Auf dem Weg zur Traumschule

11.4.2016, 15:30 Uhr
Auf dem Weg zur Traumschule

© Fotos:denisismagilov/Fotolia

Blick in einen Klassenraum: Alle Anwesenden werden an die Schultische verbannt. Der Blick fällt auf die Tafel: überall Integralrechnungen, unübersichtlich, erschreckend. Die Tür wird aufgerissen. "Schon wieder Stau und zuhause erst die Probleme!"

Die entnervte Lehrerin pfeffert ihre Tasche auf den Boden. Dann kommt ein Schüler herein, viel zu spät. Aber es gibt weder eine Standpauke noch eine Strafe. Ob er der Lieblingsschüler ist? Währenddessen soll eine Mitschülerin die Integralrechnung an der Tafel lösen. "Kannst du nicht mal das?", poltert die Lehrerin.

Mit diesem Schauspiel zeigt eine Gruppe Schüler, was in der Schule alles schieflaufen kann: angsteinflößende Tafelbilder, Lehrer mit privaten Problemen, Schüler, die vor der Klasse bloßgestellt werden. Wie könnte das besser laufen?

Diese Frage stellt sich "Schultopia" — ein einwöchiges Experiment, das von Mitgliedern der LandesschülerInnenvereinigung Bayern (LSV) auf die Beine gestellt wurde. An fünf Tagen haben sich 60 Jugendliche von sämtlichen Schularten aus ganz Bayern überlegt, wie sie sich ihre Wunschschule vorstellen. Dazu trafen sie sich in der Waldorfschule in Erlangen.

Lehrer als Lernbegleiter

"Der Unterricht braucht Veränderung, die auch gelebt wird", beschreibt Viktoria Lachenmaier von der LSV den Grund für Schultopia. "Wir wollen nämlich nicht nur über Probleme reden, sondern uns gemeinsam Lösungen überlegen."

Schultopia war als Ganztagsschule gedacht: Alle Teilnehmer haben gemeinsam gefrühstückt, zu Mittag und zu Abend gegessen. Dazwischen haben die Organisatoren von der LSV Workshops angeboten. Thematisch ging es da wild durcheinander. Die Schüler konnten zum Tanzen gehen, den menschlichen Körper genauer unter die Lupe nehmen oder sich in Diskussionsforen beispielsweise über Lobbyismus oder Motivationslöcher austauschen.

Im Mittelpunkt stand: Wir lernen gemeinsam voneinander. Das ist den Schülern besonders wichtig. Denn sie wollen nicht nur über Noten definiert werden, sondern sich ohne Leistungsdruck einbringen. "Schüler sind viel mehr als Zahlen", beharrt Mitorganisatorin Lara Stotz.

Der dritte Baustein von Schultopia: Abends wurden die Erfahrungen aus den Workshops in "Zukunftswerkstätten" zu einem Konzept geformt. Die Schüler analysierten die Schwachstellen von Schule, suchten nach Ursachen und Lösungen. "Wir wollten Vorschläge erarbeiten, was wir ändern würden", sagt Lara.

Veränderung ist nur zusammen möglich

Ein Wunsch, der immer wieder auftaucht: weniger Frontalunterricht. So können alle voneinander lernen. Außerdem erhoffen sich die Schüler Lehrer, die sich zukünftig eher als Lernbegleiter verstehen. "Wir wollen lieber partnerschaftlich zusammenarbeiten und keine hierarchischen Strukturen", sagt Lara.

Auf dem Weg zur Traumschule

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Ein weiterer Punkt: "Feedback kostet Mut und ist ein Geschenk", fordern die Schüler. Sowohl Lehrer als auch Schüler sollen sich zukünftig mehr um hilfreiches Feedback bemühen.

Bei Schultopia entstand ein Konzept mit zehn Forderungen (siehe unten). Die Organisatoren präsentierten es bei einer Pressekonferenz zu der sie Schulvertreter, Politiker und Journalisten einluden.

Dabei entspann sich eine Diskussion, in der es hoch herging. Das Ergebnis: Veränderung ist nur zusammen möglich. Nicht nur Lehrer müssen an sich arbeiten, auch die Schüler müssen mitziehen.

Noch überlegen die Organisatoren, wie sie ihr Konzept weiter verbreiten, damit es vielleicht umgesetzt wird. Aber das Experiment hat sich jetzt schon gelohnt. Workshop-Leiterin Ronja Gebhardt resümiert: "Ich habe in der Zeit selbst total viel gelernt."

Zehn Forderungen von Schultopia

*Schulforum: Lehrer, Schüler und Eltern entscheiden demokratisch zusammen.

*Individuelle Fächerwahl: Alle gehen ihren individuellen Interessen nach.

*Neue Ideen: Mit ihrem Wissen unterstützen Lehrer die Ideen ihrer Schüler.

*Lernen auf Augenhöhe: Die Lehrer helfen, ohne von oben herab zu unterrichten.

*Methodenvielfalt: Schüler können sich mit Projekten und Gruppenarbeiten ausleben.

*Gemeinsam sind wir stark: Schüler sollen gemeinsam voneinander lernen.

*Wohlfühl-Atmosphäre: Sofas und Musik in den Pausen dürfen nicht fehlen.

*Feedback: Die Lehrer und Schüler geben sich gegenseitig Feedback.

*Individuelles Lernverhalten: Wie lange gelernt wird, entscheidet jeder selbst.

*Keine Strafen: Bestraft wird nicht, man sucht zusammen nach Lösungen.

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