Der Game Boy als Musikinstrument

30.9.2017, 10:00 Uhr
Der Game Boy als Musikinstrument

© Foto: Nintendo

Im April 1989 stellte die japanische Firma Nintendo den Game Boy der Weltöffentlichkeit vor. In der Geschichte und Entwicklung des Computerspiels liegt dieses Ereignis ungefähr so weit zurück wie die Bronzezeit. Bei vielen Fans erfreut sich das tragbare 8-Bit-Handheld, das sich inklusive seiner diversen Nachfolger (Color, Pocket, Advance) unfassbare 118,69 Millionen Mal verkauft hat, jedoch bis heute ungebrochener Beliebtheit – als Oldtimer und ikonische Spielkonsole.

Der Game Boy als Musikinstrument

© Foto: Andi Pontanus

Gute hundert D-Mark betrug seinerzeit der Anschaffungspreis für eines der in der Standardversion mausgrauen, 300 Gramm schweren und von vier handelsüblichen Mignon-Batterien angetriebenen Spielgeräte. Dafür bekam man einen unbeleuchteten schwarz-grünen LCD-Bildschirm und das aufgedruckte Versprechen "Dot Matrix with Stereo Sound".

Trotz der in Smartphone-Zeiten nachgerade lächerlichen technischen Möglichkeiten rangieren zahlreiche Game-Boy-Spiele bis heute unter den ewigen Computerspielklassikern. Allen voran natürlich die monochrome Version des Pixel-Puzzles "Tetris" mit seiner berühmten "Music A", dem russischen "Korobeiniki"-Lied, das heute sogar von klassischen Orchestern gespielt wird.

Was nicht jeder weiß: Der klassische Game Boy, in Fan-Kreisen auch dmg89 (für "Dot Matrix Game Boy" und das Erscheinungsjahr 1989) genannt, hat einen erstaunlich guten Soundchip verbaut. Und dessen fünf Stereo-Kanäle lassen sich mit ein paar Soft- beziehungsweise Hardwaretricks ansteuern und programmieren. Aus dieser Möglichkeit heraus hat sich im Zuge der Nerdkultur eine weltweite Fanszene entwickelt.

Das Stichwort heißt Chiptune: Mittels einem oder mehreren synchron-geschalteten Game Boys wird Musik gemacht. Wie das geht und was da alles möglich ist, das kann man am kommenden Samstag in Nürnberg erleben. Gamen ist beim "Chip Hits The Fan"-Festival zwar möglich, aber tatsächlich Nebensache.

Auch Mitorganisator Hannes Fertala hat über die Musik zum Game Boy gefunden. "Meine ersten Computer waren der Commodore 64 und der Amiga 500, und auf beiden hat mich schon immer die Musik fasziniert, vor allem in den zahlreichen Demos und Game-Intros, die es damals gab."

Der Game Boy als Musikinstrument

© Foto: PR

Komponisten wie Chris Hülsbeck begeisterten den Jugendlichen aus Kärnten in den 1980er Jahren so sehr, dass er sich ihre Musik auf Kassette zog – und selbst begann, Musik auf seinen Heimcomputern zu machen. Jahre später erlebte Fertala dann in Graz einen Auftritt des gameboymusicclub aus Wien — und erkannte die schnellen, piepsigen, mitunter sehr knarzigen und breakbeat-lastigen Sounds seiner Jugend wieder.

Cool, dachte sich der Österreicher: Der Game Boy kann das also auch. Und so ersteigerte er sich mit Mitte 30 auf Ebay eine der alten Spielkonsolen als Instrument und begann, mit Hilfe der Musiksoftware Little Sound DJ (LSDJ) erste Lieder zu programmieren. Heute tourt der 41-Jährige unter seinem Künstlernamen irq7 in der internationalen Chiptune-Szene und trat schon live in New York, Manchester und kürzlich auf einem Bauernhof in Dänemark auf.

2010 verschlug es Fertala beruflich nach Nürnberg, wo er auf das "Chip Hits The Fan"-Festival stieß. Bei der ersten Ausgabe war er als Musiker dabei, ab der zweiten übernahm er die Organisation mit Hilfe vieler freiwilliger Helfer. Fortsetzung folgt am kommenden Wochenende — wieder in 8-Bit.

Festival-Info:

Beim "Chip Hits The Fan"-Festival am Samstag, 7. Oktober, könnt ihr lernen, wie man mit und auf seinem Game Boy Musik macht. Am Nachmittag steigt im Künstlerhaus in Nürnberg, Königstraße 93, ein Game-Boy-Musikworkshop – Infos und Anmeldung bei Stephanie.Braun@ stadt.nuernberg.de

Am Abend treten dann im Festsaal 8-Bit-Künstler aus ganz Europa auf, unter anderem TwoGamesOneBoy aus Argentinien, der Hamburger ex-Punk Kid Knorke und das deutsch-österreichische Duo Pokeface. Außerdem gibt es bei "Chip Hits The Fan" unter anderem den Nerdkultur-Film "Traceroute" zu sehen sowie einen Vortrag zum Thema "Musikerziehung Elektronengehirn: Der Computer in der Popgeschichte". Infos und Zeiten auf www.chiphitsthefan.de

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