Zschäpe nahm den Tod anderer Hausbewohner in Kauf

25.6.2013, 18:36 Uhr
Zschäpe nahm den Tod anderer Hausbewohner in Kauf

© dpa

Eine Wohnung wie eine Festung: Vier Zimmer, knapp 120 Quadratmeter, eine mehrfach gesicherte Tür, Überwachungskameras drinnen und draußen. Zwickau, Frühlingsstraße 26, erster Stock: Hier lebten die untergetauchten Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe seit April 2008. Bis zu jenem 4. November 2011, als sich Mundlos und Böhnhard erschossen, um nach einem Banküberfall der Festnahme zu entgehen.

Kurz darauf setzte Zschäpe die Wohnung in Brand. Es ist die einzige Tat, die sie unmittelbar selbst begangen haben soll. Und während der Vorwurf der Mittäterschaft an den Terroranschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) durchaus umstritten ist, hat an der Brandstiftung wohl keiner der Prozessbeteiligten ernsthafte Zweifel.

Dabei muss Zschäpe recht gründlich vorgegangen sein: An 19 Stellen in der Wohnung konnte Benzin nachgewiesen werden, erklärte ein Brandermittler der Polizei am Dienstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Noch am nächsten Tag habe es „sehr nach Ottokraftstoff, also Benzin gerochen in der Wohnung“.

Der Kriminalbeamte zeigt Fotos: Das Haus von außen, Flammen schlagen aus der Fassade, dunkler Rauch steigt auf. Die Verpuffung hat einen Teil der Außenwände weggesprengt, auf dem Gehweg und im Garten liegen Trümmerteile.

Videokamera statt Türspion

Auf manche Details ist der Kriminalbeamte besonders stolz: Eine Videokamera liegt brennend im Gras, sie ist nach unten gefallen. Das NSU-Trio hatte sie auf einem Fensterbrett montiert, getarnt unter künstlichem Laub. Eine andere Kamera versteckten sie in einem Blumenkasten vor der Küche, „die Kabel wurden ordnungsgemäß in der Scheuerleiste verlegt“, stellt der Beamte fest, und es klingt durchaus anerkennend.

Noch in der Nacht loderten immer wieder Flammen im Dachstuhl auf. Am nächsten Tag ließen die Ermittler einen Teil des Gebäudes einreißen, damit das Haus betreten werden konnte. Spürhunde erschnüffelten Benzin. In den Trümmern fanden die Beamten zwölf Waffen und Munition - darunter jene Pistole der Marke „Ceska“, mit der die Terroristen neun Menschen ermordeten.

Auch im angrenzenden Gebäudeteil sind Risse in der Wand zu sehen, der Beamte zeigt Bilder aus der Wohnung der Nachbarin. Die damals fast 89-Jährige wurde von ihren Nichten aus dem Gebäude gerettet. Zschäpe, so meint die Bundesanwaltschaft, habe sich damit abgefunden, dass die alte Frau zu Tode kommen könnte; außerdem zwei Handwerker, die sich normalerweise in dem Haus aufhielten. Deshalb lautet die Anklage auch auf Mordversuch.

Keine Nazi-Pilgerstätte

Dann die Wohnung der Drei. Eine verstärkte Eingangstür, anstelle des Spions eine weitere Kamera. Eine zusätzliche Verriegelung in der Mitte der angekokelten Tür. Die Bilder zeigen Spuren des Zusammenlebens. Eine Schachtel Mentholzigaretten auf der Fensterbank.

Ein Schuhregal mit rosa Puschen und Tigerpantoffeln, zum Teil bedeckt von Ruß. Beate Zschäpe schaut die Reste ihres zerstörten Heims auf der Leinwand im Gerichtssaal an, meist sitzt sie zurückgelehnt, oft mit verschränkten Armen. Ihr Gesicht zeigt keine erkennbare Regung.

Für die Ermittler war es ein Glück, dass es zu einer Verpuffung kam: Hätte sich ein kontinuierlicher, heißer Brand entwickelt, wären viele Beweismittel vernichtet worden. So konnten Festplatten gesichert werden, unter anderem die verschiedenen Versionen des NSU-Bekennervideos.

Das Haus in der Frühlingsstraße wurde inzwischen abgerissen. Die Stadt hatte es gekauft, es sollte kein Wallfahrtsort für Neonazis werden. Auf dem Gelände wurden Ziersträucher gepflanzt. Ein halbes Jahr nach dem Ende des NSU war von der Heimstatt der „Zwickauer Zelle“ nichts mehr zu sehen.

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