Das darf doch nicht wahr sein!

5.1.2017, 17:02 Uhr
Das darf doch nicht wahr sein!

© Foto: Xavier Gallego Morel/Fotolia

„Wer auf die Schnapsidee gekommen ist“, sagt Prof. Friedrich Paulsen, der für Lehre zuständige Vizepräsident der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, ließe sich jetzt schon nicht mehr festellen. Fest steht allerdings: Kurz vor Weihnachten war die Aufregung an den deutschen Hochschulen groß.

Denn zum Jahresbeginn lief ein Rahmenvertrag zwischen der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder und der Verwertunsggesellschaft (VG) Wort aus, der es den Hochschulen erlaubte, ohne großen finanziellen und organisatorischen Aufwand urheberrechtlich geschützte Texte auf Online-Plattformen zu stellen.

Solche sogenannten Semesterapparate standen früher in Buchform in der Bibliothek, zunehmend jedoch werden sie digital angeboten. „Das ist vor allem in den Geisteswissenschaften relevant“, erklärt Paulsen, „in denen die Studierenden zum Teil sehr große Mengen an Literatur zu bewältigen haben. Damit sich nicht jeder die Bücher kopieren oder gar kaufen muss, stellen die Dozenten die benötigten Texte auf spezielle Plattformen, wo sie sich die Studierenden herunterladen können.“

Die „Schapsidee“ bestand nun darin, ab diesem Jahr die finanzielle Abgeltung nicht mehr pauschal zu regeln, sondern jeden hochgeladenen Text einzeln zu erfassen. Der entsprechende neue Rahmenvertrag sollte zum 1. Januar in Kraft treten – allerdings nicht automatisch.

Jeder Hochschule war es freigestellt, dem Vertrag beizutreten. Wer nicht beitrat, hätte allerdings gar nichts mehr online stellen dürfen.

Der Aufschrei war ebenso große wie die Befürchtungen: Die Studierenden würden schwerer an Literatur gelangen, auf die Dozenten komme ein übermäßiger Verwaltungsaufwand zu und auf die Hochschulen ein steigender Kostendruck.

Schließlich hatte ein Pilotprojekt an der Uni Osnabrück gezeigt: Durch die Anwendung der neuen Regelung sank die Anzahl der online bereitgestellten Texte in einem Semester von 4500 auf nur noch 1000.

Unter dem Druck von Studierenden und Hochschulen wurde schließlich eine Arbeitsgruppe mit der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gebildet, die eine vorläufige Lösung des Problems erarbeiten sollte.

Die Position der Hochschulen dabei: „In einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft muss der Zugang zur weltweiten Information für jedermann zu jeder Zeit von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden.“

Die Verhandlungen sind jetzt beendet, das Ergebnis lautet: Vorerst bleibt alles beim Alten. Denn die VG Wort setzt die Umsetzung des neuen Rahmenvertrags aus – allerdings ausdrücklich nur vorübergehend. Bis zum Wintersemester 2017/18 soll eine „praktikable“ Lösung erzielt werden.

Konkret für die FAU bedeutet das unter anderem: „Bisher online gestelltes urheberrechtlich geschütztes Material braucht nicht entfernt zu werden und neues Material darf eingestellt werden“, erklärt Vizepräsident Paulsen. Dumm gelaufen für alle, die aufgrund der großen Unsicherheit ihre Lehrplattformen bereits „bereinigt“ hatten.

Andererseits ist die „Entwarung nur vorläufig“, betont Paulsen. Für die Zeit nach der Übergangsphase werde eine „praktikable und sachgerechte Lösung angestrebt“. Soll heißen: Endgültig vom Tisch ist die „Schnapsidee“ noch lange nicht. Sie liegt nur bis Herbst auf Eis.

Verwandte Themen


Keine Kommentare