergangenen beiden Jahren?

Wellert: Ja genau! Wir müssen versuchen, schon in der Vorrunde Konstanz reinzubringen und fleißig zu punkten.

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