Das Seenland will junge Ärzte anlocken

16.2.2017, 16:02 Uhr
Das Seenland will junge Ärzte anlocken

Felix (25) spielte das Unfallopfer. Wimmernd lag er am Straßenrand, von einem Motorrad über den Haufen gefahren. Insgeheim jedoch amüsierte er sich köstlich über die Gruppe von Kommilitonen, die zufällig des Weges kam und sofort versuchte, Erste Hilfe zu leisten.

In den Tagen zuvor hatte Felix noch einen Bart gehabt, jetzt war er glatt-rasiert. "Daher hab ich mir zwar gedacht: Irgendwie kommt mir der bekannt vor", erinnert sich Medizin-Studentin Franziska (30), die in der Helfergruppe war. "Aber erkannt hab ich ihn trotzdem nicht gleich."

Erst als die Studenten Felix nach allen Regeln der Ersthelfer-Kunst untersuchten, dämmerte es ihnen: Das ist gar kein echter Unfall, das ist nur eine realitätsnahe Simulation.

"Wenn man in eine solche Situation kommt, steht man total unter Adrenalin", erläutert die Landärztin Ute Schaaf, "da fällt es jedem enorm schwer, klaren Kopf zu behalten." Und genau diesen Stress sollten die Medizin-Studenten in dem Moment erfahren – und zugleich üben, trotzdem cool zu bleiben.

Der simulierter Motorradunfall war Teil der "Medizinischen Ferienakademie Altmühlfranken". Neben Franziska, die in Erlangen Medizin studiert, waren neun weitere Kommilitonen aus ganz Deutschland dabei.

Das Seenland will junge Ärzte anlocken

Eine Woche lang bekamen sie ein volles Programm geboten: Vormittags gab es Workshops – abgehalten von Klinikmedizinern und niedergelassenen Ärzten – zu Themen wie "Heilen mit Nadeln, Händen, Gläsern und Globuli", "Ultraschall" und "Praxisorganisation".

Nachmittags wurden Freizeitaktivitäten wie Bogenschießen, Kanufahren und Klettern in Zusammenarbeit mit dem Adventure Campus Treuchtlingen angeboten, wo die Teilnehmer wohnten. Und abends war Geselligkeit mit den jeweiligen Kursleitern angesagt – "meistens bis tief in die Nacht", erzählt Franziska.

Das Ziel des Angebots: "Die Akademie sollte den Teilnehmern ermöglichen, in einen persönlichen Kontakt mit Ärzten zu kommen, ihnen die Vorteile unserer Region vor Augen führen und sie dazu ermutigen, den Schritt in die Landarzttätigkeit zu wagen", erläutert die Ärztin Alexandra Wudy, die zusammen mit Ute Schaaf das Konzept entwickelt hat.

Und warum das Ganze? "Die demographische Entwicklung macht sich im medizinischen Bereich extrem bemerkbar. Aber auch unsere Ärzte selbst werden nicht jünger. In Mittelfranken sind mehr als 30 Prozent der niedergelassenen Ärzte über 60 Jahre alt", erklärt Kathrin Kimmich, Leiterin der Zukunftsinitiative Altmühlfranken.

Allein im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen werden etwa 30 Hausärzte und schätzungsweise 20 bis 30 Fachärzte in absehbarer Zeit in den Ruhestand treten. Und auch die Kliniken melden Bedarf. "Bereits jetzt zeigt sich, dass es nicht einfach sein wird, diese Lücken zu schließen," meint Kathrin Kimmich.

Ein Kandidat dafür ist Felix. Er studiert Medizin in Heidelberg und absolvierte zum Zeitpunkt der Akademie einen Teil seines Praktischen Jahres (PJ) in der Praxis von Ute Schaaf. "Ich möchte Hausarzt werden", sagt er, "weil ich mir gut vorstellen kann, diese Tätigkeit auch noch in 20 Jahren auszuüben. Bei vielen anderen fachärztlichen Bereichen kann ich das nicht."

Franziska hat an der Akademie teilgenommen, "weil ich einfach meinen Fuß in die Tür stellen wollte". Sie interessiert sich für den Beruf des Hausarztes auf dem Land.

Die gelernte Krankenschwester hat sechs Jahre lang auf ihren Sudienplatz gewartet. Jetzt möchte sie "allmählich Familie gründen. Und als Klinikärztin wäre das sehr schwierig. Außerdem möchte ich kein Fachidiot für ein Organ werden. Mich reizt es, herumzutüfteln, was der Patient wohl hat", erklärt sie.

Ob nun Felix und Franziska tatsächliche mal eine altersbedingt frei werdende Praxis in Altmühlfranken übernehmen werden, ist natürlich noch völlig offen. Aber Alexandra Wudy freut sich allein darüber, "dass so viele Teilnehmer der vorigen Akademie schon genaue Vorstellungen von ihrer späteren Tätigkeit hatten und sich eine Niederlassung im ländlichen Raum durchaus vorstellen können". Ein guter Grund, die Akadmie dieses Jahr zu wiederholen.

Infos zur Medizinischen Ferienakademie Altmühlfranken stehen auf www.altmuehlfranken.de/mfa

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