Darf’s auch mal ein bisschen größer sein?

24.11.2014, 17:07 Uhr
Darf’s auch mal ein bisschen größer sein?

© Christian Klug

Als Kenneth De Baets (Jahrgang 1984) ein kleiner Junge war, waren Dinosaurier höchst aktuell. Natürlich keine lebenden, sondern welche aus buntem Plastik, die man basteln, sammeln und im Kinderzimmer gegeneinander kämpfen lassen konnte.

„Damals“, sagt De Baets heute, „wurde meine Begeisterung für ausgestorbene Tiere geweckt. Und seit dieser Zeit war es mein Ziel, Paläontologe zu werden.“ Inzwischen arbeitet der gebürtige Belgier an seiner Habilitation in der Fachgruppe Paläo-Umwelt am Geo-Zentrum Nordbayern in Erlangen.

Von den Dinos allerdings ist De Baets schon lange wieder abgekommen, aus einem ganz einfachen Grund: „Für Dinosaurier interessieren sich relativ viele Leute, und es gibt nur wenige Fundstellen.“

Daher bevorzugt er für seine Forschungen Tiere, bei denen das genau umgekehrt ist: Wirbellose, vor allem sogenannte Mollusken (Weichtiere), und innerhalb dieses Tierstamms die Kopffüßer. Das sind Tiere, die der deutsche Volksmund, nicht ganz korrekt, gerne Tintenfische nennt – und noch lieber isst.

Gerade unter den Kopffüßern (Cephalopoda) gibt es ziemlich große Arten. Legendär ist zum Beispiel der noch heute lebende Riesenkalmar Architeuthis, der in mehr als 300 Metern Meerestiefe lebt und bis zu 13 Meter lang werden kann. Gelegentlich werden tote Exemplare an die Küste gespült, in seltenen Fällen konnten lebende Tier mit Tiefseekameras beobachtet werden.

Darf’s auch mal ein bisschen größer sein?

© privat

„Solche gigantischen Körpergrößen gab es in den vergangenen 500 Millionen Jahren immer wieder“, sagt De Baets. Zusammen mit anderen Forschern möchte er herausfinden: Gibt es eine Regelmäßigkeit, nach der Riesentiere im Laufe der Erdgeschichte auftauchen und dann wieder verschwinden?

Es wäre naheliegend, eine heutige Beobachtung als Grundlage zu nehmen: Je tiefer und kälter das Meerwasser, desto größer können die Tiere darin werden. Und weil das Wasser zu den Polen hin immer kälter wird, sprechen die Forscher von „Polargigantismus“.

Doch wenn man Fossilien der Erdgeschichte systematisch durchforstet, stellt man fest: „Für die Vergangenheit stimmt das mit dem Polargigantismus so nicht“, erklärt De Baets: „Ob die Tiere in bestimmten Erdzeitaltern größer oder kleiner waren, hat nichts mit der Wassertemperatur zu der damaligen Zeit zu tun. Es gab auch riesige Formen in Zeiten, in denen das Wasser vergleichsweise warm war.“

Darf’s auch mal ein bisschen größer sein?

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Die Umweltbedingungen spielten demnach für das Auftauchen von Gigantismus nicht die entscheidende Rolle, allerdings für die räumliche Verbreitung und das Überleben der Riesen. Welcher Faktor ist es also dann, der bestimmte Tierarten riesig werden lässt?

Um eine Antwort zu finden, sahen sich die Paläontologen zwei bestimmte Phasen der Erdgeschichte genauer an: das Ordovizium vor etwa 460 Millionen Jahren und das Devon vor ungefähr 390 Millionen Jahre. „Beides sind Perioden, in denen die Artenvielfalt in besonderem Maß zunahm“, sagt De Baets. „Es waren Zeiträume, in denen viele Arten entstanden, weil sich Tiere einer Spezies verschiedene ökologische Nischen schufen, sich also an bestimmte Lebensräume besonders gut angepasst haben.“

Und genau in diesen beiden Zeiträumen können die Paläontologen auch besonders viele besonders große Arten feststellen. Die Schlussfolgerung daraus fasst De Baets so zusammen: „Besonders große Tiere gab es offenbar immer dann, wenn die Diversität, also die Vielfalt, von marinen Organismen im Allgemeinen recht groß war.“

Für die Zukunft bedeutet das: Wenn wir Menschen die Vielfalt der Arten auf der Erde weiter so zerstören wie bisher, wird es wohl auch irgendwann keine Riesenviecher mehr geben, weil sie anfälliger für Umweltänderungen sind.

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