Zwischen Kuhstall und Kamera

28.11.2010, 08:00 Uhr
Zwischen Kuhstall und Kamera

© Markus Steiner

Heute, machte Uwe Ritzer gleich zu Beginn klar, sei es um das Image des Landwirts nicht zum Besten bestellt. Wenn Bauern in den Medien auftreten, kommt ihnen häufig die Rolle des tollpatschigen Trottels zu. Bestes Beispiel:   Die RTL-Serie „Bauer sucht Frau“, die am vergangenen Montag wieder ein Millionenpublikum vor den Fernseher lockte. 7,2 Millionen Zuschauer wurden einmal mehr Zeugen, wie Bauern Ritzer zufolge „von RTL wie Tanzbären vorgeführt“ wurden.
„Sind das wirklich Sie?“, stellte der Journalist die rhetorische Frage in den gut gefüllten Saal des Gasthauses Os­ter, in dem als Ehrengäste unter ­anderem Landtagsabgeordneter Gerhard Wägemann, Raiba-Vorsitzender Werner Seegmüller, Sparkassen-Vorstandsmitglied Rita Smischek, die Landratstellvertreter Peter Krauß und Robert Westphal sowie etliche Vertreter des Bayerischen Bauernverbands, des Maschinenrings oder der Trock­nungsgenossenschaft Ellingen saßen.

Freilich zeigte sich auch bei der ­einstigen Topveranstaltung des VLF der gesellschaftliche Wandel: Waren es vor 25 Jahren noch über 700 Gäste, die den Fachvortrag von Prof. Dr. Reisch zum Thema „1 000 D-Mark Pacht und mehr“ hören wollten, so waren es am Donnerstag gerade einmal rund 100,  die Ritzers Referat lauschten. Auf den Henri-Nannen-Preisträger kam der VLF, erklärte deren Vorsitzender Er­win Börlein, weil man ihn als kritischen und objektiven Journalisten schätze, der immer das sage, was er denke. Dagegen wisse man bei ihm nie, „wo er bei der Wahl sein Kreuz macht“. Ideale Voraussetzungen also, um sich einmal so richtig die Leviten lesen zu lassen.

Wovon sich Uwe Ritzer allerdings gleich zu Beginn distanzierte. Er wolle vielmehr eine kritische und konstruktive Außensicht liefern, schließlich sei er weder Experte für Landwirtschaftspolitik noch für EU-Agrarbürokratie. Als Landkind, das in Pleinfeld in der Nähe eines kleinen Bauernhofs aufgewachsen sei, und danach als Redakteur viele Bauernversammlungen aller Art medial begleitete, habe er aber sehr wohl wahrgenommen, wie sich die Landwirtschaft im Lauf der Zeit verändert habe.

Vom stolzen Bauern zum Trottel

Waren die Bauern im Mittelalter noch ein geknechteter Berufsstand, so seien sie bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert „die Könige in ihren Dörfern und Landkreisen“ gewesen. Damals blickte Ritzer zurück, waren Bauern „die Herren Ökonomen, die Politik machten“. Im krassen Unterschied zu heute galten die Söhne und Töchter der Bauern als „die besten Partien“. Kurzum: „Die Bauern waren ein stolzer Stand, wirtschaftlich stark, politisch einflussreich und vor allem angesehen und respektiert in der breiten Öffentlichkeit.“

Bei der RTL-Serie „Bauer sucht Frau“ werde dagegen eines überdeutlich: „Landwirt ist kein begehrter Beruf mehr, kaum eine junge Frau träumt davon, in einen stattlichen
Hof einzuheiraten“, bilanzierte der Journalist, der sich sogleich an die Analyse der Ursachen machte. Zum einen stehe der Imageverlust im Zusammenhang mit dem schwindenden gesellschaftlichen und politischen Einfluss der Landwirte. Längst würden diese als „dauernd jammernd“ wahrgenommen. Und das trotz der Milliardensubventionen, die sie seit Jahrzehnten bekommen.

Kritik an Subventionspolitik

Vor allem diese Subventionspolitik machte Uwe Ritzer als eines der Hauptübel für den Imagewandel aus und riet den Landwirten, endlich selbst aktiv zu werden, um das Bild in der Öffentlichkeit aktiv zu verbessern. Ein erster Schritt sei ein glaubwürdiges Profil: Denn was sollen die Verbraucher denken, wenn Milch­bauern vor einem Aldi oder Lidl erst gegen die Billigpreise der Discounter protestieren und Flugblätter verteilen, nach der Demo dann aber schnurstracks selbst als Schnäppchenjäger die Discounter stürmen? Ritzer: „Ein klares Profil sieht anders aus!“ Genauso wenig überzeugend findet der Wirtschaftskorrespondent die Haltung des BBV in Sachen gentechnikfreier Landkreis. Obwohl man eigentlich auch gegen Gentechnik sei, mache man bei dem Bündnis nicht mit, sodass bei der Bevölkerung wieder ein „verschwommenes Bild“ entstehe.

Image selbst aufpolieren

Ritzer riet den Landwirten, ihr Schicksal und damit ihr Image selbst in die Hand zu nehmen, ihre Höfe zu öffnen und endlich als eigenständige Unternehmer aufzutreten, die auch selbstständig und unabhängig entscheiden, wie sie ihre Zukunft gestalten. Denn die jahrzehntelange Subventionspolitik habe dazu geführt, dass die Landwirte schon längst nicht mehr selbst entscheiden würden, was sie anbauen. „Irgendwo zwischen Milchquote und den neuen Vorgaben zum Kulap-Nährstoffsaldo wurden die Landwirte zum Spielball von Bürokraten in München, Berlin und vor allem Brüssel“, stellte der Journalist fest. „Es ist doch purer Wahnsinn, wenn das Fürstenhaus von Liechtenstein, die reichste Monarchenfamilie Europas, seit Jahren der größte Empfänger von Agrarsubventionen aus EU-Töpfen ist!“

Mit den meisten Applaus bekam Ritzer für folgenden Satz: „Ich möchte Sie ermutigen, sich nicht ohne Wei­teres in Sicherheit wiegen zu lassen, auch und gerade nicht von Ihren Spitzenvertretern, denen ich nicht allzu weit traue!“ Stattdessen riet Ritzer den Landwirten zu mehr Selbstbewusstein: „Jeder von Ihnen muss entscheiden, was für seinen Hof das Beste, das Profitabelste ist. Seien Sie stolze Unternehmer!“ Und: „Wenn Bauern ihr Bild in der Öffentlichkeit ändern wollen, müssen sie an der ei­genen Kuhstalltür anfangen!“ Der neue Trend hin zum Leben auf dem Land böte hierzu eine große Chance.

(Mehr über die Diskussion lesen Sie in einer unserer nächsten Ausgaben.)