Zweiter Franken-"Tatort": Regisseur Senn über Erfolgsdruck

24.1.2016, 05:58 Uhr
Zweiter Franken-

© Bild: BR/Julia Müller

NZ: Herr Senn, im ersten Franken-„Tatort“ wurde ein Uni-Professor beim Liebesspiel im SUV ermordet, was einige als Abgesang der Bildungsbürgerschicht in Krisenzeiten deuteten... Was erwartet uns im kommenden „Tatort“?

Andreas Senn: Zunächst einmal kann man die Filme nicht vergleichen. Wir verknüpfen drei Geschichten miteinander, die sich alle um ein übergeordnetes Kernthema drehen, wie der Titel schon sagt: Das Recht, sich um andere Menschen zu sorgen. Das kann eben auch schlimme Folgen haben. In unserem Fall erlebt man ein nahezu perfektes Verbrechen - aber bei wem das nun in welcher Form stattgefunden hat, darf ich natürlich nicht verraten.

NZ: Das Team war ja teilweise schon hier, aber für Sie war es das erste Mal in Franken. Wie sind Ihre Eindrücke?

Senn: In Franken zu drehen war wirklich toll. Wir haben als Team gemeinsam Nürnberg noch einmal neu kennengelernt und auch Würzburg war sehr schön - welche Stadt mir jetzt persönlich besser gefällt, verrate ich natürlich nicht (lacht). Die Leute haben uns überall sehr gastfreundlich empfangen - der Wirt in Rockenbrunn zum Beispiel. Das war wirklich toll und außergewöhnlich.

NZ: Der erste Franken-„Tatort“ diente ja unter anderem auch der Etablierung des Ermittlerteams - eine Aufgabe, die nun wegfällt. Gibt es stattdessen nun Sozialkritik? Wird etwa die schwelende Flüchtlingskrise aufgegriffen werden?

Senn: Klares Nein. Die Geschichten, die wir erzählen, sind universelle Geschichten, die ganz einfach in Franken angesiedelt sind. Die Städte
spielen als Kulisse natürlich eine gewisse Rolle, ganz besonders das Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg. Aber wir haben keine wirkliche Botschaft in dem Sinne aus Franken heraus an die Welt - das war nicht unsere Herangehensweise.

NZ: Franken wird auch nicht von Grund auf verändert?

Senn: Kein bisschen - ich finde auch nicht, dass man Franken verändern muss.

NZ: Was ist auffällig an der fränkischen Mentalität?

Senn: Man sagt ja dem Franken nach, dass er eher nicht unglaublich viel redet - dieser Tatsache tragen wir unter anderem Rechnung. Aber letztlich stehen eben die drei Geschichten im Vordergrund, die sich um den Wunsch drehen, für jemanden da zu sein. Daraus resultiert dann auch das Unvermögen, alleine zu sein. Und aus diesem Spannungsbogen entwickelt sich das Drama.

NZ: Die Familie entsolidarisiert sich auch im vermeintlich heilen ländlichen Raum?

Senn: Familien entsolidarisieren sich in gewissen Momenten eigentlich immer. Das ist nicht selten der Moment, in dem sich Gewalt entladen kann. Familien funktionieren ja auf dem Land nicht besser als in der Stadt - Familie ist vielmehr immer ein Ort der größten Freude - sowie ein Ort der größten Schändlichkeiten.

NZ: Das von Max Färberböck eingeführte Ermittlerteam wurde bereits genannt - war es reizvoll, diese Charaktere weiterzuentwickeln? Wie geht man an so eine vorgegebene Personage als Regisseur ran?

Senn: Zum einen ist Felix Voss nun angekommen in Nürnberg, lebt da seit einem Jahr und hat sich auf eine wache und aufmerksame Art und Weise dort etabliert. Er ist alleine - und er steht wahrscheinlich vor der Frage: Will ich mich hier längere Zeit niederlassen - oder nicht? Mit seiner Partnerin Paula hat er ein gutes Verhältnis, das auch enger geworden ist - aber eben keine plumpe Kumpanei, eher eine gute Arbeitsbeziehung. Dr. Kaiser - der Chef der beiden - ist ein schwieriger Chef, aber auch ein lustiger Chef, wenn man ihn von außen betrachtet. Die Kollegen Goldwasser, Schatz und Fleischer wurden so weitergeführt, wie wir sie im ersten Fall kennenlernen durften.

NZ: Haben sie auch Schwachpunkte der Figuren - etwa die in der ersten Folge thematisierte Schusshemmung der Hauptkommissarin Ringelhahn - wieder aufgegriffen?

Senn: Es wird in einem intensiven Dialog zwischen ihr und Voss im Gasthaus aufgegriffen, mehr möchte ich nicht verraten.

NZ: Wie steht man denn als Schweizer der Liebe der Deutschen zum Krimi gegenüber?

Senn: Warum Krimis so gut funktionieren ist die Tatsache, dass sie die Möglichkeit bieten, nicht nur Geschichten zu erzählen, die dramatisch sind, sondern gleichzeitig auch ein Rätsel stellen, das es aufzulösen gilt. Das ist die Beteiligung des Zuschauers, und das macht Krimis so populär - in der Schweiz übrigens nicht weniger als in Deutschland. Dass fast ausschließlich Krimis gedreht werden, finde ich persönlich schade. Aber das ist ja auch nicht meine Entscheidung, sondern die Entscheidung der Leute, die Programme in Auftrag geben.

NZ: Wie geht man als Regisseur mit dem Druck um, zu wissen, die 25 meistgesehenen Sendungen in Deutschland sind Champions League und „Tatort“?

Senn: Das macht schon was im Kopf. Der Druck ist spürbar, aber eigentlich nur im Vorfeld und dann wieder, wenn man mit der Arbeit fertig ist. Vor der Ausstrahlung macht man sich natürlich Gedanken über die Quote und fragt sich, wie die Arbeit ankommen wird, weil das so ein unheimlich populäres Programm ist - was ja toll ist! Wenn man aber eine Szene erarbeitet mit dem Team und den Schauspielern, ist die Quote vollkommen irrelevant. Da versucht man, die Szene so gut wie möglich hinzukriegen.

NZ: Der erste Franken-„Tatort“ war mit über zwölf Millionen Zuschauern ja sensationell erfolgreich, die Reaktionen gerade aus Franken aber durchaus auch gespalten. Haben Sie sich in irgendeiner Form schon auf negatives Feedback eingestellt?

Senn: Ehrlich gesagt haben wir uns sehr viel Mühe gegeben, alles richtig und stimmig hinzukriegen. Natürlich kann man, wenn man etwa Lust hat, Wege nachzurechnen, auch Sachen finden, die nicht stimmig sind. Aber auf so eine Art und Weise sollte man Filme generell nicht angucken . . .

NZ: Sie spielen auf die Tunnel-Diskussion an, die nach dem letzten Franken-„Tatort“ wegen der Kamerafahrten durch Unterführungen aufkam?

Senn: Ja! So etwas ist aus meiner Sicht völlig absurd. Es geht uns eben darum, innere Zustände von Figuren nach außen zu transportieren, und da muss eine geografische Logik untergeordnet bleiben. Aber ansonsten zeigen wir die Städte Würzburg und Nürnberg so, wie sei sind. Die Häuser, in denen wir gedreht haben, die stehen auch wirklich dort - wie ja auch der Gasthof bei Nürnberg.

Wenn sich also jemand auf Spurensuche begeben mag, wird er die Drehorte finden. Was mich wirklich freuen würde, ist, wenn die Zuschauer die Geschichte mögen und einen guten Abend haben, wenn unser „Tatort“ dann an einem Frühlingssonntag ausgestrahlt werden wird.

Der gebürtige Baseler Andreas Senn studierte zwischen 1986 und 1990 an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Nach dem Studium drehte er zunächst einige Kurz- und Werbefilme, seit Mitte der 90er Jahre arbeitet der 51-Jährige beim Fernsehen.

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