Auf den Spuren des Anti-Entzündungsgens

28.4.2017, 14:25 Uhr
Jay V. Patankar

© Beeck Jay V. Patankar

Bauchschmerzen, Krämpfe, Durchfall – allein in Deutschland leiden etwa 400 000 Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Typische Beispiele sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

Und die Zahl der Erkrankungen steigt stetig – "vor allem in Europa", sagt der Molekulargenetiker Jay V. Patankar. "Inzwischen weiß man, dass sowohl Gene als auch Umwelteinflüsse dafür verantwortlich sind. Dabei stehen unter anderem Nanopartikel im Verdacht, wie sie in Zahnpasta verwendet werden."

Patankar ist Humboldt-Stipendiat an der FAU. Er erforscht die molekulargenetischen Mechanismen, die zu chronischen Darmentzündungen führen. Denn diese Krankheiten beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, sie können auch zu Krebs führen

"Inzwischen weiß man auch", sagt Patankar, "dass Menschen, die 20 Jahre lang an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen leiden, ein dreimal höheres Risiko für Darmkrebs haben." Patankar kommt aus Indien. Er ist in Nashik aufgewachsen, einer Stadt etwa 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Mumbai. "Für indische Verhältnisse ist es eine kleine Stadt. Aus deutscher Sicht mit 1,8 Millionen Menschen ist sie aber doch recht groß", sagt er.

In Deutschland gefällt es ihm gut. Überrascht hat ihn das Essen hier: "In Indien und auch in Kanada gibt es das Vorurteil, dass das deutsche Essen nicht schmeckt. Aber ich bin ganz begeistert. Es ist köstlich!"

Patankar verlebte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. "Nach der Schule war ich viel mit meinen Freunden unterwegs. Wir haben Cricket gespielt oder sind auf Bäume geklettert und haben rohe Mangos gegessen. Die schmecken süß-säuerlich, ein bisschen wie Maoam."

Er studierte zunächst an der University of Pune und absolvierte später seinen Master in Molekularer und Humaner Genetik an der indischen Banaras Hindu University in Varanasi. Danach ging es nach Graz: "Mein Vater war viele Jahre bei Bosch beschäftigt. Er konnte sehr gut Deutsch und war oft im deutschsprachigen Ausland unterwegs. Er hat mich auf die Idee gebracht, nach Österreich zu gehen."

In Graz hat Patanka seine Frau, eine Österreicherin, kennengelernt. Nach einem dreijährigen Aufenthalt an der British Columbia Universität, bekam er das Humboldt-Stipendium und entschied sich für die FAU, genauer, für das Labor von Prof. Christoph Becker, dem Leiter der Forschungsabteilung der Medizinischen Klinik I.

"Gerade bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wird hier Spitzenforschung betrieben, und mein Forschungsgebiet passt thematisch sehr gut hinein", sagt Patankar. Seine Karriere ist international ausgerichtet, wissenschaftliches Arbeiten hat für ihn immer mit offenem Austausch zu tun.

Er schüttelt daher den Kopf darüber, dass der neue US-Präsident Trump staatlichen Forschungsstätten in den USA die Kommunikation über soziale Medien verboten hat. "Maulkörbe für Wissenschaftler. Das geht gar nicht!"

Während seiner Promotion in Molekularer Medizin an der Uni Graz kam der Wissenschaftler einem speziellen Protein namens GATA4 auf die Spur. Dessen Gen hat möglicherweise eine Schlüsselrolle bei den entzündlichen Prozessen. Denn das GATA4-Gen reguliert die Ausdifferenzierung der Darmzellen.

Patankars Forschungsergebnisse zeigen, dass in Darmzellen, die durch Entzündungen absterben, die Funktion von GATA4 reduziert ist. In Tumorzellen wird es gar nicht produziert. "Möglicherweise funktioniert GATA4 als eine Art Anti-Entzündungsgen", meint der Forscher. Bis zu einem Medikament ist es noch ein sehr weiter Weg. "Aber es wäre wunderbar, wenn es irgendwann eine Therapie gäbe, die einen chronisch entzündeten Darm heilen könnte."

 

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