„ Der Frauenanteil muss deutlich steigen“

5.8.2016, 10:00 Uhr
„ Der Frauenanteil muss deutlich steigen“

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Frau Enzelberger, was steckt hinter dem „Büro für Gender und Diversity“?

Sabina Enzelberger: Es wurde 1989 als „Büro der Frauenbeauftragten“ gegründet, um Frauen in der Wissenschaft zu fördern. Heute haben wir 16 Mitarbeiterinnen und viele Aufgabenbereiche: Familienservice, Hilfe bei Belästigung und Diskriminierung, Diversity Management und Förderung der Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität und sozialer Herkunft.

 

Welche Erfolge verzeichnet das Büro für Gender und Diversity?

Sabina Enzelberger: Unsere Universität ist sehr erfolgreich bei der Nachwuchsförderung, bei Promotionen und Habilitationen. Bei den Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sind wir oft als Vorbild gelistet. Unser Familienservice ist wichtig, wir bieten 190 Kinderkrippenplätze für Angehörige der Uni und des Klinikums.

1995 hatte der Senat der FAU Empfehlungen zur Gleichstellung beschlossen. Wie sieht heute die Verteilung männlich-weiblich an der FAU aus?

Sabina Enzelberger: An der FAU arbeiten nach dem letzten Stand 579 Professoren und Professorinnen. 486 davon sind männlich, 93 weiblich. Der Frauenanteil entspricht also 16,1 Prozent. Das ist nicht gut! Vorrangige Aufgabe ist es deshalb, Frauen in ihrer wissenschaftlichen Karriere zu fördern.
Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen liegt der Frauenanteil bei 35 Prozent. Und im nicht-wissenschaftlichen Bereich arbeiten mehr Frauen, das sind die vielen Sachbearbeiterinnen an der Uni. Insgesamt kann man sagen, dass Frauenförderung und Chancengleichheit bei uns gut institutionell verankert und als Ziele voll akzeptiert sind.

 

Welche Hindernisse gibt es für Frauen in der Wissenschaft?

Sabina Enzelberger: Das größte Hindernis ist die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Familie. Traditionelle Geschlechterarrangements sind hier noch ausgesprochen wirksam: Frauen sind stärker für Familienaufgaben zuständig. Es gibt inzwischen aber auch viele Mitarbeiter an der Uni, die Väter sind und massiv Familienfreundlichkeit einfordern. Schwierig für Frauen und Männer, aber noch mehr für Frauen, sind die prekären Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft, vor allem befristete Verträge. Aktuell wird ja in der Politik versucht, hier Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Benachteiligung von Frauen kommt leider immer noch bei Beförderungen vor.

 

Woran liegt das?

Sabina Enzelberger: In Netzwerken, den „old boy networks“, haben Männer viel mehr als Frauen die Möglichkeit zu Austausch und Förderung. Hinzu kommen geschlechterbezogene Verzerrungen der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Das nennt man in der Wissenschaft Gender Bias.
Es ist erwiesen, dass in Berufungskommissionen oft nach Ähnlichkeit ausgewählt wird. Und da vorwiegend Männer in den Kommissionen sitzen, fällt ihr Blick stärker auf Kandidaten, die ihnen gleichen. Das sind meist Männer mit einem Lebenslauf ohne Lücken. Frauen, die vielleicht Lücken im Lebenslauf haben oder insgesamt weniger Publikationen vorweisen können, weil sie mehr Familienaufgaben übernommen haben, geraten dabei in den Hintergrund.
Dazu kommt: Frauen werden zum Teil bestimmte Verhaltensweisen wie Führungs- und Durchsetzungsfähigkeit abgesprochen. Das gleiche Verhalten wird unterschiedlich bewertet: Eine führungsstarke Frau gilt als aggressiv. Zeigt ein Mann das gleiche Verhalten, gilt er als durchsetzungsstark.

 

Gibt es heute noch Ablehnungsreaktionen gegenüber dem Büro für Gender und Diversity?

Sabina Enzelberger: Ja, die gibt es schon ab und zu. Zum Beispiel taucht manchmal der Vorwurf auf, dass Frauenförderung inzwischen so viel erreicht hätte, dass nun Männerförderung notwendig wäre.
Ärgerlich ist es, wenn die Vermutung aufgestellt wird, Frauen würden ohne Blick auf ihre Qualifikation gegenüber Männern bevorzugt. Das ist einfach falsch! Denn laut Hochschulgesetz muss ausdrücklich auf Eignung und Qualifikation geschaut werden. Das tun Berufungskommissionen natürlich auch, denn sonst würden sie sich ja ins eigene Fleisch schneiden.

 

„ Der Frauenanteil muss deutlich steigen“

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Das Büro ist auch Anlaufstelle für Studierende, die diskriminiert oder sexuell belästigt werden. Was passiert, wenn sich jemand an Sie wendet?

Sabina Enzelberger: Dabei müssen wir sehr sensibel und vorsichtig sein. Betroffene können im Internet unseren Leitfaden nachlesen. Wenn die Betroffenen sich an uns wenden, führen wir zunächst ein vertrauliches Gespräch. Das Wichtigste ist: Die Betroffenen bleiben anonym, und wir gehen auf gar keinen Fall ohne Rücksprache oder Einwilligung der Betroffenen vor!
Am Anfang steht die Frage, ob man uni-intern weitere Schritte geht oder sich an die Polizei wendet. Uni-intern ist der erste Schritt, dass wir ein vertrauliches Gespräch mit den Beschuldigten führen. Oft stellt sich die Belästigungssituation dann bereits ein. Wenn nicht, können die Chefs, also die Lehrstuhlinhaber, der Dekan oder die Uni-Leitung, eingeschaltet werden, die dann Gespräche mit den Beschuldigten führen.

 

Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf an der FAU?

Sabina Enzelberger: Der Frauenanteil an Professuren muss noch deutlich steigen. Es ließe sich diskutieren, ob eine Frauenquote uns nicht doch schneller voranbringen könnte. In Deutschland steigt der Frauenanteil bei Professuren jährlich um 0,7 Prozent. Eine deutliche Zunahme wird also noch länger dauern.
Großen Handlungsbedarf hat die FAU bei den prekären Arbeitsverhältnissen. Allerdings wird hier bereits versucht, einiges zu ändern. Ein weiterer Punkt ist Genderforschung. Die Erforschung der sozialen Ungleichheit von Frauen und Männern sollte stärker verankert sein, dafür wird angestrebt, ein Zentrum zu gründen.
Bei der Berufungskultur ist wichtig, dass Frauen nicht schon wegen einer möglichen Familiengründung als Risiko gelten. Es sollte eine Mutterschutzzeitvertretung für Professorinnen eingerichtet werden, für Mitarbeiterinnen gibt es sie schon. Ein letzter Punkt betrifft das Diversity Management: Wir sind eine ältere Uni, baulich muss etwas für Menschen mit Rollstuhl getan werden. Aber auch die Studierenden mit Seh- oder Hörbehinderung oder psychischen Belastungen dürfen wir nicht vergessen.

 

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