Wiederholt sich Fall Mollath? Der letzte Kampf des Horst Glanzer

7.7.2014, 17:32 Uhr
Horst Glanzer kämpft seit mehreren Jahren für besseren Schutz von Patienten - seine eigenen Bemühungen liefen bisher aber ins Leere. (Symbolbild)

© www.colourbox.de Horst Glanzer kämpft seit mehreren Jahren für besseren Schutz von Patienten - seine eigenen Bemühungen liefen bisher aber ins Leere. (Symbolbild)

Rund 12.000 Petitio­nen erreichen den Bayerischen Land­tag in jeder Wahlperiode. Doch sel­ten lässt eine Eingabe die Politiker so rat- und hilflos zurück, wie die von Horst Glanzer. „Man kann wirklich nur den Hut vor diesem Mann zie­hen“, sagt Franz Schindler. „Aber wir haben das Problem, dass uns nichts einfällt. Wenn jemandem etwas einfällt, was rechtlich darstell­bar ist, dann soll er es bitte sagen“.

So wie dem SPD-Abgeordneten und Vorsitzenden des Verfassungs­ausschusses im Landtag geht es an diesem Vormittag im Saal N501 den meisten Politikern, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Diesem Mann muss geholfen werden, ihm gehört ein Denkmal gesetzt, heißt es immer wieder. Aber wie?

Die Geschichte von Horst Glanzer beginnt im 2003. Der privat versicher­te Ex-Polizist leidet an einer akuten Entzündung der Nasennebenhöhlen. Die Krankenakten sind schwere Kost. Es geht um Vereiterungen, zer­fressene Knochen im Kieferbereich. Glanzer stellt damals bei der Barme­nia und bei seiner Allianz-Zusatzver­sicherung den Antrag auf Vorabzusa­ge der Kostenübernahme für eine Behandlung in der Schweiz.

Das hat einen Grund: Weil er Aller­giker ist und Vorerkrankungen, hatte Glanzer am 24. September 2003 beim damaligen medizinischen Servicezen­trum der Allianz, der MD Medicus Gmb H, nach einer Klinik mit ganz­heitlichen Heilmethoden gefragt.

Schwere Folgeschäden

In der Antwort heißt es, dass es eine solche Klinik in Deutschland nicht gibt und nur die Paracelsuskli­nik in St. Gallen oder die Aeskulap Klinik am Vierwaldstätter See „zu biologischen Heilverfahren auch noch ganzheitliche Zahnheilkunde anbieten“.

Doch bis endlich die Zusage auch der Barmenia eintrifft, ist es Anfang Dezember. Glanzer leidet auch nach der OP an schwersten gesundheitli­chen Folgeschäden, ist arbeitsunfä­hig und beginnt seinen langen Kampf. Das was ihm passiert ist, „soll nie wieder passieren. Nieman­dem!“ Mit Telefon und Faxgerät bombar­diert er Politiker im ganzen Land, reicht Vorschläge für Gesetzesände­rungen ein.

Ihm geht es vor allem um den Paragrafen 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung. Dort ist gere­gelt, dass eine Berufung schriftlich abgelehnt werden darf, wenn diese nach Ansicht der Richter keine Aus­sicht auf Erfolg hat. Ursprünglich sollte diese Regelung die Gerichte ent­lasten. In der Praxis folgt daraus aber, dass gerade komplizierte Fälle „aussortiert“ wurden, ohne dass die Kläger gehört werden.

Dieser Praxis schreibt es Glanzer zu, dass er mit seiner Klage gegen die Versicherungen nicht durchgedrun­gen ist. Erst scheitern seine Strafan­zeigen gegen die Mitarbeiter der Ver­sicherung wegen vorsätzlicher Kör­perverletzung und dann auch die Kla­gen auf Schmerzensgeld.

An der 3. Zivilkammer des Landge­richts Regensburg heißt es im August 2007, es sei zweifelhaft, ob dem Klä­ger überhaupt ein Anspruch auf vor­herige Leistungszusage zugestanden hat.

Auch die Berufung Anfang 2008 am Oberlandesgericht Nürnberg wird unter Anwendung des Paragra­fen 522 zurückgewiesen, ohne das Glanzer gehört wird und die Chance erhält, die vier von ihm selber in Auf­trag gegebenen fachärztlichen Gut­achten würdigen zu lassen. So bleibt ihm auch der Weg zu einer Verhand­lung in nächster Instanz beim BGH versperrt.

2011 wird das Gesetz reformiert. Die ehemalige Justizministerin Sabi­ne Leutheusser-Schnarrenberger ist sich sicher, dass das wesentlich auf Glanzers Engagement zurückzufüh­ren ist. So sehen es auch der emeri­tierte Dortmunder Rechtsprofessor Wolfgang Schünemann und der ehe­malige Richter am Bundesgerichts­hof Wolfgang Nescovic. Auch eine Änderung des Versicherungsver­trags- Gesetzes geht mit auf Glanzers Hartnäckigkeit zurück: Bei drängen­der Heilbehandlung muss der Versi­cherer nun spätestens nach zwei Wochen Auskunft zur Kostenüber­nahme erteilen.

Und auch die im neuen Koalitions­vertrag festgeschriebenen Pläne zur stärkeren Überprüfung von gericht­lich beigezogenen Gutachtern auf Befangenheit hat er mit erwirkt.

Ihm selber nützt das jedoch alles nichts. Die neuen Regelungen greifen nicht rückwirkend. Auch seine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung seines Grund­rechts auf rechtliches Gehör wurde abgelehnt. Und nun also der Rechts­und Verfassungsausschuss des Land­tags.

Schnell ist klar, das seine Petition scheitern muss. Glanzer hatte unter anderem eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen die Versiche­rungsmitarbeiter gefordert. Doch das Anliegen ist verjährt. Zum anderen hat der Ausschuss auch keine Befug­nis, richterliche Entscheidungen auf­zuheben. „Wir sind hier nicht das jüngste Gericht, sondern nur ein klei­ner Landtagsausschuss“, so Schind­ler.

Sonderfonds fehlt

Dennoch wird lange über den Vor­schlag des Grünen-Abgeordneten Markus Ganserer diskutiert, Glanz­ers Engagement in irgendeiner Weise finanziell zu würdigen, damit dem beinahe 50-Jährige wenigstens aus seiner Armut geholfen werden kann.

Doch auch hier müssen alle einse­hen: Es gibt keine Sonderfonds, kei­ne gesetzlichen Grundlagen für einen solchen „Gnadenakt“.

Auch Wilhelm Schlötterer, ehemali­ger Verwaltungsjurist und Autor des Buches „Wahn und Willkür“ zum Fall Gustl Mollath, bleibt im Zuschauerraum am Ende nur die Feststellung, dass sich alle im Aus­schuss „redlich bemüht haben“, Glanzer zu helfen. „Es geht um einen absolut tragischen Fall“. Wenigstens das Bundesverdientskreuz sollte man Glanzer aber verleihen, findet er.

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