Windkraft-Experte wirft Bayern Zynismus vor

12.2.2016, 06:00 Uhr
Verschandeln Windräder die Landschaft oder nicht? Nach Ansicht von Stefan Gsänger gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort. Generell sei aber die Akzeptanz von Windparks dort am größten, wo man bereits Erfahrung damit hat.

© Ralf Roedel Verschandeln Windräder die Landschaft oder nicht? Nach Ansicht von Stefan Gsänger gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort. Generell sei aber die Akzeptanz von Windparks dort am größten, wo man bereits Erfahrung damit hat.

Wie empfinden Sie im Vergleich zu einem so dynamisch wachsenden Markt wie China die in Deutschland ausgerufene Energiewende?

Stefan Gsänger: Na ja, die Energiewende wurde nach der Katastrophe von Fukushima sozusagen offiziell ausgerufen. Ich bin mir allerdings nicht so ganz sicher, ob es die jetzige Bundesregierung wirklich ernst damit meint beziehungsweise, was sie damit genau meint. Die Energiewende als Wechsel zu den erneuerbaren Energien begann im Grunde ja bereits in den 80er-, 90er-Jahren und wird von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen. Deutschland ist immer noch eines der fortgeschrittensten Länder der Welt und wird dieses Jahr gut ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Was jetzt aber an rechtlichen Veränderungen vorbereitet wird, wird die Energiewende eher ausbremsen als beschleunigen. Die Einführung von Ausschreibungen wird kleineren Investoren wie etwa Bürgergenossenschaften große Schwierigkeiten bereiten.

Eine Bremse für die Windenergie ist ja auch die 10h-Regelung in Bayern, also dass ein Windrad mindestens zehnmal so weit von einer Ortschaft entfernt sein muss, wie es hoch ist.

Gsänger: Wohin die Energiewende in Bayern führen soll, ist mir völlig unklar. Wenn man aus der Atomenergie aussteigen will, und das ist ja die Rechtslage, muss man das doch auch ersetzen. Da ist es schon fast Zynismus, wenn man eine derart restriktive Regelung einführt und damit gerade auch Bürgerprojekte ausbremst, um damit vorgeblich die Bürger zu schützen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass eine Kommune nicht eigenständig entscheiden kann, ob sie einen Windpark an einer geeigneten Stelle baut. Warum meint die bayerische Staatsregierung zentralistisch entscheiden zu können, wo ein Windpark nicht hinkommen darf?

Windkraft-Experte wirft Bayern Zynismus vor

© privat

Welche Bundesländer sind Ihren Erfahrungen nach am aufgeschlossensten in Sachen Windenergie?

Gsänger: Generell ist die Akzeptanz dort am größten, wo man Erfahrung damit hat. Egal ob das nun in Norddeutschland, den neuen Bundesländern oder in Baden-Württemberg oder Hessen ist. Wer einen Windpark in der Nachbarschaft hat, der weiß, dass der Windpark nicht weh tut, sondern dass der Windpark sehr viele Vorteile bringt. Das steigert die Unterstützung noch mal erheblich, wie auch Befragungen ergeben haben.

Ein oft gehörtes Argument gegen die Windenergie ist ja die sogenannte Verspargelung der Landschaft. Wie argumentieren Sie in solchen Fällen?

Gsänger: Ästhetik, und dies ist ja eine rein ästhetische Frage, ist etwas Subjektives. Wir leben in einer Kulturlandschaft, die ohnehin von uns Menschen geprägt ist. Es gibt ja in Deutschland keine Naturlandschaft mehr, außer vielleicht im Hochgebirge. Da müssen Vor- und Nachteile abgewogen werden, und die Windenergie hat ja große Vorteile zu bieten: Keine Emissionen und damit keine Luftverschmutzung, die Nutzung als heimische Energiequelle und damit erhebliche ökonomische Vorteile. Wichtig ist dabei, dass die Bevölkerung vor Ort in einem demokratischen Prozess entscheidet: Da bauen wir einen Windpark hin und da bauen wir keinen hin.

Bei Bürgerversammlungen melden sich allerdings in aller Regel überwiegend die Gegner zu Wort, die dann auch Argumente wie Lärmbelästung und den Disco-Effekt, also angebliche Lichtreflexionen durch die Rotorblätter, ins Feld führen. Probleme also, die durch die technischen Weiterentwicklungen ja eigentlich kein Thema mehr sind.

Gsänger: Da kommen wir wieder zu den erwähnten Befragungen. Leute, die einen Windpark in ihrer Nähe haben, wissen, dass es diesen Disco-Effekt nicht gibt. Die wissen, dass Lärm kein Problem ist. Und wenn ich mir zum Beispiel meine Heimat, den Landkreis Roth, anschaue, dann ist dort die A9 viel viel lauter als jedes Windrad. Wenn man einen Windpark neben eine Autobahn baut, werden die Geräusche der Windräder deutlich vom Straßenlärm übertönt.

Was ich in diesem Zusammenhang äußerst wichtig finde, dass die Leute vor Ort solche Projekte zu ihren eigenen machen. Wenn ihnen von einem auswärtigen Investor ein Windrad vor die Nase gesetzt wird, ist das sicherlich nicht der richtige Ansatz. Die Akzeptanz ist viel höher, wenn die Anwohner auch Anteilseigner des Windparks sind. Die eigenen Schweine stinken nicht, heißt es ja.

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