Wenn die Seele sich nicht mehr trösten lässt

23.11.2016, 20:01 Uhr
Wenn die Seele sich nicht mehr trösten lässt

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Margareta Hackl und Johanna Knott waren einst Kolleginnen. Gemeinsam arbeiteten die beiden Frauen im Gesundheitsamt Ansbach und stellten schnell fest, dass sie gemeinsam einiges auf die Beine stellen können. Hackl wechselte zur Regierung von Mittelfranken und übernahmt dort die Abteilung Suchtberatung und Prävention für die sieben Landkreise. Doch sie blieb mit Johanna Knott in Kontakt. Als das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen für 2016 zum Jahresschwerpunktthema machte, schlossen sich Hackl und Knott erneut zusammen. "Wir wollten ein niedrigschwelliges und vor allem nachhaltiges Projekt auf die Beine stellen", erzählt Hackl.

Die Frauen entschieden sich für das bundesweit laufende, evaluierte und mehrfach preisgekrönte Präventionsprojekt "Verrückt? Na und!" "Wir waren von dem Projekt überzeugt, deshalb haben wir es nach Bayern geholt", erzählt Knott.

Ursprünglich stammt das Projekt aus der Feder des Vereins "Irrsinnig Menschlich", der in Leipzig sitzt und sich unter anderem für die Endstigmatisierung von psychisch kranken Menschen stark macht. Schnell fanden sich in der Region einige Gesundheitsämter, die sich bereit erklärten, das Projekt zu unterstützen.

"Verrückt? Na und!" richtet sich an Schüler zwischen 14 und 25 Jahren. Es ist unter anderem darauf ausgerichtet, die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu erhalten, erzählt Hackl. "Es geht vor allem darum, die Schüler für psychische Probleme zu sensibilisieren." Die jungen Leute sollen einerseits lernen, mehr Verständnis für Betroffene zu zeigen, andererseits aber auch die eigene seelische Gesundheit oder die ihrer Mitschüler im Blick zu haben. Dazu gehört die Bereitschaft, im Notfall Hilfe zu suchen und auch anzunehmen. Damit die Jugendlichen gleich wissen, wohin sie sich wenden können, bekommen sie nach dem Projekttag an ihrer Schule eine Liste mit Anlaufstellen ausgehändigt.

Einen Schultag lang beschäftigen sich die Schüler mit seelischen Erkrankungen und ihren Auswirkungen. Betreut werden sie in diesen sechs Stunden von einem Sozialpädagogen oder Psychologen und einem persönlich Betroffenen, der mit seiner psychischen Erkrankung lebt.

"Das Besondere ist dabei, dass die Klasse erst in den letzten zwei Schulstunden erfährt, wer der Betroffene ist", erzählt Johanna Knott vom Gesundheitsamt Ansbach. Das komplexe Konstrukt der psychischen Erkrankung bekomme so ein Gesicht und sei zum Greifen nah – und dabei ganz "normal". Denn die Schüler erfahren aus erster Hand, wie sich eine Depression oder Psychose anfühlt. Was man in diesen Momenten braucht und wer Hilfe bietet, wenn die Krisen nicht mehr bewältigt werden können. Sie erfahren, wie wichtig es ist, offen über seine Probleme sprechen zu können und Freunde zu haben, die einen nicht links liegen lassen, nur weil man schlecht drauf ist.

An rund 40 Schulen im Landkreis Ansbach wollen Hackl und Knott das Präventionsprojekt vorstellen. "Mehr ist leider nicht drin", sagt Hackl. Es fehlen finanzielle Mittel, denn Gesundheitsministerin Melanie Huml stellt den Gesundheitsämtern in den sieben Landkreisen im Jahr nur rund 3000 Euro zur Verfügung.

Die Barmer Ersatzkasse sponsert die Initiative zusätzlich und der Trägerverein schießt - sofern vorhanden - ebenfalls Spendengelder zu. Das Geld ist aber nicht das einzige, dass Hackl und Knott Kopfzerbrechen bereitet: "Es ist wahnsinnig schwer, Betroffene zu finden, die bereit sind, ihren Weg vor einer Klasse zu schildern", erzählt Knott. Dabei seien diese Menschen so wertvoll, weil sie den Schülern direkt berichten können, wie es sich mit einer psychischen Erkrankung lebt. Vor allem in Fürth, aber auch in Weißenburg und Roth werden dringend Menschen gesucht, die Lust, Zeit und die notwendigen Kapazitäten aufbringen können, das Projekt zu begleiten.

So wie Rainer S.. Der Nürnberger hat rund zehn Jahre damit zugebracht, seine Drogensucht zu überwinden und seine dadurch ausgelöste psychische Erkrankung anzunehmen. Jetzt möchte er junge Leute durch seine Geschichte ermuntern, sich bei psychischen Problemen Hilfe zu holen. S.: "Wer weiß, welchen Weg ich genommen hätte, wenn ich gewusst hätte, das meine Seele krank werden kann."

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