Das Meer vor der Haustür

14.3.2015, 10:00 Uhr
Das Meer vor der Haustür

© privat

You’re German, right? Das ist meist das Erste, was mir die Leute hier auf Bainbridge Island entgegnen. Meinen Akzent scheint jeder Amerikaner herauszuhören.

Als das Abitur voriges Jahr vor der Tür stand und die Berufs- und Studienwahlfrage noch immer nicht geklärt war, habe ich im März begonnen, mich mit der Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts als Au-pair, also als Kindermädchen, auseinanderzusetzen.

Schließlich bewarb ich mich online über eine Agentur, die Gastfamilien und Au-pairs in sämtliche Länder der Welt vermittelt. Da ich in ein englischsprachiges Land wollte – und Kanada aufgrund meines damaligen Alters ausschied (man kann erst mit 18 Jahren eines der limitierten Visa beantragen) – lag es auf der Hand: die Vereinigten Staaten!

Suche eine Familie

Nach einem langen und sehr formellen Prozess, in dem ich sämtliche Dokumente für mein Visum zusammensuchte und beispielsweise vorweisen musste, nicht an Tuberkulose erkrankt zu sein, bekam ich Anfang Juni meine ersten „Familienvorschläge“. Jede Agentur hat einen anderen Weg, Familien und Mädchen zu vermitteln. Meine Agentur legt den Schwerpunkt auf die Auswahl für beide Seiten. Ende Juli stand schließlich fest, in welcher Gastfamilie ich das kommende Jahr wohnen würde: eine Familie, die in der Nähe von Seattle im Bundesstaat Washington auf einer Insel lebt.

Das Meer vor der Haustür

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Von diesem Zeitpunkt an ging alles ganz schnell: Botschaftsbesuch, Gastgeschenke, Kofferpacken, Verabschieden von Familie und Freuden – und einen Monat später befand ich mich im Flieger nach New York City. Dort standen dann erstmal „orientation days“ an, also ein Crashkurs über Kinderbetreuung und amerikanische Kultur mit anderen Au-pairs. Inzwischen wohne ich seit sieben Monaten an der Westküste der USA auf Bainbridge Island. Hier lässt es sich gut leben: Bei einem USA-weiten Ranking landete der Ort in Sachen Lebensqualität auf Platz 2.

Das Meer vor der Haustür zu haben, ist für mich als fränkisches Landei etwas sehr Besonderes! Selbst der Dauerregen im Herbst und Winter hielt mich nicht von langen Strandspaziergängen ab, bei denen man auf Robben und Krabben trifft, während einem beim Spaziergang im Wald schon mal Waschbären, Kolibris und Kojoten begegnen. Mit der Fähre kann man in einer halben Stunde nach Seattle übersetzen und hat damit Anschluss an die Weltmetropole.

Ein Au-pair-Aufenthalt allerdings steht und fällt weniger mit dem Ort, wichtiger ist das Verhältnis zwischen Gastfamilie und Au-pair. Einerseits bin ich eine Arbeitskraft, gleichzeitig ein Familienmitglied, das unter demselben Dach lebt.

Nicht selbstverständlich ist, dass mich meine Gastfamilie mit in „ihren“ Urlaub nimmt. So durfte ich schon Boston sehen und mit ins wunderbare Paradies Hawaii fliegen!

Außerdem geben meine Gasteltern sich viel Mühe, dass ich mich wohlfühle. Damit ich kein Heimweh bekomme, wurde ich beispielsweise eines Abends mit einer bayerischen Abendbrotplatte überrascht. Eine tolle Geste!

Ich betreue hier die Kinder Jocelyn (4), Tristan (6) und Madeleine (10). Da mein Gastvater unter der Woche beruflich unterwegs ist und meine Gastmutter sich nicht zerreißen kann, wenn die Kinder an verschiedenen Orten sein müssen, haben sie sich mit mir zum ersten Mal ein Au-pair als Unterstützung geholt. Das Vorurteil, Au-pairs säßen den ganzen Tag nur mit einem Buch auf dem Spielplatz, kann ich nicht bestätigen.

Pausenbrote, baden, basteln

Das Meer vor der Haustür

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Mein typischer Tagesablauf sieht so aus: Frühstück und Pausenbrote vorbereiten, die Kinder zur (Vor-)Schule bringen und abholen, Fahrdienste mit meiner Gastmutter aufteilen, mit den Kindern lesen und schreiben üben, spielen, basteln, trösten, Streit schlichten, nebenbei Wäsche waschen, auch mal kochen, die Kinder baden und ins Bett bringen.

Ich bin eine „second mommy“, trage Verantwortung – und falle nach einem maximalen Zehn-Stunden-Tag müde ins Bett. In jedem Fall wächst man über sich hinaus und entwickelt eine unglaubliche Kreativität, um die Kinder bei Laune zu halten!

Eine große Herausforderung ist überdies, sich an die neuen Lebensumstände zu gewöhnen und sich einzuleben. Die neunstündige Zeitverschiebung macht es nicht gerade einfach, Kontakt nach Hause zu halten. Mit der Zeit lernt man, mit der Einsamkeit klarzukommen – man hat sich eben komplett allein in ein fremdes Land begeben.

Eine gute Strategie ist, immer beschäftigt zu bleiben. Ich mache viel Sport, treffe mich mit anderen Au-pairs auf der Insel oder in Seattle, gehe in die Bücherei. Es gefällt mir im „Evergreen State“ Washington, die Menschen sind sehr offen – und spätestens, wenn sie meinen Akzent entdeckt haben, ist das Eis gebrochen.

 

Checkliste "Au-pair in den USA": 

Vorbereitungszeit vor der Abreise: mindestens 3 Monate

Alter: 18 bis 26 Jahre

Mindestaufenthalt: 12 Monate (verlängern möglich oder 13. Reisemonat)

größte Organisationen: AIFS, Cultural Care, Au Pair Care

Visum beantragen: Keine Angst! Mit einer Organisation wird einem super geholfen und alles vorbereitet.

Kosten: je nach Organisation 800 bis 1300 Euro (Hin- und Rückflug, Vermittlungsgebühr)

Wöchentliches Taschengeld: 195 Dollar

Gesetzliche Rahmenbedingungen: Arbeitszeit max. 45 Stunden pro Woche, max. 10 Stunden pro Tag; mind. 1,5 Tage pro Woche frei und ein freies Wochenende pro Monat, zwei Wochen bezahlter Urlaub, eigenes Zimmer

Voraussetzungen: Abitur, Fachhochschulreife bzw. weitere Abschlüsse mit Berufsausbildung sowie mind. 250 Stunden Kinderbetreuungserfahrung im Voraus

 

Auf ihrem Blog http://inselgeschichten-eines-kolibris.blogspot.com/ könnt ihr zudem weiterverfolgen, was Carmen in den USA erlebt und wie es ihr dort ergeht.

Ihr plant einen Au-pair-Aufenthalt? Hier gehts zur passenden Verlosung!
 

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