24 Stunden ohne Handy = Miteinander reden

19.7.2017, 10:00 Uhr
24 Stunden ohne Handy = Miteinander reden

© Stefanie Goebel

Ein Zeitungsartikel mit der Überschrift „Handy - Fluch oder Segen?" gab den Anstoß: Der Text handelte von einer Mutter, die nur an ihrem Smartphone hing. Das Baby war für sie Nebensache. "Daraufhin hat uns unser Lehrer Herr Schweiger provoziert. Er sagte, dass wir es keine 24 Stunden ohne unser Handy aushalten würden", erinnert sich Gizem (14). Bei einer Hüttenwanderung in den bayerischen Alpen bei Lenggries wollten die Achtklässler ihrem Lehrer das Gegenteil beweisen.

Doch wofür verwenden die Jugendlichen ihr Smartphone so im Alltag? Das wollten wir zuerst von ihnen wissen, bevor die Schüler von ihren Offline-Erfahrungen berichten. Es ist immer in der Hand- oder Hosentasche, damit man erreichbar ist zum "Chatten über WhatsApp und Snapchat", sagt Þükran (13). Oder "telefonieren mit Freunden", ergänzt Jara (14).

YouTube und Social Media

Paul (14) benutzt sein Handy wie viele andere auch, um Videos auf YouTube zu schauen. "Da gibt’s zum Beispiel Let’s Plays, Serien und Comedy." Zum Musikhören wird heute ebenfalls fast nur noch das tragbare Telefon genutzt. "Und ich schieße Bilder, die ich anschließend auf den Social-Media-Kanälen wie Snapchat, Instagram und Facebook poste", erzählt Seren (15).

Ein paar Jugendliche nutzen das Handy auch, um Informationen zu bekommen. "Ich habe zum Beispiel Promiflash auf Snapchat abonniert", sagt Jael (14). Angelina (14) fehlt noch das Thema Games: "Ich schaue im Play-Store, was es so an Spielen gibt, wenn mir langweilig ist."

Bei all diesen Aktivitäten geht ganz schön viel Zeit für das Handy drauf. Viele Schüler sagen, dass sie es sehr oft nutzen. Die meisten bezeichnen sich sogar als handyabhängig, einige verbringen schon die Hälfte ihres Lebens mit diesem Gerät. Ob da nicht der Lehrer doch recht behält mit seiner Vermutung? "Keiner hat das Handy auf die Wanderung mitgenommen", sagt Nick (15). "Herr Schweiger hat uns da vertraut."

Nur der Lehrer hatte sein Mobiltelefon dabei. "Früher, in den 1990ern, war ich immer up to date, was Handys betraf", erzählt dieser. "Aber seitdem besitze ich zwar eins, nutze es aber kaum. Auf der Wanderung haben wir es gebraucht, um das Taxi zu rufen und die Eltern über unsere Verspätung zu informieren."

Ganz ohne geht es dann eben doch nicht. Und was haben die Jugendlichen so ganz ohne ihr Telefon gemacht? "Wir haben im Zug ein Spiel gespielt und uns unterhalten – zum Beispiel mit den Schülern der anderen Klasse", sagt Nick. "Auf der Hütte hat die Wirtin Volksmusik angemacht, und wir haben Wahrheit oder Pflicht gespielt", ergänzt Jael. Der 14-Jährigen würde das Handy im Alltag schon fehlen, vor allem wenn sie alleine ist. "Aber in der Gruppe waren wir ja abgelenkt."

Einige Jugendliche waren trotzdem genervt, dass sie keine Selfies von sich schießen konnten. Bei so einer Wanderung gibt es ja immer schöne Motive. Der Lehrer und ein Mitschüler hatten zwar einen Fotoapparat dabei. Aber diese Fotos kann man leider nicht mal schnell bei Snapchat posten.

Die 24 Stunden ohne Handy, also offline, zu sein, hat allen Schülern trotzdem gut gefallen. Einige können sich sogar vorstellen, noch länger ohne das Gerät zu sein: Gizem zum Beispiel, die wirklich viel am Smartphone hängt. "Länger als 24 Stunden ja, aber nicht auf dem Berg. Da gibt es zu wenig Ablenkung. Zu Hause kann ich dann Fernsehschauen oder Freunde treffen", sagt die 14-Jährige.

Sie hatte nach ihrer Rückkehr von der Wanderung 1000 ungelesene Nachrichten bei WhatsApp. "Meine beste Freundin hat mich zugespamt und gefragt, ob mein Handy kaputt ist oder ob ich sie nicht mehr mag. Ich hatte ihr vorher nichts von dem Experiment erzählt."

Paul hat während der Wanderung seinen Handykonsum überdacht und möchte ihn jetzt verringern. Schlimmer als der Handyverzicht war allerdings, dass es keine richtige Duschmöglichkeit auf der Hütte gab, sind sich alle einig. "Man fühlt sich dann einfach unwohl." Handy hin oder her.

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