Zurück zum G9: Endlich Ruhe in bayerischen Gymnasien?

23.2.2017, 06:00 Uhr
Zurück zum G9: Endlich Ruhe in bayerischen Gymnasien?

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"Als ich 2010 aufs Gymnasium kam, hörte sich ein Jahr weniger Schule für mich und meine Freunde noch total gut an", erzählt Benni Küffner, 17 Jahre alt und Elftklässler des Ohm-Gymnasiums in Erlangen. Doch von den sieben Freunden, die beim Eintritt in das Gymnasium noch in seiner Klasse waren, ist keiner mehr da. Alle sind durchgefallen oder haben die Schule gewechselt. "Ob das nur am G8 liegt, kann ich natürlich nicht sagen, aber auffällig ist es trotzdem", sagt Küffner.

Für ihn war die gesamte Schulzeit "stressig", aber richtig arg wurde es in der elften Klasse. Auf einmal habe er "unglaublich viel" Unterricht, nämlich 37 Stunden in der Woche, gehabt. Dazu kommt, dass diese Stunden so unglücklich mit Freistunden über den Tag verteilt sind, dass Küffner montags bis donnerstags bis 17.20 Uhr in der Schule bleiben muss. Sport oder Freizeitbeschäftigungen? Dafür bleibt ihm weder Zeit noch Energie. "Im G9 hätte ich pro Woche nur 30 Stunden, das macht was aus", sagt der Schüler.

So wie Küffner haben etliche andere Schüler das G8 erlebt. Doch viele kamen mit dem verkürzten Gymnasium und seinem Nachmittagsunterricht auch gut zurecht. 13 Jahre nach der überstürzten Einführung des achtjährigen Gymnasiums durch den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) steht das achtjährige Gymnasium auf soliden Füßen.

Fachfremde Lehrer

Fast vergessen sind die Zeiten, als es in den Mühlen der bayerischen Gymnasien ganz gewaltig knirschte. Denn nach der Einführung des G8 im Eilverfahren gab es an vielen Schulen keine Mittagsbetreuung. Intensivierungsstunden mussten von fachfremden Lehrern gehalten werden, mitten im Schuljahr galt urplötzlich ein völlig neuer Lehrplan. Apropos Lehrplan. Zu größeren Korrekturen des Lehrplans für das G8 konnten sich die Bildungspolitiker immer nur dann durchringen, wenn Landtagswahlen anstanden. Die Quittung dafür kassierte die CSU, als 2008 die Weiterentwicklung des G8 beschlossen wurde.

Der Lehrplan wurde gekürzt und auf "Grundwissen und Methodenkompetenz" ausgerichtet. Die Bürger waren darüber nicht erfreut, das Wahlergebnis niederschmetternd. Die CSU verlor erstmals ihre absolute Mehrheit. Als Horst Seehofer (CSU) Regierungschef wurde, kehrte er nicht zum G9 zurück, obwohl es ihm viele empfahlen. Vor der Landtagswahl 2013 ließ er das bayerische Kultusministerium nachjustieren und brachte erneut einen überarbeiteten G8-Lehrplan heraus.

Zickzackkurs mit Tradition

Außerdem ließ Seehofer seinen Kultusminister Ludwig Spaenle das Modellprojekt "Mittelstufe Plus" an 47 bayerischen Gymnasien einführen. "Wir können G8 und G9, halten das neunjährige Gymnasium aber für die bessere Alternative", sagt Schulleiter Dieter Brückner aus Veitshöchheim. Brückner, Vorsitzender der Bundesdirektorenkonferenz und Mitglied der bayerischen Direktorenkonferenz, erinnert daran, dass das G9, bevor es von Stoiber nach der Landtagswahl 2003 zur Altlast erklärt worden war, noch als Errungenschaft bayerischer Bildungspolitik gefeiert wurde. Der Zickzackkurs in Sachen bayerisches Gymnasium hat also Tradition.

Um das Können allein geht es Schülern und Eltern bei ihrer Entscheidung für ein acht- oder neunjähriges Gymnasium nicht. Sie stimmten mit den Füßen ab, als die "Mittelstufe Plus" zur Option stand. Gut zwei Drittel entschieden sich für die vierjährige Mittelstufe und damit für eine neunjährige Schulzeit. Eine Umfrage der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien (LEV) unter ihren Mitgliedern bestätigte diese Tendenz.

Entscheidung im März

Rund 80 Prozent der Eltern und Schüler sprachen sich darin für ein neunjähriges Gymnasium aus. Und nicht nur sie, auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Landkreistag, der Städtetag in Bayern wollen zurück zum G9. Das weiß Ministerpräsident Horst Seehofer und verweist auf Mitte März. Erst dann soll die Entscheidung für G8 oder G9 fallen - dabei ist Seehofer selbst ein G9-Befürworter. "Reine Wahlkampftaktik", sagt Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der Landtags-SPD.

Er verweist auf die "peinliche Schlappe", dem von Experten als völlig unrealistisch eingeschätzten Vorschlag Seehofers, den bayerischen Gymnasien die Wahl zwischen einem acht- oder neunjährigen Gymnasium zu lassen oder gar beides an einer Schule anzubieten. Die CSU wolle doch nur den Schein wahren, Vorreiter in der bayerischen Bildungspolitik zu sein. Das wird schwerfallen.

SPD und Grüne im Landtag haben schon längst Gesetzentwürfe für eine Rückkehr zum G9 vorgelegt. Und nicht nur die Opposition, auch die bayerischen Philologen, die Direktorenkonferenz, die Landesschüler- und die Landes-Eltern-Vereinigung haben sich schon Gedanken um die Gestaltung des neuen Lehrplans für ein G9 gemacht. In der Hoffnung, dass ihre Ideen diesmal berücksichtigt werden. Bei der Einführung des G8 durften sie nicht mitreden.

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