Bafög: Himmel oder Hölle?

17.6.2016, 10:00 Uhr
Bafög: Himmel oder Hölle?

© Karikatur: Tomicek

Katharina (23) ist genervt. Sie kann sich kaum auf ihre Vorlesungen konzentrieren. Erst muss sie dieses Problem klären, sonst kann sie sowieso nicht weiterstudieren, weil ihr das Geld fehlt. Die Unterlagen müssen vollständig sein, und mit ihrer Anwältin hat sie auch noch einen Termin. Und das alles nur, um ihr Recht einzufordern. Katharinas Problem heißt: Bafög.

Katharina studiert an der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg. Ihre erste Bafög-Zahlung bekam sie erst vier Monate nach Beginn des Wintersemesters. Den Antrag hatte sie etwa einen Monat vor Studienbeginn eingereicht. Die Bearbeitung ihres Antrags dauerte lange, und trotzdem hatte sie schon laufende Kosten: Miete, Lebensmittel, Kleidung, Lehrbücher, Studentenwerksbeitrag, VGN-Ticket, Handyrechnung und soziales Leben. Katharina suchte sich einen Nebenjob bei einem Franchise-Unternehmen, um ihre Kosten decken zu können. Ihre Noten litten jedoch unter dem zeitaufwändigen Nebenjob, und durch den Stress wurde sie auch noch krank, so dass sie den Nebenjob wieder aufgab.

Tipp: Gerade kurz vor Semesterbeginn sind die Bafög-Ämter gnadenlos überlastet. Wer deshalb schon rechtzeitig zum Studienbeginn Kohle sehen will, sollte seinen Bafög-Antrag unbedingt so früh wie möglich stellen, am besten gleich nach der Studienentscheidung.

Auch im Januar des folgenden Jahres konnte sich Katharina nicht über Bafög freuen: Das gesamte Geld wurde auf ein altes Konto überwiesen. Der zuständige Sachbearbeiter bestreitet bis heute, jemals ein Schreiben über eine neue Bankverbindung von Katharinas Bank erhalten zu haben. Auch zu späteren Zeitpunkten hat Katharina Immatrikulationsbescheinigungen oder einen neuen Mietvertrag geschickt, die ihr Sachbearbeiter angeblich nie erhalten hat.

Tipp: Schickt alle Schreiben ans Bafög-Amt per Einwurfeinschreiben. Das kostet zwar jedes Mal mindestens 2,40 Euro, aber ihr habt einen schriftlichen Beleg für das Versenden in der Hand.

Katharinas Eltern verdienen nicht viel, sodass sie Anspruch auf Bafög hat. Ihre Mama ist Krankenschwester und ihr Vater hat einen Minijob. Da ihre Schwester jedoch noch zur Schule geht, bekam Katharina nicht den Höchstsatz von 670 Euro, sondern nur 472 Euro. Eine geringe Summe, wenn man sich vor Augen hält, dass die Bundesagentur für Arbeit die Lebenskosten für Studenten durchschnittlich auf 757 Euro im Monat veranschlagt.

Tipp: Lest nach oder informiert euch vorher, ob ihr überhaupt Anspruch auf Bafög habt und ob es wegen eurer schulpflichtiger Geschwistern irgendwann gekürzt werden könnte. Mit Hilfe von Bafög-Rechnern könnt ihr abschätzen, welchen monatlichen Betrag ihr zu erwarten habt.

Im August wurde Katharina das Bafög auf 219 Euro gekürzt, da ihre Schwester mit der Schule fertig war. Die Begründung hierfür wurde an Katharinas alte Adresse geschickt, obwohl Katharina das Amt über ihren Umzug informiert hatte und man sieben Monate Zeit zum Ändern der Adresse hat.

Ihr Sachbearbeiter hat jedoch keine Post bekommen – angeblich. Aber Katharina kann ein Einwurfeinschreiben vorlegen. Auf eine Beschwerde hin begründete das Amt, dass Katharina den Brief wegen eines Verwaltungsfehlers nicht erhielt. Das half ihr jedoch nicht weiter, denn bei einer Miete von 260 Euro und einem Bafög von 219 Euro kam sie nicht weit. Sie lieh sich Geld von Bekannten.

Tipp: Haltet euch immer eine Möglichkeit offen, wenn das Geld nicht rechtzeitig kommt: Geld von Eltern oder Bekannten leihen, auf ein Sparbuch zugreifen oder kurzzeitig jobben solltet ihr immer im Blick haben.

Um sich Rat zu holen und in dem Bafög-Dschungel durchzublicken, versuchte Katharina erneut, mit ihrem Sachbearbeiter zu reden. Aber der schaltete auf stur. „Mir kam es so vor, als ob er ganz neu war auf dem Amt und Unwissenheit überspielen wollte, indem er anderen die Schuld gab. Dass er nicht viel Ahnung hat, merkte ich im 5. Semester, als er mich bat, Unterlagen nachzureichen, die im 1. Semester erforderlich gewesen wären“, meint Katharina. Auch ein Schreiben an den Vorgesetzten half nichts, und die Bitte, den Sachbearbeiter wechseln zu dürfen, wurde abgelehnt.

Tipp: Informiert euch selbst, welche Dokumente zu Studienbeginn wichtig für das Bafög-Amt sind und fragt einfach nach, ob vielleicht noch Unterlagen fehlen.

Die Studentin wandte sich an das Landgericht und beantragte Verfahrensbeihilfe. Dabei wird abgeschätzt, ob die Chancen gut stehen, ein Verfahren zu gewinnen. Da dies bei Katharina der Fall war, musste sie nur eine Eigenbeteiligung von 15 Euro zahlen. Im September meldete sich die Dienstaufsichtsbehörde und behauptete, dass die Fehler Katharinas Schuld seien, da sie ihre Unterlagen immer zu spät einreiche. Dank der Einwurfeinschreiben konnte Katharina das Gegenteil beweisen und schrieb eine Stellungnahme.

Tipp: Wendet euch an das Landgericht, wenn ihr wirklich keinen Ausweg mehr wisst. Dafür ist es da und kann euch bei rechtlichen Angelegenheiten zur Seite stehen.

Im März des folgenden Jahres begann Katharinas Schwester eine schulische Ausbildung, für die sie monatlich circa 400 Euro zahlen muss. Katharina wurde mit der Begründung, dass die Schwester nun eine Ausbildung beginnt und nicht mehr von den Eltern versorgt werden muss, das Bafög nochmals gekürzt – auf 176 Euro. Auch dagegen leitete Katharina Widerspruch ein, da es sich um eine schulische Ausbildung handelt. Das Amt stimmte diesem Einwand zu, und Katharina erhielt eine Nachzahlung. „Wäre das nicht der Fall“, sagt Katharina, „würde ich endgültig vor Gericht gehen. Wer weiß, was in den restlichen Semestern noch kommt.“

Tipp: Informiert euch vor dem Studium, ob Bafög das Richtige für euch ist, oder auch eine andere Förderung in Frage kommt. Meist hilft zu Studienbeginn schon ein Nebenjob oder eine Werksstudentenstelle. Auch ein Stipendium oder ein Studienkredit sind Möglichkeiten, um sich das Studium zu finanzieren.

Ständig bin ich begleitet von der Angst, die Miete oder Studiengebühren nicht mehr zahlen zu können. Ein ruhiges und normales Studieren war von Beginn an kaum möglich“, erzählt Katharina traurig. Ruhe vom Bafög-Amt hat sie noch lange nicht, denn fünf Jahre nach ihrem letzten Antrag muss sie Geld an den Staat zurückzahlen. Das sind 50 Prozent des Betrages ohne Steuern.

Tipp: Wenn ihr mitten im Studium merkt, dass ihr auf eigenen Beinen steht und euer Leben finanzieren könnt, dann stellt keinen neuen Bafög-Antrag. Erstens müsst ihr dadurch weniger zurückzahlen und zweitens seit ihr ungebundener bei den Neben- oder Ferienjobs. Denn ihr braucht nicht mehr darauf zu achten, dass ihr im Bewilligungszeitraum von einem Jahr weniger als 5000 Euro verdient.

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