Abreißen + einpflanzen + gießen = Freude pur !

6.2.2018, 18:28 Uhr
Mit ihrem „Pflanzenkalender“ hat die gleichnamige Gruppe – bestehend aus Julian, Manuela, Tobias, Larissa und Orlando (von links) – den 1. Platz beim 5-Euro-Business-Wettbewerb geholt.

© Michael Matejka Mit ihrem „Pflanzenkalender“ hat die gleichnamige Gruppe – bestehend aus Julian, Manuela, Tobias, Larissa und Orlando (von links) – den 1. Platz beim 5-Euro-Business-Wettbewerb geholt.

Wer weiß schon, dass Karotten früher mal lila waren? Orangefarbene Karotten wurde erst im 17. Jahrhundert von einem Niederländer so gezüchtet, weil er sie in der Farbe seines Königshauses haben wollte.

Zu erfahren ist das im "Pflanzkalender", mit dem sich das gleichnamige Team den – mit 800 Euro dotierten – Sieg beim diesjährigen 5-Euro-Business-Wettbewerb an der Uni Erlangen-Nürnberg und der Technischen Hochschule Nürnberg geholt hat. Die Geschäftsidee: ein Jahreskalender, dessen Blätter man am Ende des Monats ausreißen und einpflanzen kann.

Jeden Monat geht es um eine andere Pflanze, deren Samen im Kalenderblatt enthalten sind. Bei guter Pflege wächst sie auch. Zusätzlich liefert der Kalender einen kurzen, informativen Text. Beispiel Gänseblümchen: Es soll erhebliche Heilkräfte besitzen und wurde 2017 sogar zur Heilpflanze des Jahres gekürt.

Fünf Euro symbolisches Startkapital und acht Wochen Zeit haben die studentischen Teams bei dem Wettbewerb, der vom Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) veranstaltet wird. In dieser kurzen Zeit sollen sie ihre Fähigkeiten als Unternehmer testen, indem sie eine Geschäftsidee entwickeln, konkret umsetzen und möglichst auch noch Gewinn machen sollen.

Jury bewertet sechs Kriterien

Am Ende bewertet eine Jury folgende Kriterien: die Idee an sich; den dazugehörigen Businessplan; das wirtschaftliche Ergebnis. Bei der Abschlussveranstaltung kommen noch folgende Bewertungspunkte dazu: Standgestaltung, persönliche Erläuterungen und eine Bühnenpräsentation. Für jedes der sechs Kriterien gibt es Punkte, und wer am meisten Punkte bekommt, gewinnt.

Das Siegerteam vertrieb seinen Kalender zum Beispiel über das Urban Garden Center in Gostenhof und die Nürnberger Samenhandlung Edler. Die 200 gefertigten Kalender waren nach etwa einer Woche komplett verkauft. Bei einem Verkaufspreis von 25 Euro hat das Team einen Umsatz von etwa 4000 Euro gemacht.

Platz zwei (600 Euro Preisgeld) beim 5-Euro-Business-Wettbewerb konnte das Team "Open-Spirits" mit seinem selbst entwickelten Szenedrink Black Bat auf der Basis von kalt gebrühtem Kaffee und Gin erringen. Projekt und Gruppe "Harzform" überzeugte die Jury mit ihren individuell handgefertigten Accessoires aus Gießharz und Holz und kam auf Platz 3 (400 Euro). In diesem Jahr waren die Punkteabstände so gering, dass erstmals ein 4. Platz (150 Euro) vergeben wurde – und zwar an "Letter-liebelei". Dabei hatten drei Studentinnen die Idee, Alltagsgegenstände wie Tassen oder Untersetzer per Handlettering zu verschönern. Übrigens: Den "Pflanzkalender" soll es auch für das Jahr 2019 geben. Infos dazu stehen auf der Homepage www.pflanz-kalender.de und auf Facebook.

Wenig erreicht, viel gelernt

Jasmin, Marcel, Julian und Dominik (von links, Jonathan fehlt) als das Team „pillwow“. Dessen Geschäftsidee: ein Reise-Kopfkissen, das sich mit Saugnäpfen an Scheiben befestigen lässt.

Jasmin, Marcel, Julian und Dominik (von links, Jonathan fehlt) als das Team „pillwow“. Dessen Geschäftsidee: ein Reise-Kopfkissen, das sich mit Saugnäpfen an Scheiben befestigen lässt. © Michael Matejka

Wie erleben die Teilnehmer selbst den Wettbewerb? Hier schildert der Student Jonathan Otto seine Eindrücke:

"Was hast du heute gemacht?" "Ich war im Gefängnis". Fragende Gesichter wenden sich mir zu, mein Freund Max ist der Erste, der reagiert. "Hat das was mit deinem Reisekissen zu tun?" Ja, hat es, wie so vieles, was ich in den drei Monaten während des 5-Euro-Business-Wettbewerbs erlebt habe.

Zum Start Anfang November gab es eine kurze Info-Phase. Bereits am zweiten Tag stand unser fünfköpfiges Team aus Marcel, Jasmin, Dominik, Julian – und mir. Nach ausgiebiger Diskussion einigten wir uns auf ein waschmaschinenfestes Reisekissen mit abwischbarer Rückseite. Saugnäpfe sollen für den Halt an Fensterscheiben sorgen.

Die Geschäftsidee "pillwow" (von pillow = Kissen und wow = toll!) war geboren und bekam sogleich Accounts auf Facebook und Instagram eingerichtet. Unsere ersten Follower durften beim künftigen Design und der Farbauswahl mitbestimmen.

Um das Ganze umzusetzen, kauften wir die Materialien für einen Prototyp zuerst bei Ikea, später aus verschiedenen Online Shops zusammen. Bereits hier war wirtschaftliches Denken und die Suche nach bestmöglichen Kompromissen gefragt.

Welche Lieferzeiten erscheinen uns akzeptabel? Woher bekommen wir die benötigten Mengen? Wie verhindern wir, dass die Stückkosten aus dem Ruder laufen? Die achtwöchige Unternehmensphase brachte die ersten Rückschläge mit sich. Das Kunstleder, das wir zu Beginn bestellten, stank dermaßen nach Plastik, dass wir es weder uns noch unseren Kunden zumuten wollten. Dazu erwies sich die Produktion der Prototyp-Kissen als zu zeitaufwendig, um in die Massenproduktion zu starten. Eine Näherei, die unsere Kostenkalkulation nicht sprengte, musste her.

Die Woche Wartezeit auf die neuen Stoffmuster bot sich an, um erste Verhandlungen zu führen. Und so kam es, dass ich durch das Tor 2, den Hintereingang, die Justizvollzugsanstalt Nürnberg betrat. Ausweis vorzeigen, Handy abgeben und auf Frau Mörtel-Then von der Näherei warten.

Das Kissen wurde überraschenderweise an der Pforte nicht in Augenschein genommen. Ich hatte schon befürchtet, nur mit einem völlig zerfledderten Prototypen reingelassen zu werden.

Das Büro der Näherei war durch eine große Fensterfront von der Betriebsamkeit innerhalb der Werkstatt getrennt. Mein Fokus lag schnell wieder auf der Verhandlung: die einzelnen Produktionsschritte erklären, die Machbarkeit einschätzen lassen und einen Zeitplan vorgeben.

Zu guter Letzt traute ich mich verhalten an die alles entscheidende Frage: "Wo landen wir dabei preislich?" Vier Euro für alle Arbeitsschritte, zwei Euro, wenn wir den Stoff schon zugeschnitten liefern.

Die Entscheidung fiel uns nicht schwer. Die nächsten Tage verbrachten wir damit, Schablonen auf die Rückseite des Stoffes zu zeichnen und das Ganze mit einer Schere auszuschneiden. Weil das Weihnachtsgeschäft nahte, war Eile geboten.

Anhand optimistischer Absatzprognosen planten wir, 100 Kissen zu produzieren. Über zwei Verkaufsstände an der Technischen Hochschule Nürnberg und auf einem privaten Weihnachtsmarkt wollten wir das "pillwow" als Weihnachtsgeschenk anpreisen.

Und scheiterten kläglich. Zuerst war unsere Preisvorstellung viel zu hoch, und wir mussten mit dem Endpreis immer weiter runtergehen. Dazu kam, dass Studierende keine Business-Reisenden sind und ihnen neben dem Geld auch die Gelegenheit fehlt, das "pillwow" auf langen Zug- oder Busreisen zu verwenden. Ernüchtert, aber immerhin bereits in der Gewinnzone ging es in die Weihnachtspause.

Nach Neujahr galt es, Unternehmens- und Geschäftsbericht vorzubereiten. Trotz Skype und geteilter Dokumentenablage kamen wir organisatorisch an unsere Grenzen.

Weswegen wir zur Vorbereitung auf die Abschlussveranstaltung ein persönliches Treffen mit unseren Wirtschaftspaten erbaten. Die Cityhunters haben selbst schon einmal den Wettbewerb gewonnen und gaben uns Tipps zu den Bewertungskriterien und Feedback auf unsere Ideen für Präsentation und Stand.

Am Ende haben wir zwar eine Platzierung unter den ersten vier Siegern verfehlt, aber persönlich eine Menge bei dem Wettbewerb gelernt und erlebt. Und sei es nur, einmal ein Gefängnis von innen gesehen zu haben.

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