Wo bleibt die Inklusion?

14.10.2018, 13:27 Uhr
Wo bleibt die Inklusion?

© Privat

Weiter zu Hause sitzen und Nichts tun. Laura Gerhardt schüttelt energisch den Kopf. Nein, keinesfalls. Schließlich hat sie doch 2017 den Qualifizierten Hauptschulabschluss geschafft, trotz der 2015 aufgetretenen  Krankheit, die sie über Wochen ins Südklinikum nach Nürnberg und in eine Murnauer Fachklinik sperrte. „Da denkst du, dein Kind stirbt dir unter den Händen weg“, blickt Mutter Martina auf die ersten Anfälle zurück. Mehrere Wochen dauerte es, bis feststand, woran die junge Pleinfelderin, die auch das Tourette-Syndrom hat, eigentlich leidet: Es sind epileptische Anfälle, die lebensbedrohlich sein können. Sie benötigt dann rasch ihr Notfallmedikament  – oder es geht mit Rettungswagen oder Hubschrauber in die Klinik.

Die Hauptschule und den „Quali“ schaffte Laura Gerhardt trotz der Krankheit, hatte dann über ein Schulpraktikum eine Lehrstelle als Foto- und Medienfachfrau in Weißenburg gefunden. „Das ist voll mein Ding – das war der Traumberuf im Traumbetrieb.“ Der Weg dorthin endete jedoch in der Sackgasse: „Wegen der Krampfanfälle musste ich die Ausbildung beenden“, sagt sie traurig. Das Risiko sei einfach zu hoch gewesen, dauernd hätte jemand mit dem Notfallmedikament vor Ort sein müssen.

In den sonderpädagogischen Schulen der Rummelsberger auf der Wülzburg sollte sie dann auf eine Ausbildung vorbereitet werden. Dank einer ständigen Schulbegleitung und mit der Betreuung konnte auch ein längeres Praktikum in einem Reitstall erfolgreich absolviert werden. „Ich liebe den Umgang mit den Pferden“, strahlt die Pleinfelderin, die seit Kindheitstagen im Sattel sitzt. „Es hat mir dort super gefallen und ich wurde vom Verein toll unterstützt.“

Unüberwindbares Hindernis

Doch auch von diesem zweiten Weg hin zu einem möglichst selbstbestimmten beruflichen Weg steht ein schier unüberwindbares Hindernis: Niemand will die Kosten für die im FSJ-Praktikum nötige Begleitung von Laura Gerhardt bezahlen. Die ist vor allem in einem Reitstall nötig, zumal dort diverse Gefahren lauern, sollte sie plötzlich einen Anfall haben. „Wir sind von A nach B gerannt – jeder schiebt es auf den anderen“, ist die Pleinfelderin sichtlich resigniert. FSJ-Stelle, Jugendamt, Inklusionsamt, Rentenversicherung, Krankenkasse, Bezirk, Arbeitsamt, selbst der Integrationsfachdienst oder die Epilepsieberatung in Nürnberg konnte nicht weiterhelfen. 

Dabei besteht über das „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ (BTHG) und die Vorgaben zur Inklusion in der Schule eigentlich ein Rechtsanspruch, doch Laura Gebhardt sitzt zwischen den Stühlen: Die Schulverwaltung ist nicht mehr zuständig, das Arbeitsamt mit Fördermöglichkeiten über das BTHG würde eine Begleitung in einer Ausbildung finanzieren – allerdings ist eine neue Lehre noch nicht möglich. „Das lässt ihr Gesundheitszustand momentan nicht zu“, sagt Mutter Martina. Und auch Laura fühlt sich noch nicht fit genug dafür.

Gerade deshalb wäre ein FSJ-Praktikum ein erster Schritt. „Da ist nicht ganz so viel Druck da wie bei einer Ausbildungsstelle“, so die Mutter.  Martina Gerhardt, die bei der Lebenshilfe arbeitet, hofft, dass sich die Krampfanfälle abmildern, ihre Tochter auf lange Sicht stabil wird. Seit fünf Monaten ist sie mit Laura von Amt zu Amt unterwegs, hat Fachdienste und Politiker eingeschaltet, aber „bewegt hat sich Null“. In anderen Bundesländern gibt es sogenannte Tandemprojekte, um junge Menschen mit Einschränkungen zu begleiten und ans Berufsleben he-ranzuführen, sie teilhaben zu lassen. In Bayern gibt es derartige Begleit-Projekte nicht. „Aber ich kann doch nicht die ganze Zeit daheim sitzen und nichts tun. Das macht mich einfach nur wütend.“

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