Andere Länder, andere Sitten

30.4.2014, 10:00 Uhr
Sarah (3. von links) arbeitet in Atlanta bei Hofmann Services.

© privat Sarah (3. von links) arbeitet in Atlanta bei Hofmann Services.

Ausbildung? Dieses Wort lässt sich einem Amerikaner nur schwer vermitteln. Das hat Philipp Kistner schnell herausgefunden. Der 20-Jährige lernt im zweiten Lehrjahr Buchhändler in der Nürnberger Buchhandlung „Korn & Berg“ am Hauptmarkt. Momentan arbeitet er aber in Atlanta. „Barnes & Noble“ heißt die US-amerikanische Buchhandlungskette, die ihm einen Praktikumsplatz gestellt hat.

„Wer hier anfängt, macht ein einmonatiges Training, um in den Job reinzufinden. Das nennt sich dann ,training on the job‘“, erzählt Philipp, der dieses Training mit einer Art Mini-Ausbildung vergleicht. Und genau das macht Philipp auch gerade. Das heißt, er bekommt Einblick in die verschiedenen Bereiche wie Bücher in Regale sortieren, Bestellungen entgegennehmen oder Kunden beraten.

„Anders als in Deutschland räumen wir die neugelieferten Titel drei Stunden vor Geschäftsöffnung in die Regale. Bei ,Korn & Berg‘ machen wir das während der Geschäftszeiten“, sagt Philipp und vermutet, dass die amerikanische Kette ihren Kunden einfach ein „optimales Einkaufserlebnis bieten möchte, indem alle Mitarbeiter jederzeit für Beratungen zur Verfügung stehen“.

Ihm ist auch aufgefallen, dass man sich viele Gedanken um die Präsentation der Bücher macht und die Regale und Aktionstische entsprechend der Vorgaben aus der Zentrale neu gestaltet. „Das kenne ich aus meiner kleinen Buchhandlung eher nicht.“

Philipp macht Praktikum in der Buchhandlungskette "Barnes & Noble".

Philipp macht Praktikum in der Buchhandlungskette "Barnes & Noble".

Trotzdem arbeitet Philipp lieber in einem unabhängigen Buchladen, weil der seine Verkaufsflächen viel individueller gestalten und sich so von anderen abheben können. „Bei den Ketten sieht alles gleich aus.“ Auch die Arbeitsweise gefällt dem 20-Jährigen in Deutschland besser.

Er sagt: „In Nürnberg kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Als Azubi habe ich ein Mitbestimmungsrecht, wie man das Schaufenster gestaltet oder welche Buchtrends beworben werden.“ In den USA komme man sich eher wie ein Roboter vor, der seine Arbeit ausführt, um danach genug Geld zum Leben zu haben.

Allerdings sei in Atlanta das Arbeitsklima besser. „Die Kollegen sind sehr nett und die Kunden haben immer einen freundlichen, gut gelaunten Grundton in ihrer Stimme“, erzählt der 20-Jährige erfreut. Er bedauert jedoch, dass die meisten Freundschaften nur oberflächlich sind. In den USA zu arbeiten, kann sich Philipp schon vorstellen. Nur kleine, unabhängige Buchländen existieren dort kaum noch. „In Amerika gibt es keine Buchpreisbindung, das heißt, jeder kann seinen Preis selbst gestalten“ – und die Billigeren sind dann meistens die Ketten oder das Internet.

Längere Zeit im Ausland zu arbeiten, ist eine Idee, mit der sich auch Sarah Lorenz anfreunden kann. Die 20-Jährige lernt bei der Daimler AG in Nürnberg im zweiten Jahr Industriekauffrau. In Atlanta arbeitet sie beim Personaldienstleister Hofmann Services. Die Nürnberger Firma gibt es in mehreren US-Staaten und hat in der Hauptstadt von Georgia ihr amerikanisches Hauptquartier.

Im Gegensatz zu Philipp kam Sarah in ein komplett anderes Umfeld. Wo sie in Nürnberg zum Beispiel Lkw disponiert, vermittelt sie in Atlanta Menschen – und da gibt es ziemlich viele Fettnäpfchen zu umfahren. Denn Bewerbungsverfahren sehen in Amerika ganz anders aus als in Deutschland.

Vorsicht, Diskriminierung!

„Ich darf gewisse Fragen nicht stellen, weil ich die Menschen sonst diskriminieren würde“, erzählt Sarah. In den USA wird nur nach Qualifikation ausgewählt, daher findet man in den Bewerbungen kein Foto und keine Infos über persönliche Dinge.

Unterschiede zwischen den beiden Ländern sieht die 20-Jährige auch hinsichtlich der Arbeitszeit: „Hier arbeite ich locker 40 Stunden in der Woche, zu Hause 36. Zudem bekommen die Angestellten zu Beginn ihrer Tätigkeit nur zwölf Urlaubstage, das konnte ich gar nicht glauben.“ Auch das Leben in Unsicherheit wäre nichts für die Nürnbergerin. „Ein halbes Jahr hier arbeiten, ein halbes Jahr dort – das ist normal in den USA. Auch, dass man von einem Tag auf den anderen gekündigt werden kann.“

Freunde in ihrem Alter zu finden, ist eher schwierig, meint Sarah, weil die meisten noch aufs College gehen und danach erst mit dem Job beginnen. Sie geht mit einer Kollegin öfter zum Essen, die neben dem Studium jobbt. Auch Philipp hat sich mit Kollegen angefreundet.

Seid ihr auch Azubis und möchtet in den USA Berufserfahrungen sammeln? Die „Joachim Herz Stiftung“ führt das Projekt fort. Ab Juli könnt ihr euch bewerben: www.joachim-herz-stiftung.de/georgia Im Blog findet ihr noch mehr Erlebnisse von Sarah, Philipp und den sieben anderen: http://azubisusa.wordpress.com

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