Der Blick über den Tellerrand

9.6.2016, 16:49 Uhr
Der Blick über den Tellerrand

© Stephanie Meißner

Frau Winkelmaier, vor welchen Herausforderungen stehen Bachelor-Absolventen aus den Geisterwissenschaften bei der Arbeitssuche?

Susanne Winkelmaier: Grundsätzlich ist der Bachelor ein erster berufsqualifizierender Abschluss. Für einen erfolgreichen Berufseinstieg zählt allerdings nicht nur der Abschluss, sondern auch, welche Qualifikationen sich der Student im Studium konkret angeeignet hat. Ein wichtiger Faktor für einen erfolgreichen Berufseinstieg ist Praxiserfahrung. Wenn die Zeit im Studium allerdings knapp bemessen ist, bleibt oft wenig Zeit für Praktika oder einen berufsvorbereitenden Nebenjob. Und dann kann es schwer werden, eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

 

Wie kann ein Geisteswissenschaftler seine Berufschancen erhöhen?

Susanne Winkelmaier: Das lässt sich nicht pauschal für alle Fachrichtungen und Berufsfelder beantworten. Wer sich für einen Berufseinstieg in der Medienbranche interessiert, dem empfehle ich in erster Linie Arbeitserfahrung und Arbeitsproben zu sammeln. Wenn sich ein Geisteswissenschaftler für die Mitarbeit in einem Wirtschaftsunternehmen interessiert, dann wäre es sinnvoll, ein Praktikum in einer Abteilung wie Marketing, Personal oder Öffentlichkeitsarbeit zu machen oder sich um einen Job als Werksstudent zu bemühen. Mit den Praktika kann der Student nicht nur vertiefte Kenntnisse erwerben, sondern auch wichtige Kontakte knüpfen, die ihm den Berufseinstieg erleichtern. Aber auch durch Zusatzqualifikationen wie Sprach- oder EDV-Kenntnisse kann man seine Chancen erhöhen. Dazu bieten das Sprachenzentrum und das Rechenzentrum der FAU zahlreiche Kurse an.

 

Wie lange sind Geisteswissenschaftler nach Ihrer Erfahrung auf Arbeitssuche?

Susanne Winkelmaier: Auch das ist sehr unterschiedlich. Der Berufseinstieg gelingt nicht immer von heute auf morgen, oft nimmt die Stellensuche mehrere Monate in Anspruch. Gerade bei gefragten Berufsfeldern wie im Verlagswesen bewerben sich viele Absolventen auf wenige Stellen.

Wenn sich ein Student einen bestimmten Berufswunsch in den Kopf gesetzt hat, sollte er am besten möglichst mobil bleiben und nicht nur regional nach Stellen suchen. Wichtig ist auf jeden Fall, sich schon frühzeitig im Studium mit der Berufswahl auseinanderzusetzen, damit man nach dem Abschluss eine genaue Vorstellung hat, wohin die Reise gehen soll.

 

Wie kann der Career Service dabei helfen?

Susanne Winkelmaier: Wir helfen den Studenten bei ihrer beruflichen Orientierung, unterstützen sie bei der Praktikumssuche, im Bewerbungsprozess und beim Berufseinstieg. Wir bieten zum Beispiel Seminare und Bewerbungstrainings an. In kleinen Workshops helfen wir den Teilnehmern bei der Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen oder bereiten sie auf Bewerbungsgespräche vor. Außerdem bieten wir Kurse zum Erwerb berufsrelevanter Kompetenzen wie Präsentationstechniken oder Projektmanagement an. Zudem veranstalten wir regelmäßig Info-Tage, bei denen Firmenvertreter, Experten und Alumni über Tätigkeitsfelder und Arbeitsalltag berichten und den Studierenden wertvolle Tipps aus erster Hand geben.

 

Hat denn ein Geisteswissenschaftler mit einem Master-Abschluss bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt?

Susanne Winkelmaier: In der wissenschaftlichen Forschung ist ein Master-Abschluss unerlässlich und bildet die notwendige Basis für eine Promotion. In der freien Wirtschaft ist meiner Erfahrung nach das Abschlussniveau nicht immer entscheidend. Aber die Chancen auf eine Anstellung können mit einer weiteren Spezialisierung in einem bestimmten Themenbereich schon steigen.

Wer also der Experte in seinem Fach sein und nach dem Studium fachnah arbeiten möchte, für den ist der Master-Abschluss in jedem Fall sinnvoll. Daher entscheiden sich die meisten Bachelor-Absolventen auch für ein Master-Studium. Wer allerdings das Gefühl hat, dass ihm die wissenschaftlichen Kompetenzen aus dem Bachelor-Studium genügen und direkt danach ins Berufsleben einsteigen möchte, der sollte sich frühzeitig über seine Berufsperspektiven informieren und sich Einblicke in die Praxis verschaffen.

 

Welche Argumente gibt es für Arbeitgeber einen Geisteswissenschaftler einzustellen?

Winkelmaier: Ein Geisteswissenschaftler kann eine andere Sichtweise und an der richtigen Stelle auch sein spezielles Fachwissen einbringen. So kann für eine Firma, die Geschäftsbeziehungen mit China pflegt, ein Sinologe gewinnbringend sein, der sich im Studium mit der Sprache und Kultur Chinas beschäftigt hat. Genauso können Austauschorganisationen oder internationale Stiftungen ein Interesse an seinen Kompetenzen haben. Absolventen rate ich dazu, sich erstmal Gedanken darüber zu machen, für welche Arbeitgeber sie aufgrund ihres Profils besonders interessant sein könnten, und sich dann gezielt auf Stellen zu bewerben.

Die Qualifikationen eines Geisteswissenschaftlers gehen über das reine Fachwissen hinaus. Die Studenten erwerben kommunikative ebenso wie analytische Fähigkeiten, lernen strukturiert zu arbeiten und sich schnell neues Wissen anzueignen. Kompetenzen, die im Berufsleben eine große Rolle spielen. Es ist auf jeden Fall wichtig, sich seine Fähigkeiten und Stärken selbst bewusst zu machen und diese dann auch klar und deutlich an den Arbeitgeber heranzutragen, sodass dieser den Mehrwert des potenziellen Mitarbeiters für seine Firma erkennt.

 

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